# taz.de -- Gabriel und die Supermarktkettenfusion: Lass das mal den Siggi mach… | |
> Siggi goes Stromberg: In der Tragikomik seines Scheiterns gleicht Sigmar | |
> Gabriel einer Kultfigur des deutschen Fernsehens. Ein Drama. | |
Bild: Zu wünschen wäre es ihm, dass „Lass das mal den Siggi machen“ endli… | |
Kennen Sie „Stromberg“? Diesen schmerzhaft menschelnden, beherzt | |
zupackenden und immer fürchterlich scheiternden Bürowallach? Die | |
gleichnamige Serie war mit das Beste, was es auf ProSieben jemals zu sehen | |
gab. Bernd Stromberg ist das deutsche Äquivalent zu Mr. Bean. | |
Man schämt sich fremd bis zum Anschlag, muss aber trotzdem hysterisch | |
kichern – hauptsächlich deswegen, weil jeder auch im echten Leben so einen | |
Stromberg kennt. Der sich durchs Leben tölpelt und beim Lachen grunzt. Vor | |
allem anderen aber verkörperte Stromberg eine große, wichtige | |
Tucholsky-Wahrheit: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Nur eben, dass | |
er es hauptsächlich gut mit sich selbst meint. | |
Ja, wirklich jeder kennt so jemanden. Denn dieses Phänomen – alles | |
versuchen, noch mehr versauen – reicht bis in höchste Regierungskreise. Und | |
seinen Meister hat es gefunden in Sigmar Gabriel, Bundeswirtschaftsminister | |
und Vizekanzler. Der rüttelt, ähnlich wie Stromberg, gern mal kräftig am | |
Ohrfeigenbaum. So auch vor wenigen Tagen in aller Öffentlichkeit – nicht | |
etwa bei einer Frau, wie es Stromberg in geschätzt jeder Folge passiert, | |
sondern beim Oberlandesgericht Düsseldorf. Das kassierte in einer seltenen | |
Deutlichkeit Gabriels Sondererlaubnis für die Fusion der Supermarktketten | |
Edeka und Kaiser’s Tengelmann wieder ein: Es bestehe Grund zur „Besorgnis | |
der Befangenheit des Bundeswirtschaftsministers“. | |
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Be-fan-gen-heit. Bei | |
einem Bundesminister. Wegen „geheimer Gespräche“ mit beiden Parteien steht | |
Gabriel nun hochoffiziell unter dem Verdacht fehlender Neutralität. Und | |
alle reden nur noch von der großen Blamage, die ihm das beschert habe. | |
Der arme Gabriel. Dabei hatte er es sich so schön gedacht. Er wollte | |
Arbeitsplätze sichern, dem Gemeinwohl dienen, wie er sein Ministerium jetzt | |
nochmals beleidigt ausrichten lässt. Vor allem hatte er eigentlich ja nur | |
gemacht, was er immer tut: Ärmel hochkrempeln, noch kurz eine launige | |
Ansage für die ganzen Dummen, die es immer noch nicht verstanden haben, und | |
dann: machen, machen, machen. Stromberg pur. | |
Leider findet das auch in seinem Fall selten jemand gut. Bei der | |
Energiewende lief es ähnlich – und Gabriels unglücklicher Versuch, mehr | |
Bürgernähe und Wählerverständnis an einer resoluten Putzfrau zu erproben, | |
die ihm dann der Reihe nach sämtliche Denkfehler seiner | |
gerechtigkeitspolitischen Offensive vorführte, dürfte nicht nur er selbst | |
noch schmerzvoll erinnern. | |
## Politik ist nicht Pop | |
In der eigenen Partei sieht es nicht anders aus. Beim letzten | |
SPD-Bundesparteitag gab es allerlei Gerangel um TTIP. Gabriel polterte, | |
wollte die Dinge pragmatisch regeln – und stand doch wieder nur als | |
Kungelkönig da. Sein Vize Ralf Stegner war es letztlich, der Parteilinke | |
und die auf Krawall gebürstete Basis mit einer flehenden Rede davon | |
abhielt, den Vorsitzenden noch mehr abzustrafen als schon bei dessen | |
Wiederwahl. | |
Im „Stromberg“-Kinofilm gibt es eine Schlüsselszene, in der Stromberg sich | |
bei einer Firmenfeier, als alles schon verloren scheint, auf die Bühne | |
stellt. Und alles, was er an Wurstigkeit zu bieten hat, heiter ins Mikro | |
trällert: „Lass das mal den Papa machen / der Papa macht das gut.“ Und | |
obwohl sich die Kollegen eigentlich schon tief beschämt abgewendet hatten, | |
kriegt er sie am Ende alle. Sie klatschen, lachen, lieben ihn irgendwie | |
doch. Kann Gabriel es also noch reißen, gut ein Jahr vor der | |
Bundestagswahl, die ihm und der SPD allen Umfragen nach ein Desaster | |
bescheren dürfte? | |
Wer weiß: Durch eine Verkettung schräger Zufälle landet Stromberg im Film | |
ausgerechnet bei der SPD, in leitender Position im Willy-Brandt-Haus. Was | |
für ein Omen! Vielleicht hat Sigmar Gabriel auch so ein Glück – und | |
wurstelt sich durch bis ins Kanzleramt. Zu wünschen wäre es ihm ja, dass | |
„Lass das mal den Siggi machen“ endlich der SPD-Wahlkampfhit wird – und | |
nicht der Soundtrack zu seiner Fettnäpfchenparade bleibt. | |
Allein: Politik ist nicht Pop, auch wenn Gabriel das mal mit | |
bemerkenswertem Starrsinn zu ändern versuchte, als „Popbeauftragter“ der | |
SPD. Und egal, wie sehr er es auch versucht: Arbeitsmarktpolitik in der | |
Kaffeeküche funktioniert halt nur im Fernsehen. | |
13 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Johanna Roth | |
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