| # taz.de -- Ganz ohne den üblichen Nord-Kitsch: Tobsuchtsanfall im Blumenbeet | |
| > Mit „Ferien“ hat Bernadette Knoller eine Komödie gedreht, einen | |
| > Hochschulabschlussfilm, in dem auch ihr berühmter Vater mitspielt: Detlev | |
| > Buck. | |
| Bild: Spiegelungen: Als die erschöpfte Vivian (Britta Hammelstein) auf die Ins… | |
| BREMEN taz | Dem Titel zum Trotz: Als Werbung für den Urlaub auf einer | |
| Nordseeinsel eignet sich „Ferien“ nicht. Zwar entstand der Film zum Teil | |
| auf Borkum, einer ostfriesischen Insel, die aber viel zu schmuck | |
| hergerichtet ist, wenn es nach Regisseurin Bernadette Knoller geht: Für die | |
| besteht eine Ferienunterkunft aus einem Bett unter dem Dach eines | |
| baufälligen Bauernhauses – mitsamt Wespennest unter der Dachrinne. Auch ein | |
| alter, heruntergekommener Laden, in dem nie jemand etwas kauft, und eine | |
| öde Dorfstraße mit Kopfsteinpflaster, das nicht schick, sondern nur alt und | |
| schlecht ausgebessert ist: gibt es auf der für den heutigen Tourismus | |
| optimierten Insel alles nicht. Eine Folge: Etliche Szenen wurden in dem | |
| kleinen Ort Planebruch gedreht – in Brandenburg. | |
| Schon daran merkt man, dass dies eine der wenigen in Norddeutschland | |
| spielenden Komödien der jüngeren Vergangenheit ist, bei der der | |
| Norddeutsche Rundfunk nicht das Sagen hat. Dessen Produktionen, etwa in der | |
| Reihe „Nordlichter“, stellen immer wieder heraus, wie schön und adrett das | |
| Land im Norden der Republik doch ist – und wie urig seine Bewohnerschaft, | |
| meist von Jan Fedder und Peter Heinrich Brix verkörpert. Dagegen ist | |
| „Ferien“ ein Abschlussfilm der Filmhochschule Konrad Wolf in Babelsberg, | |
| und was aus dieser Werkstatt kommt, zeichnet vielleicht auch nicht immer | |
| ein realistisches – aber doch zumindest kein so geschöntes Bild von der | |
| Welt. | |
| Und so ist dies auch keine Komödie der lauten Lacher: Es gibt keine | |
| komischen Verwechslungen, keine Witzfiguren und auch nicht diese allzu | |
| typische Dramaturgie, wonach am Schluss für die Guten alles glücklich | |
| endet. Denn im Grunde erzählt Regisseurin Knoller eine eher traurige | |
| Geschichte – aber mit viel Sinn für die Absurditäten des Lebens und einem | |
| guten Gefühl für Situationskomik. Ihre Antiheldin Vivian (Britta | |
| Hammelstein) erlebt am Anfang des Films einen „Burnout“. | |
| Dieses Wort fällt zwar nie, aber wenn die junge Staatsanwältin nachdem sie | |
| bei einem Prozess ratlos auf ihre Akten schaut und dafür scharfe Blicke von | |
| der Richterin erntet, danach mitten auf der Straße in Tränen ausbricht, nur | |
| weil ein Straßenhändler einen harmlosen Scherz mit ihr macht, wird umso | |
| klarer, wie es um sie steht. Bei Muttern zuhause will sie nur auf der Couch | |
| in Ruhe gelassen werden, doch die Eltern verordnen ihr Ferien auf der Insel | |
| – und der Vater (Detlev Buck) fährt gleich mit. | |
| Und hier bekommt der Film seine ganz eigenen Dreh: Bernadette Knoller, 29, | |
| ist die Tochter von Detlev Buck, der nun seinerseits nicht wenig | |
| beigetragen hat zur spezifisch norddeutschen Komödie. Da drängt sich dann | |
| schon die Frage nach den autobiografischen Bezügen auf. | |
| Tatsächlich wurde Knoller zu dem Film durch eigene Erfahrungen inspiriert, | |
| „in einer Zeit, als ich selbst nicht wusste, was ich machen will und | |
| darunter gelitten habe“. Dass sie eine Komödie gemacht hat – sicher kein | |
| Zufall. Den Filmvater spielt der Regisseurvater nun pausenlos redend und | |
| mit dieser ihm eigenen souveränen Hemdsärmeligkeit, aber zugleich | |
| offensichtlich als Kunstfigur; mit solchen Tochter-Vater-Spiegelungen | |
| spielt die Regisseurin auch. | |
| Auf der im Film übrigens namenlos bleibenden Insel verlässt Vivian dann | |
| schnell die üblichen touristischen Bahnen. In einer der schönsten Sequenzen | |
| bekommt sie einen Tobsuchtsanfall, in einem großen Blumenbeet mitten auf | |
| der Straße. Man muss nicht gleich von einem speziell weiblichen Humor | |
| sprechen, aber es fällt schon auf: In „Ferien“ wird viel und gerne geweint. | |
| So erkennt Vivian etwa, als sie weinend von dem ebenfalls weinenden | |
| Zimmermädchen Biene in ihrem Hotelzimmer überrascht wird, sofort die | |
| Seelenverwandte – und zieht zu ihr in deren chaotischen Haushalt. | |
| In einem wie verwunschen wirkenden Laden, bei dem nie klar wird, was er | |
| überhaupt verkauft, beginnt sie sogar als Aushilfe zu arbeiten, bis der | |
| Ladenbesitzer Otto sich aus Einsicht in die Nutzlosigkeit des Daseins auf | |
| seinem Bürosessel von dieser Welt verabschiedet. Sein Leinwanddebüt, | |
| ausgerechnet als Leiche, gibt hier der Rechtsanwalt und Krimiautor | |
| Ferdinand von Schirach. | |
| Für das gemeinsam verfasste Drehbuch haben Bernadette Knoller und ihre | |
| Studienkollegin Paula Cvjetkovic auf dem diesjährigen | |
| Max-Ophüls-Filmfestival in Saarbrücken einen Preis gewonnen. Tatsächlich | |
| ist das Buch eine der Stärken des Films, eben weil darin nicht ordentlich | |
| und vorhersehbar erzählt wird. Stattdessen kippen Situationen immer wieder | |
| ins leicht Absurde, so platscht etwa während eines Gesprächs in einem Café | |
| an der Nordseeküste eine tote Taube (wohlgemerkt keine Möwe!) mitten auf | |
| einen Essenssteller, ohne dass es Vivian und ihren Freund, von dem sie sich | |
| gerade trennt, sonderlich zu überraschen scheint. | |
| Und dann das erwähnte Wespennest in Vivians Unterkunft: Mit pointierten | |
| Auftritten von Tieren haben sich die beiden Drehbuchschreiberinnen viele | |
| Seiten Dialoge gespart – und so setzt dann auch ein toter Wal am Strand den | |
| Schlusspunkt. Zu ihm pilgern Vivian und Biene für die letzte Einstellung | |
| und damit wird vielleicht ein wenig zu deutlich gezeigt, dass auch sie auf | |
| der Insel gestrandet sind. | |
| 14 Jul 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
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