| # taz.de -- Film „Die Flut ist pünktlich“: Es wird auch mal fremdgegangen | |
| > Das ZDF verfilmt eine 60 Jahre alte Krimi-Erzählung von Siegfried Lenz – | |
| > ausnahms- und erfreulicherweise ganz ohne den Volksschauspieler Jan | |
| > Fedder. | |
| Bild: Bettina Halbach (Ina Weisse) hat ein Verhältnis mit Tom Larson (Jürgen … | |
| Luftaufnahmen von einer Wattlandschaft mit ihren Prielen. Reetgedeckte | |
| Häuser in strahlendem Weiß oder Backsteinrot. Eine Teilzeitpolizistin, die | |
| aus dem Kuhstall an den Fundort der Leiche im Watt gerufen wird. Besagte | |
| Leiche, die per Trecker weggebracht wird – ja wohin eigentlich? – eine | |
| ordentliche Gerichtsmedizin gibt es auf der Nordseeinsel natürlich nicht. | |
| Und der Arzt, der sich die Leiche anguckt, ist auch kein ausgebildeter | |
| Pathologe. | |
| „Ich muss nur wissen, ob ein Anfangsverdacht besteht“, sagt also die | |
| Teilzeitpolizistin. Arzt: „Was für’n Verdacht denn?“ Teilzeitpolizistin: | |
| „Wenn einer tot ist, dann isser tot, aber das kann viele verschiedene | |
| Gründe haben.“ | |
| Die Teilzeitpolizistin muss einen Bericht nach Husum (für die | |
| Teilzeitpolizistin „der Mount Everest“ unter den Städten) schicken und hat | |
| zu entscheiden, ob es sich bei dem Todesfall um einen Unfall, Selbstmord | |
| oder Mord handelt. Was losgeht wie einer dieser meist behäbigen, | |
| gelegentlich („Mörder auf Amrum“) kurzweiligen Provinzkrimis, entpuppt sich | |
| bald als etwas, was manch einer für die noch viel größere Plage hält: eine | |
| dieser meist behäbigen, nie kurzweiligen Siegfried-Lenz-Verfilmungen. | |
| Gerade, im November, hat der NDR als Lenz’ Heimatsender „Arnes Nachlass“ | |
| geliefert, da legt das ZDF mit einer Lenz-Flut von drei bei der Firma | |
| Network Movie in Auftrag gegebenen Verfilmungen nach. Den Titel „Die Flut | |
| ist pünktlich“ mag der Zuschauer, je nach seiner Lenz-Geneigtheit, also als | |
| Versprechen oder Drohung begreifen. | |
| Der Film unterscheidet sich von wirklich allen Lenz-Adaptionen seit „Der | |
| Mann im Strom“ dadurch, dass er ohne Jan „Schnodderschnauze“ Fedder | |
| auskommt. Dabei hätte es durchaus eine passende Rolle für ihn gegeben, | |
| nämlich die des stets mürrischen Vaters der Teilzeitpolizistin, gespielt | |
| von Jan Peter Heyne. Der sieht es gar nicht gern, wenn sie am Schreibtisch | |
| an ihrem Bericht arbeitet, anstatt den Stall auszumisten: „Mittag is | |
| vorbei!“ Teilzeitpolizistin: „Ich bin im Einsatz! Ich hab hinten noch | |
| Würstchen. Kannst du bitte Wasser aufsetzen!“ | |
| ## Hervorragende Besetzung | |
| Das sind so die Konflikte auf der Hallig, es wird auch mal fremdgegangen. | |
| Da bedarf es dann schon der großen Schauspielkunst einer Ina Weisse, um | |
| zumindest punktuell die dem Todesfall und dem Erscheinungsjahr der Vorlage, | |
| 1953, gemäße bedeutungsschwanger-existenzialistische Stimmung aufkommen zu | |
| lassen. Diesen schicksalsschweren Blick in die Leere, den beherrscht die | |
| Weisse ganz fantastisch. Kann die von ihr gespielte trauernde (?) Witwe | |
| ihren Mann umgebracht haben, um die längst tote Ehe endgültig zu beenden? | |
| Wenn ja: wie? Ist er doch ertrunken. Kannte er doch die Gezeiten. Tipp: Der | |
| Filmtitel gibt einen Hinweis. | |
| Überhaupt ist der Film, nicht nur durch die erfreuliche Abwesenheit des | |
| Volksschauspielers Fedder, hervorragend besetzt. Es spielen Bernadette | |
| Heerwaagen (die Teilzeitpolizistin), August Zirner (die in Rückblenden zum | |
| Leben erweckte Leiche), Jürgen Vogel (den Ehebrecher) und Nicolette Krebitz | |
| (die Betrogene). | |
| Lenz’ zugrunde liegende Erzählung ist keine zehn Seiten lang – das leidige | |
| Problem mit den Kürzungen und Verdichtungen von Literaturvorlagen kann | |
| Autor André Georgi und Regisseur Thomas Berger kein Kopfzerbrechen bereitet | |
| haben. Sie erzählen den 60 Jahre alten Plot nicht eben rasant. Die | |
| Aktualisierung besorgen bei ihnen die Accessoires, namentlich die | |
| Mobiltelefone. Schwer vorstellbar, was der 87-jährige Lenz sich bei den | |
| Implantierungen denken mag. | |
| In „Die Flut ist pünktlich“ überzeugen die Schauspieler. Und die herrlich… | |
| Landschaftsaufnahmen (Kamera: Frank Küpper), über die sich auch die | |
| Nordsee-Tourismus-Service GmbH sehr freuen wird. | |
| 24 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
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