# taz.de -- Die Wahrheit: Robocop in Bombenstimmung | |
> Seit den Schüssen von Dallas wird der Einsatz von Robotern gegen | |
> verdächtige Subjekte in der ganzen Welt mächtig diskutiert. | |
Bei dem Attentat auf Polizisten in Dallas vorige Woche wurde der | |
Todesschütze gezielt mit einem umgerüsteten Roboter in die Luft gesprengt – | |
ein Novum in der amerikanischen Polizeigeschichte, in der bislang immer | |
größter Wert auf traditionelle Handarbeit gelegt wurde. | |
„Ich kann mich nicht erinnern, dass Polizisten so ein Gerät als | |
Liefermechanismus tödlicher Gewalt eingesetzt hätten“, sagte etwa der | |
Juraprofessor Seth Stoughton von der Universität South Carolina, ein | |
ehemaliger Polizist, dem US-Magazin Atlantic. „Dies ist ein neuer Horizont | |
für Polizeitechnologie. Er wirft einige Fragen auf.“ | |
Nämlich beispielsweise folgende: „Dürfen Polizeiroboter töten?“ (Spiegel | |
online), „Dürfen Roboter töten?“ (Der Tagesspiegel) oder „Darf ein | |
Polizei-Roboter Menschen töten?“ (Hannoversche Allgemeine). Schwer zu | |
sagen! | |
## Deeskalation im Dutzend | |
Die Reaktionen in den USA fallen sehr unterschiedlich aus. Viele | |
amerikanische Polizeivertreter reagieren in ersten Stellungnahmen skeptisch | |
auf das Vorgehen ihrer Kollegen in Texas. Zum Beispiel Thomas Jackson. | |
Der ehemalige Polizeichef von Ferguson in Missouri ist gar nicht | |
begeistert: „Ich weiß nicht, wofür man da Roboter braucht. Das ist in | |
meinen Augen viel zu riskant. Man kennt das doch von der Technik zu Hause: | |
Erst fummelt man stundenlang daran herum, und am Ende muss man zu horrenden | |
Gebühren irgendeine Hotline anrufen, wo man mühsam die Seriennummer des | |
Geräts und seinen Lebenslauf über die Tastatur seines Telefons eingeben | |
muss, bevor man endlich mit einem Service-Mitarbeiter spricht, der einem | |
dann rät, einfach mal den Stecker zu ziehen. Und dieser ganze Aufwand wegen | |
einem einzigen Neger! In der Zeit hätten wir mit unseren speziell | |
ausgebildeten antirassistischen Deeskalationskräften längst ein Dutzend von | |
denen zur Strecke gebracht!“ | |
Auch der republikanische Präsidentschaftsanwärter Donald Trump reagiert | |
verhalten: „Generell ist es natürlich zu begrüßen, dem ganzen Pack einfach | |
die Scheiße aus dem Bauch zu sprengen, aber diese Roboter sind doch schon | |
lange keine ehrliche amerikanische Wertarbeit aus einem meiner Unternehmen | |
mehr, sondern von irgendwelchen Chinesen zusammengestöpselte Billigwaren. | |
So weit kommt das noch, dass wir unsere hausgemachten Verbrecher von | |
fremdländischen Schlitzaugen exekutieren lassen. Außerdem hätte man diesen | |
Obama-Lookalike erst mal mit Waterboarding dazu bringen müssen, zu sagen, | |
wer ihm eingeredet hat, dass Schwarze in unserem großartigen Land | |
rassistisch diskriminiert werden. Das ist doch absolut lächerlich! Wir | |
reden hier schließlich nicht über Latinos oder diese schwulen Moslems!“ | |
Ausnahmsweise ist er sich in der Beurteilung weitgehend einig mit seiner | |
demokratischen Mitbewerberin Hillary Clinton: „It’s the economy, stupid!“, | |
sagt sie dem Fernsehsender CNN, „wenn wir da einige unserer Polizisten | |
hingeschickt hätten, wäre der Sachschaden ja noch kalkulierbar gewesen. Die | |
kosten ja nicht so viel. Aber so ein Roboter ist wirklich ganz schön teuer! | |
Stellen Sie sich vor, der wäre bei der Aktion beschädigt worden!“ | |
Doch es gibt nicht nur Kritik. Ingrid Newkirk, die Gründerin der | |
Tierschutzorganisation Peta, begrüßt ganz ausdrücklich das Vorgehen der | |
Texaner: „Ich habe schon vor Jahren einen scharfen Protestbrief an den | |
damaligen PLO-Führer Arafat geschrieben und mich darüber beschwert, dass | |
die Palästinenser im Kampf gegen Israel Eseln Bomben umgebunden haben, um | |
sie dann zwischen irgendwelchen Juden explodieren zu lassen. Das ist doch | |
barbarisch! Dabei kommt der unschuldige Esel zu Schaden! Ich begrüße | |
ausdrücklich den Ansatz der Polizei von Dallas daher sehr und hoffe, dass | |
das Beispiel Schule macht. Wir sammeln schon Spenden, um der Hamas | |
ferngesteuerte Roboter kaufen zu können, damit unnötiges Tierleid zukünftig | |
sicher vermieden wird.“ | |
Auch in Deutschland wird der Einsatz der Robokiller kontrovers diskutiert. | |
So betont der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt: | |
„Aus gewerkschaftlicher Sicht verurteilen wir diese Rationalisierung aufs | |
Schärfste! Erst haben uns die Roboter in der Stahlindustrie unsere | |
Arbeitsplätze weggenommen, und jetzt sollen sie auch noch unsere Polizisten | |
überflüssig machen? Das kann nicht sein! Ehrliche Arbeit darf nicht | |
entmenschlicht werden! Gezielte Tötungen müssen zudem auch gewissen | |
ethischen Standards genügen. Stellen Sie sich vor, sie werden von so einem | |
ausrangierten R2D2 gesprengt, das ist doch würdelos! Bei uns hat jeder das | |
Recht, persönlich von einem leibhaftigen Polizisten erschossen zu werden.“ | |
## Schalldämpfer gegen Lärm | |
Ähnlich sieht es AfD-Opa Alexander Gauland: „Wir dürfen uns die | |
Polizeiarbeit unserer Väter nicht kaputt machen lassen. Gerade wir | |
Deutschen haben eine tief verwurzelte Tradition in Sachen erfolgreicher | |
polizeilicher Exekutionen. Sicherlich, mancher behauptet heute, unsere | |
Polizei habe da in diesem sinnlos dramatisierten Intermezzo nach | |
dreiunddreißig teilweise auch aus antisemitischen Motiven gehandelt, aber | |
da haben wir schon eine Historikerkommission zur Überprüfung eingerichtet. | |
Vor allem sieht man aber jetzt ganz deutlich: Die Leute finden so einen wie | |
Micah Johnson vielleicht als Fußballspieler gut, aber wenn sie ihn als | |
Nachbarn haben, sprengen sie ihn halt doch lieber sofort in die Luft.“ | |
Erwartungsgemäß ganz anders beurteilt das die voraussichtliche grüne | |
Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2017, Katrin Göring-Eckardt: | |
„Natürlich habe ich damals in den neunziger Jahren als Fraktionsführerin | |
geholfen, die Bombardierung Serbiens durch den Bundestag zu sprengen. Aber | |
das ist doch jetzt was ganz anderes! Hier geht es um Einsätze bei uns, | |
mitten im Stadtzentrum. Wissen Sie, wie viel Krach so eine Explosion macht? | |
Das ist doch gegen jede Lärmschutzvorschrift! Wofür hat die Polizei denn | |
schließlich Schalldämpfer an ihren Knarren? Das ist insgesamt einfach die | |
wesentlich umweltschonendere Methode!“ | |
Die Berliner Polizei verfügt sogar bereits über einen ferngesteuerten | |
Roboter, wie eine Sprecherin gegenüber dem Tagesspiegel bestätigte. Er | |
werde bisher vorrangig benutzt, sich „einen Überblick in einem | |
Gefahrengebiet zu verschaffen“. Was für Außenstehende harmlos klingt, lässt | |
Berliner jedoch aufhorchen: „Gefahrengebiet“ ist nämlich die stadtinterne | |
Bezeichnung für linke WGs. | |
## Gefahr im Kohlenkeller | |
Entsprechend interessiert zeigt sich Innensenator und | |
CDU-Bürgermeisterkandidat Frank Henkel: „In der Rigaer Straße sind unsere | |
Kollegen unlängst in einem Kohlenkeller unaussprechlichen Gefahren | |
begegnet, unter anderem mehreren gammeligen Teppichen, alten Fahrrädern und | |
einem Haufen Steine. Da überlegen wir schon, wie wir Polizeiaktionen dieser | |
Art in Zukunft sicherer gestalten können. So ein Sprengroboter wäre | |
natürlich eine feine Sache. Ich habe deshalb vor Jahren den Auftrag | |
gegeben, so ein Ding umzubauen. Ich bin sicher, dass die Eröffnung, | |
Quatsch: Fertigstellung noch 2017 gelingen wird.“ | |
Es bleibt also abzuwarten, wie sich die neue Leidenschaft der Polizei für | |
ferngesteuertes Spielzeug entwickeln wird. Klar ist nur: In dieser Frage | |
steckt noch reichlich Sprengstoff! | |
16 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Heiko Werning | |
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