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# taz.de -- Folgen der Abstimmung für Irland: Erst Brexit, dann Scexit. Und da…
> Mit der Loyalität Nordirlands könnte es rasch vorbei sein. Dann nämlich,
> wenn die Schotten ein Unabhängigkeits-Referendum anstreben.
Bild: Ein Bild aus besseren Zeiten: Brexit-Gegner in der nordirischen Hauptstad…
Berlin taz | Niemand weiß genau, welche Auswirkungen das britische
Brexit-Votum auf Irland haben wird, aber man verfällt vorsichtshalber schon
mal in Panik. Die irische Industrie- und Handelskammer warnte, dass Irlands
Exporte ins Vereinigte Königreich – immerhin 15 Prozent aller Exporte – ins
Bodenlose fallen könnten, da der Sterlingverfall die Waren zu teuer mache.
Aus demselben Grund werden britische Touristen ausbleiben. Die Regierung
befürchtet obendrein, dass der kleine Grenzverkehr zum Erliegen kommen
könnte. Täglich überqueren tausende Menschen die innerirische Grenze auf
dem Weg zur Arbeit, die meisten von Süd nach Nord, weil dort die Löhne
etwas höher sind.
Von den zu erwartenden positiven Auswirkungen ist selten die Rede. Importe
aus Großbritannien werden billiger, für ausländische Unternehmen wird
Irland attraktiver als beispielsweise Schottland, britische Banken und
Versicherungen werden sich in Irland ansiedeln, um einen Fuß in der EU zu
behalten. Nachdem im Frühjahr das Datum für das Referendum verkündet wurde,
haben sich bereits Hunderte britischer Rechtsanwälte und Notare in Irland
registriert, um nicht vom EU-Markt abgeschnitten zu sein. Und demnächst
können die Iren aus der Republik in den Norden fahren und Super-Staubsauger
kaufen, denn die von der EU auferlegte Höchstgrenze zum Schutz der Umwelt
gilt dann dort nicht mehr.
Die Nordiren haben mit einer deutlichen Mehrheit von 55,77 Prozent für den
Verbleib in der EU gestimmt, was ihnen aber nichts genutzt hat. Viele haben
Angst vor einer erneuten hermetischen Grenzabriegelung, die allerdings
selbst in den schlimmsten Zeiten des politischen Konflikts nie hermetisch
war. Die kleinen Landstraßen, auf denen man vier, fünf Mal die Grenze
überquert, sind gar nicht abzusichern. So könnte das Referendums-Ergebnis
einen unerwünschten Nebeneffekt für die stärkste Partei, die Democratic
Unionist Party (DUP), haben. Ian Paisley, der Sohn des gleichnamigen
bigotten Pfaffen und Parteigründers, freute sich, dass die Partei nun mehr
Einfluss im Unterhaus haben werde.
Aber es könnte schwieriger werden, dort hinzukommen. Der britische
Noch-Premier David Cameron hatte im Vorfeld des Volksentscheids angedeutet,
dass man mangels Kontrollmöglichkeit der inneririschen Grenze die
Kontrollen in die britischen Häfen Stranraer, Liverpool, Holyhead und
Fishguard verlegen werde, wo die Schiffe aus Irland anlegen. Damit würden
Nord- und Südiren bei der Einreise nach Großbritannien gleichermaßen als
Ausländer behandelt. Sinn Féins Vizechef und stellvertretender nordirischer
Premierminister Martin McGuinness forderte deshalb einen Volksentscheid
über die irische Vereinigung, was die Premierministerin Arlene Foster von
der DUP selbstverständlich ablehnte.
## Nur eine Frage der Zeit
Aber man muss ja gar nicht darüber abstimmen, wenn die Vereinigung
schrittweise vollzogen wird. In vielen Bereichen wie Wasserwirtschaft,
Tourismus und teilweise auch Sport gibt es bereits gesamtirische
Institutionen, und wenn die königstreuen nordirischen Untertanen von ihrer
eigenen Regierung als Fremde behandelt werden, wird es vielleicht auch
irgendwann mit ihrer Loyalität vorbei sein.
Das könnte schneller passieren, als man denkt – wenn sich nämlich die
Schotten, mit denen sich Nordirlands Loyalisten eng verbunden fühlen, aus
dem Vereinigten Königreich verabschieden. Ein zweites
Unabhängigkeits-Referendum ist lediglich eine Frage der Zeit. Die
schottische Premierministerin Nicola Sturgeon hat am Freitagmorgen bereits
angekündigt, so bald wie möglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der
einen solchen Volksentscheid erlaubt. „Wir werden gegen unseren Willen aus
der EU gezerrt“, sagte sie. „Das ist demokratisch inakzeptabel.“ 62 Proze…
der Schotten haben für einen Verbleib in der EU gestimmt. Wenn in Umfragen
ebenfalls rund 60 Prozent für die Unabhängigkeit sind, wird Sturgeon nicht
länger zögern, vorausgesetzt, das Unterhaus stimmt zu. Dann stünde dem
Scexit nichts mehr im Weg.
25 Jun 2016
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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Wirtschaft
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