# taz.de -- Ökonomische Folgen des Brexit-Votums: Kurzer Schock, lange Erholung | |
> Auch wenn die Reaktion der Börsen heftig ist, wird sich die Lage wieder | |
> normalisieren. Letztlich wird Großbritannien die größte Last des | |
> Austritts tragen. | |
Bild: Der Kommentar der Finanzmärkte ist recht eindeutig | |
Berlin taz | Der Brexit ist ein Schock für die Wirtschaft, aber Panik sähe | |
anders aus: Das Pfund gab zwar gegenüber dem Dollar zunächst um 12 Prozent | |
nach. Doch wenig später erholte sich der Pfundkurs wieder – und liegt | |
aktuell nur noch bei einem Minus von etwa 9 Prozent im Vergleich zu | |
gestern. Derartige Tagesverluste sind keineswegs ungewöhnlich. | |
Auch die Aktienmärkte beruhigten sich schnell wieder. Der deutsche | |
Aktienindex DAX öffnete am Morgen zwar mit einem Minus von fast 10 Prozent, | |
doch schon mit Handelsbeginn ging es wieder aufwärts. | |
Das Kalkül der Börsianer ist simpel: Die Briten verlassen zwar die EU, | |
nicht aber den Wirtschaftsraum Europa. Die Briten können ihre Waren ja | |
nicht ins Weltall exportieren – sie sind darauf angewiesen, mit ihren | |
Nachbarn Handel zu treiben. Die EU ist und bleibt der größte | |
Wirtschaftspartner der Briten: etwa die Hälfte ihrer Im- und Exporte wird | |
mit Europa abgewickelt. | |
Die Brexit-Fans glaubten stets, Europa würde Großbritannien ausnützen. Doch | |
tatsächlich war es bisher anders herum: Die City of London hat bestens | |
davon gelebt, die Kapitalströme in Europa zu lenken und Fluchtgelder in die | |
Steueroasen zu schleusen. Würden die Briten den europäischen | |
Wirtschaftsraum tatsächlich verlassen, wären viele Banker in London | |
arbeitslos. | |
## Keine Manövriermasse | |
Zudem haben die Briten ein Sonderproblem: Ihr Landesteil Nordirland ist | |
ökonomisch sehr eng mit der Republik Irland verbunden, die aber weiterhin | |
EU-Mitglied ist. Auch die Schotten würden gern bei der EU bleiben. Wenn die | |
Briten ihr Inselreich ökonomisch zusammenhalten wollen, haben sie also gar | |
keine Manövriermasse, sondern sind gezwungen, die EU-Regeln unverändert zu | |
übernehmen. | |
Ein Vorbild gibt es schon: Norwegen. Das Land ist kein EU-Mitglied, sondern | |
gehört dem „Europäischen Wirtschaftsraum“ an, um einen „vertieften“ | |
Freihandel mit Europa zu genießen. Das mag attraktiv klingen, ist es aber | |
nicht: Damit der Binnenhandel funktioniert, müssen die Norweger fast alle | |
EU-Gesetze übernehmen – ohne dass sie ein Mitspracherecht in Brüssel | |
hätten. Zudem ist der Deal auch noch teuer: Die Norweger müssen jährlich | |
388 Millionen Euro an die EU zahlen. Pro Kopf überweisen sie damit genauso | |
viel nach Brüssel wie bisher die Briten, obwohl sie offiziell unabhängig | |
sind. | |
Da die Briten ökonomisch an Europa gekettet sind, interessiert | |
Geschäftsleute vor allem, wie lange die offiziellen Verhandlungen dauern, | |
bis der Brexit formal abgewickelt ist. Denn Ungewissheit kostet immer Geld, | |
weil Investitionen aufgeschoben werden. Der deutsche Bankenverband mahnte | |
bereits, „die Phase der Unsicherheit für die Wirtschaft so kurz wie möglich | |
zu halten“. | |
Die Ereignisse der Nacht und Reaktionen des Tages zum Nachlesen in unserem | |
musikalischen Liveticker: [1][taz.de/brexit] | |
24 Jun 2016 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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