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# taz.de -- Pro und Contra Brexit: Isolation oder Befreiung?
> Ob Großbritannien in der EU bleibt oder nicht, entscheidet sich am
> Donnerstag. Argumente gibt es auch in der taz für beide Seiten.
Bild: Insellage: London als Finanzzentrum blickt bei einem Brexit auf eine unge…
Pro: Etwas Besseres als den Tod finden wir überall
Liebe Briten, traut Euch. Stimmt für den Brexit – nicht wegen der
rechtspopulistischen Thesen von ausländerfeindlichen Organisationen wie der
United Kingdom Independence Party (Ukip), sondern weil die Europäische
Union sämtliche Ideale, die sie ursprünglich hatte, verraten hat. Es ist
eine neoliberale Organisation geworden, die sich dem Schutz der
multinationalen Unternehmen verschrieben hat und dafür Grundrechte opfert.
Die zynische Austeritätspolitik, die Menschen in die Obdachlosigkeit
treibt, ist laut EU-Politik ein „Kollateralschaden“ im Interesse der
Marktwirtschaft.
Eine solche Organisation, die sich lediglich um die Interessen der Elite
kümmert, gehört zerschlagen. Der Brexit wäre der erste Schritt, andere
Länder folgen dann hoffentlich. Es ist an den Linken, eine Alternative
anzubieten, die den ursprünglichen europäischen Geist der Solidarität
wiederbelebt.
Dieser Geist ist im Interesse der Marktwirtschaft geopfert worden. Was ist
die EU für die meisten Menschen? Reisen zu können, ohne den Pass vorzeigen
zu müssen. Das ist ein Luxus. Will man mit diesem Privileg für diejenigen,
die sich Reisen leisten können, den Krieg gegen die unteren Schichten, den
die EU fährt, aufrechnen?
Es ist es ekelhaft, sich im selben Lager wie solche Kotzbrocken wie Nigel
Farage von Ukip zu befinden. Aber ist das ein Grund, für eine Organisation
zu stimmen, die demokratische Bewegungen wie in Griechenland zerschlägt und
es gleichzeitig hinnimmt, dass sich xenophobe Regierungen in Ungarn und
Polen der gemeinsamen EU-Politik in der Flüchtlingsfrage entziehen können,
ohne Sanktionen befürchten zu müssen? Will man sich wirklich mit Orbán und
der polnischen Pis-Partei in der EU verbünden?
Die Bremer Stadtmusikanten haben es vorgemacht: „Etwas besseres als den Tod
finden wir überall.“ Etwas besseres als die EU gilt es aufzubauen, wenn
dieser anti-demokratische Eliteclub zerschlagen ist. Macht den Anfang,
Briten! Ralf Sotscheck
Contra: Das Leben ist kein Börsenkurs
Der Kitsch, der im Zusammenhang mit einem möglichen EU-Austritt
Großbritanniens in den letzten Tagen aus deutschen Medien tropfte, war
schwer erträglich. Und verlogen. Zumal zugleich der Eindruck entstand, es
gehe vor allem um Wirtschaftspolitik.
Dieser Eindruck ist falsch. Es geht um sehr viel mehr. Wenn sich fast alle
einig sind, dann ist Misstrauen immer angebracht. Im Hinblick auf den so
genannten „Brexit“ sind sich hier beunruhigend viele Leute einig: Sie
lehnen ihn ab. Überwiegend deshalb, weil sie wirtschaftliche Nachteile
befürchten.
Die Rede ist von Exportverlusten, von Turbulenzen an den Börsen, von
Währungsschwankungen. Wovon nie die Rede ist: vom Abbau von
Arbeitnehmerrechten. Dabei sollte auch darüber gesprochen werden.
Diesen Abbau hat nämlich der britische Premier für den Fall ausgehandelt,
dass Großbritannien in der EU bleibt. Was bedeutet: Die Europäische Union
würde einen großen Schritt weiter gehen auf dem Weg, der wegführt vom
Sozialstaat – wenn die Briten denn doch in der EU blieben.
Warum wäre es trotzdem falsch, sogar tragisch, wenn Großbritannien das
Staatenbündnis verließe? Weil Lebensqualität nicht allein vom Börsenkurs
abhängt. Und nicht einmal von der Sozialgesetzgebung.
Freizügigkeit und Frieden sind unschätzbar hohe Güter, übrigens für alle
Menschen. Unabhängig vom Bildungsgrad oder vom individuellen Wohlstand.
Schon wahr: Die Mitgliedschaft in einem transnationalen Bündnis wie der EU
ist dafür keine zwingende Voraussetzung. Aber sie hilft. Vor allem in
schwierigen Zeiten, in denen Kompromisse mühsam zu finden sind.
Wenn ein Stein herausbricht, bröckelt eine Mauer. Sollte Großbritannien die
EU verlassen, dann wackelt die ganze Union. Hat sich erst einmal gezeigt,
dass bei Bedarf jeder gehen kann, dann ist dies das Ende des Versuchs,
unumkehrbare Bedingungen für Frieden zu schaffen. Um das zu verhindern wäre
– fast – kein Preis zu hoch. Bettina Gaus
Durch die Brexit-Nacht führt am Donnerstag unser musikalischer Liveticker
unter [1][taz.de/brexit].
22 Jun 2016
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[1] /brexit
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
Bettina Gaus
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