# taz.de -- Irland und der Brexit: Die Iren sollen das Königreich retten | |
> 300.000 Bewohner der Grünen Insel dürfen beim EU-Referendum abstimmen. | |
> Dazu kommen 60.000 irische Migranten in Großbritannien. | |
Bild: Grüne Grenze: Nach dem Brexit zwischen Nordirland und Irland die neue EU… | |
DUBLIN taz | In Irlands Regierungskreisen geht die Angst um. | |
Premierminister Enda Kenny von der rechtskonservativen Fine Gael ist Mitte | |
der Woche nach Großbritannien gereist, um die irische Diaspora von einem | |
Nein zum Brexit zu überzeugen. Irische Immigranten dürfen mitwählen, wenn | |
sie 15 Jahre lang in Großbritannien gelebt haben. Das trifft auf rund | |
60.000 Menschen zu. Umgekehrt haben auch knapp 300.000 Einwohner Irlands, | |
die in Großbritannien geboren sind, eine Stimme. | |
Das Handelsvolumen zwischen Irland und Großbritannien beträgt 1,2 | |
Milliarden Euro pro Woche. In seiner Rede in Liverpool sagte Kenny, dass | |
niemand wisse, welche wirtschaftlichen Auswirkungen ein Brexit für Irland | |
haben würde, aber es würde jedenfalls nicht mehr so sein wie zuvor. | |
Er befürchtet, dass der Kurs des Pfundes nach einem britischen Austritt | |
langfristig fallen könnte, was Folgen für die irische Exportwirtschaft | |
hätte, da sie gegenüber der britischen Konkurrenz nicht mehr | |
wettbewerbsfähig wäre. | |
Die offensichtlichste Veränderung wäre eine EU-Außengrenze mitten in | |
Irland. Die Frage der inneririschen Grenze ist in Großbritannien bisher | |
kaum debattiert worden, dabei ist sie äußerst komplex. Aufgrund der | |
Regelung der Common Travel Area, die seit der irischen Teilunabhängigkeit | |
1922 besteht, kann man von Dublin nach Belfast und weiter nach London, | |
Jersey oder auf die Isle of Man reisen, ohne seinen Pass vorzeigen zu | |
müssen. | |
„Dieses System hat sehr gut für beide Länder funktioniert, sowohl außerhalb | |
der EU als auch innerhalb“, sagte Kenny. „Es ist aber noch nicht getestet | |
worden, wenn ein Land in der Europäischen Union und das andere außerhalb | |
ist.“ | |
Beide Länder sind 1973 gemeinsam in die EWG, die Vorgängerin der EU, | |
eingetreten. Bei einem Brexit könnte Irland zur Hintertür für | |
Großbritannien werden. Migranten könnten legal über Dublin und dann illegal | |
über Belfast nach London reisen, denn die innerirische Grenze ist nicht zu | |
überwachen. Das hat sich schon während des politischen Konflikts erwiesen, | |
der erst 1998 durch das Belfaster Abkommen halbwegs beigelegt wurde. Manche | |
der kleinen Straßen kreuzen die Grenze viermal auf einer Strecke von zehn | |
Kilometern. | |
## Neue Kontrollpunkte | |
Rund 30.000 Menschen überqueren die Grenze jeden Tag auf dem Weg zur | |
Arbeit, die meisten von Süd nach Nord, weil dort die Löhne etwas höher | |
sind. Was mit diesen „Grenzgängern“ bei einem Austritt des Vereinigten | |
Königreichs aus der EU geschähe, ist unklar. Wahrscheinlich, so hat der | |
britische Premierminister David Cameron angedeutet, würde seine Regierung | |
nicht die innerirische Grenze sichern, sondern Kontrollpunkte in den Häfen | |
Stranraer, Liverpool, Holyhead und Fishguard errichten, wo die Fähren aus | |
Irland anlegen. | |
Wenn Nord- und Südiren bei der Einreise nach Großbritannien gleichermaßen | |
kontrolliert würden, wäre das ein Schritt in Richtung eines vereinigten | |
Irlands, was bei Nordirlands Unionisten nicht sonderlich gut ankommen | |
dürfte. Für Schmuggler würden jedoch herrliche Zeiten anbrechen. | |
Duty-free-Shops nördlich der Grenze, auf die so mancher in der Republik | |
Irland mit ihrer exorbitanten Alkoholsteuer spekuliert, würde es aber nicht | |
geben, sagte Kenny. | |
Ein Referendum über Irlands Verbleib in der EU lehnte Kenny kategorisch ab. | |
„Irlands Mitgliedschaft in der EU hat das Land verwandelt“, sagte er. Im | |
Falle eines Brexit werde die Regierung eine Offensive starten, um | |
ausländische Investoren davon zu überzeugen, dass die Iren vorbildliche | |
Europäer seien. | |
21 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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