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# taz.de -- Vor dem Brexit-Referendum: Die Fischer in Portsmouth wollen raus
> Die Fischfang-Quoten sind der Grund für die Ablehnung der EU im Hafen von
> Portsmouth. In der Stadt selbst herrscht eine ganz andere Stimmung.
Bild: Fischer Bobby Whitman mit erhobener Faust auf seinem Kutter im Hafen von …
Portsmouth taz | „Ich hab nicht viel Zeit“, gesteht Dave Baldachino, 54
während er, sein Sohn Oliver und der Rest der Mannschaft Kisten mit Fisch
aus dem Inneren des Kutters ausladen. Baldachino ist einer der
Bootsbesitzer, die im alten Hafen von Portsmouth im Südwesten Englands vor
Anker liegen. „EU?“, fragt Baldachino und antwortet mit klarem „Out“, t…
seiner italienischen Abstammung, wie er sagt. Die EU Quote koste ihn die
Hälfte seines Fangpotentials. Er schimpft über französische Kutter und
Subventionen, die er noch nie erhalten habe.
Eric McLead, 73, Besitzer der Firma Viviers, der gerade Baldachinos Fang in
Empfang nimmt, ist gleicher Meinung. Er sitzt in seinem kleinen Büro vor
der ungelesenen Boulevardzeitung Sun und erzählt, wie die EU Auflagen zu
einen beständigen Verlust von etwa 15 Prozent seiner Einnahmen führten.
“Weil die Fischer oft Fänge nicht nach Hause bringen dürfen, muss ich oft
sogar Fisch in Frankreich kaufen. Wie bescheuert ist das denn?“, fragt er
und fordert Zustimmung ein. So schlimm wie jetzt sei es noch nie gewesen.
In der Bridge Taverne auf der anderen Seite des Hafenbeckens sitzen Sam
Moore, 25, ein Fischer der dritten Generation, wie er stolz sagt, und Bobby
Withman, 30, je mit einem Pint Bier in der Sonne. Auch diese beiden Fischer
haben eine klare Meinung. “Wir wollen alle raus, alle, die fischen. Was
beim Fische fangen abgeht, können sich die Leute nicht vorstellen“, sagt
Moore ernst. “Die Franzosen fahren oft absichtlich mit großen Schiffen
durch unsere Fangnetze, und wenn wir sie vorher anfunken und warnen, dann
sagen sie einfach, 'I don’t speak English`, als ob ich das glaube.“
## Die Hälfte der Fischer haben aufgegeben
Moore und Withman erzählen von Eiern und Kartoffelschlachten und ständigen
Wortgefechten zwischen ihnen und Franzosen auf hoher See. „Wenn ich nicht
wüsste, dass ich dafür in den Knast landen würde, würde ich ihre Boote
rammen“, sagt Withman voller Wut. Und dann müssten sie auch noch regelmäßig
ganze Kisten ihres Fanges wieder über Bord schmeißen, neulich sogar ganze
500 Kilo, weil die EU Quote soviel nicht erlaube. “Wie kann so etwas
richtig sein, ich meine, wenn die Fische eh schon tot sind“, fragt Moore.
Das einzig gute ihrer Meinung seien Arbeitskräfte aus der EU, die meisten
arbeiteten hart, geben sie zu.
Auch im Tipner Fischereiklub in einer anderen Bucht am nördlichen Ende von
Portsmouth erfährt man die gleichen Geschichten. Dean Ryan, 32, steht am
Tor des Klubs mit seinem Sohn Dino und erzählt von französischen Kuttern,
die auf der englischen Seite fischen, ohne dass die britische Polizei
eingreife. “Wenn ich das gleiche auf deren Seite machen würde, würden sie
mich festnehmen. In den 23 Jahren, in denen ich zur See hinaus fahre, haben
wir die Hälfte unserer Betriebe verloren“, sagt Dean Ryan. Trotzdem nimmt
er seinen Sohn bei Ausfahrten mit und hofft, dass der Fischfang auch für
ihn noch eine Zukunft hat.
In Portsmouths Stadtzentrum ist wenig über die Sorgen der Fischer der Stadt
bekannt. Die Meinungen sind hier eher proeuropäisch. Jene, die für die EU
argumentieren, sprechen über Geschäfte und faule Engländern, die nicht hart
arbeiten wollen und alles auf die Einwanderer schieben. Jene, die raus
wollen, glauben, das zu viele Einwanderer Schulen, Sozial- und
Gesundheitssysteme überfordern. Bei Sohn und Mutter, Simon Cairins, 37, und
Lynn Cairins, 64, ist die Haltung zum Brexit Generationssache. Er ist für
den Verbleib, sie nicht so sehr.
## Gleiches Recht für alle Einwanderer
In einem Straßencafe findet Paul Rymond, 54, der seit einem Unfall im
Rollstuhl sitzt, dass Großbritannien nicht nur in der EU bleiben müsse,
sondern sich sogar noch von Europa die eine oder andere Scheibe abschneiden
könnte. Das Gesundheitssystem sei in vielen europäischen Ländern besser als
das britische System, glaubt er. Und wenn bedeutende internationale
Organisationen erklärten, dass es besser sei, wenn Großbritannien in der EU
bleibe, dann sei das doch eine wichtige unabhängige Meinung, so sein
Argument.
Arthur Moses, 64, Brite somalischer Abstammung, ist sich noch nicht ganz
sicher, wie er abstimmen wird. Einwanderung müsse auf alle Fälle gerechter
sein und nicht die EU-Bürger bevorzugen, meint er. “Alle Menschen auf der
Welt sollten beim Einwanderungsrecht gleich sein“, sagt er. Wenn er sich
das genau überlege, dann sei dies ein Grund für den Brexit. Er ist selbst
überrascht, weil er damit im gleichen Lager stehe wie viele Brexiter, die
kategorisch gegen Einwanderer sind.
22 Jun 2016
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
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