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# taz.de -- Großbritannien vor dem EU-Referendum: Egal, egaler, Bristol
> In der Hafenstadt Bristol gehen die Meinungen zum Brexit hin und her –
> einige sind dagegen, viele haben die britische Politik längst
> abgeschrieben.
Bild: Brexit oder kein Brexit, das ist vielen in Bristol einfach wurscht
BRISTOL taz | Die südwestenglische Stadt Bristol am Fluss Avon und der
Mündung des Severn ist eine widerspenstige Stadt mit eigenem bristolischen
Pfund. Viele Künstler leben hier, weil es billiger ist als in London. Mit
442.500 Seelen ist Bristol die achtgrößte Kommune des Landes.
Auf einem Dach hängen zwei Frauen im St.-Pauls-Bezirk Wäsche auf. Kirsty
und ihre Freundin sind beide Kellnerinnen. „Europareferendum? Das ist mir
egal!“, sagt sie. Politik sei nicht ihr Ding. „Ich mache lieber mein Yoga
und vergesse all das!“ Saint Pauls, nahe am Stadtzentrum, ist das einstige
Armenviertel, in dem inzwischen auch ein paar Hipster neben
Drogenabhängigen Kaffee schlürfen.
Viele Bewohner gehören der afrikanisch-karibischen Community an, wie der
IT-Experte Washington, 53, Bauarbeiter Martin, 50, und Michael, 52, der
Einzige mit langen Dreadlocks und ohne Arbeit in der laut diskutierenden
Männergruppe an einer Straßenecke. „Politiker sind ein lügender Gentleman
Club“, behauptet Martin. Washington und Michael stimmen zu. Die seien alle
korrupt. Deswegen hat keiner vor, beim Referendum abzustimmen.
Auch der Engländer Trevor, 51, ein Putzmann, ist der gleichen Meinung. „Ich
habe in meinen Leben noch nie gewählt, interessiert mich nicht“, versichert
er. Bei Lokal- und Nationalwahlen gehen bis zu 70 Prozent zur Wahlurne,
doch bei den Bürgermeisterwahlen 2012 waren es nur 28 Prozent.
## „Gut, Teil einer Gemeinschaft zu sein“
Die 23-jährige Kosmetikassistentin Jenny, mit rot gefärbten Haaren, glaubt,
dass die EU viel Gutes tut, so könne sie ja überall in Europa studieren.
Europa helfe auch in Konflikten, meint sie. Großbritannien stehe dann nicht
alleine gegen Russland. Die Sache mit den Immigranten gebe es nur, weil
osteuropäische Immigranten härter arbeiteten als die Einheimischen, glaubt
sie.
Ihr Freund Theodor, 20, mit Wollmütze auf dem Kopf und großem Kopfhörer am
Hals, hat bei den letzten Wahlen seine Stimme ungültig gemacht. Als
Künstler und Boheme, wie er sich bezeichnet, hält er nicht viel von der
Politik. „Mit diesem Akt wissen alle, dass ich dem System nicht zustimme.“
Trotzdem wird er beim Referendum seine Stimme abgeben. „Dies sind
turbulente Zeiten mit schrecklichen Dingen. Da ist es gut, Teil einer
Gemeinschaft zu sein“, findet auch er.
Die Ärztin Caroline Annesley, 57, sieht das ähnlich. „Ich will nicht in
Little Britain vergessen werden, sondern eher Teil eines Großen sein“, sagt
Annesley. Im Stadtzentrum gibt sich der Schneider Zia Qurbani, 50, blauer
maßgeschneiderter Anzug, als Proeuropäer zu erkennen. „Ich arbeite viel mit
Italien und ein Brexit ist wirtschaftlich und für den Arbeitsmarkt zu
risikoreich“, findet er. Drogenberater Bob, 37, ist dagegen für den Brexit,
nennt aber als Grund eher Neugierde. „Wir sollten es einfach mal mit der
Unabhängigkeit versuchen“, findet er, auch wenn er politisch eher zu Labour
neigt.
Patrick Rigg, ein 68-jähriger ehemaliger Beamter, der im Dorf Pill an der
Avon lebt, hat hier schon mehr Argumente. Er glaubt, dass alle, die für
Europa sind, falsch liegen. „Ich habe schon 1975 dagegen gestimmt“,
verkündet er voller Stolz. „Mit der EU verliert Großbritannien zu viel
Autonomie, besonders gegenüber Deutschland.“ Auch die Rechtsanwältin Jane,
60, auf den Weg vom Gericht, hatte im Referendum vor 41 Jahren gewählt.
„Schon allein wegen der Menschenrechte bin ich für unseren Verbleib.“
Reichtum muss geteilt werden und Immigration human bleiben, findet sie.
14 Jun 2016
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
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Schwerpunkt Brexit
EU-Referendum
Großbritannien
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