# taz.de -- Streit um Wahlen im Kongo: Auf dem Weg zum Verfassungsbruch | |
> Die UNO warnt vor Gewalt, die USA bestrafen den Polizeichef, Fischer | |
> finden Leichen im Fluss: Die Spannung im Kongo steigt. | |
Bild: Zum Nationalfeiertag eine Folkloreprozession unter dem Präsidentenfoto: … | |
Berlin/Brüssel taz | Sechs entstellte Leichen am Flussufer in einer | |
Oppositionshochburg von Kongos Hauptstadt Kinshasa – dieser Fund durch | |
Fischer, den das UN-Menschenrechtsbüro in der Demokratischen Republik Kongo | |
am Montag vom Ndjili-Fluss im Stadtteil Limete meldete, sorgt für neue | |
Angst in einem Klima der Anspannung. | |
Erst vor einer Woche hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in einem Bericht | |
an den UN-Sicherheitsrat gewarnt, die knapp 20.000 Mann starke | |
Blauhelmmission im Kongo bereite sich auf „verbreitete Gewalt im Kontext | |
der Wahlen“ vor. Kongos Regierung kündigte derweil eine Neuauflage einer | |
umstrittenen Polizeioperation gegen mutmaßliche Verbrechergangs in der | |
10-Millionen-Einwohner-Stadt Kinshasa an – die letzte solche Operation im | |
Jahr 2014 führte nach Angaben des UN-Menschenrechtsbüros zu Dutzenden | |
Fällen von Verschwindenlassen und summarischen Hinrichtungen. | |
Damals hatte aufgrund dieser Kritik der Leiter des UN-Menschenrechtsbüros | |
das Land verlassen müssen. Heute wähnt sich Kongos Regierung erneut als | |
Opfer internationaler Verschwörungen. In seiner Rede zum Unabhängigkeitstag | |
am 30. Juni sprach Präsident Joseph Kabila von „deplatzierten und | |
ungesetzlichen ausländischen Einmischungen in die Innenpolitik unseres | |
Landes“. | |
Hintergrund dieser Spannungen ist die Sorge, ob die im November 2016 | |
fälligen Wahlen stattfinden und Präsident Kabila gemäß der Verfassung am | |
19. Dezember 2016 seine zweite fünfjährige Amtszeit als gewähltes | |
Staatsoberhaupt beendet und die Macht an einen gewählten Nachfolger | |
übergibt. Kaum jemand glaubt das noch. | |
## Aktualisierung des Wahlregisters dauert ewig lange | |
Im Februar hatte die Wahlkommission angekündigt, sie benötige 16 Monate, um | |
das Wahlregister des Landes mit über 75 Millionen Einwohnern auf den | |
aktuellen Stand zu bringen. Eine UN-Evaluierung kam im Mai zum Schluss, | |
eine komplette Überholung des Wahlregisters würde zehneinhalb Monate | |
dauern, eine Teilüberholung achteinhalb – und danach würden noch einmal | |
dreieinhalb Monate bis zum Wahltermin vergehen. | |
Eine Teilüberholung des Registers würde die Registrierung von 8 Millionen | |
Erstwählern, die bei den letzten Wahlen 2011 noch nicht volljährig waren, | |
sowie der rund 4,5 Millionen Auslandskongolesen bedeuten. Eine | |
weitergehende Operation würde schätzungsweise 1,6 Millionen Verstorbene und | |
300.000 Doppelwähler aus den Listen streichen und nicht nur Erstwähler neu | |
aufnehmen, sondern auch ehemalige Häftlinge, demobilisierte Soldaten und | |
zurückgekehrte Binnenvertriebene. | |
Hätte das Parlament dafür im Juni per Revision des Wahlgesetzes die | |
gesetzliche Grundlage geschaffen, erläutert ein ehemaliger Angehöriger der | |
Wahlkommission gegenüber der taz, dann wäre es vielleicht noch möglich | |
gewesen, den Wahltermin November zu halten. Aber mangels dessen kann die | |
Wahlkommission gar nicht mehr bis spätestens September die Wahlen für | |
November offiziell ausrufen. | |
Sie hat erst in diesem Monat überhaupt mit dem Auswahlverfahren für | |
zusätzliche Mitarbeiter begonnen. Laut Regierung soll eine Revision des | |
Wahlregisters noch im Juli starten, aber wie lange sie dauert, ist offen. | |
## UN-Sicherheitsrat will fristgerechte Wahlen | |
Der ausländische Druck, die Wahlen nicht zu verzögern, ist groß. Der | |
UN-Sicherheitsrat bekräftigte am 30. März in der Resolution 2277 zur | |
Verlängerung des UN-Blauhelmmandats für Kongo das Festhalten am Wahltermin | |
November. | |
Kongos Regierung versucht nun, eine Wahlverzögerung durch „Dialog“ mit der | |
Opposition durchzusetzen. Die Afrikanische Union hat einen Vermittler für | |
diesen Dialog benannt, aber betont, seine Arbeit bewege sich im Rahmen der | |
UN-Resolution 2277. Und außer der einst größten Oppositionspartei UDPS | |
(Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) unter Etienne Tshisekedi – | |
die auf eine von ihr selbst geführte Übergangsregierung spekuliert – lehnt | |
Kongos Opposition den Dialog ab. | |
Das Parteienbündnis G7 um den exilierten ehemaligen | |
Katanga-Provinzgouverneur Moise Katumbi pocht auf Einhaltung der Verfassung | |
und termingerechte Wahlen. | |
Auf mögliche Proteste in diesem Sinne würden die Sicherheitskräfte | |
voraussichtlich mit brutaler Gewalt reagieren. In Vorbereitung darauf | |
überholt nicht nur die UN-Mission ihre Planspiele. Die USA verhängten am | |
22. Juni Sanktionen gegen Kongos Polizeichef General Célestin Kanyama. | |
Grund: Er sei verantwortlich für ein „Klima der Angst“. Wie eben am | |
Ndjili-Fluss in Kinshasa. | |
6 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
François Misser | |
Dominic Johnson | |
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