# taz.de -- Jan van Aken über karrieregeile Politiker: „Irgendwas läuft ric… | |
> Der Hamburger Abgeordnete Jan van Aken will nicht wieder für den | |
> Bundestag kandidieren. Da säßen zu viele, die für nichts brennen. | |
Bild: Hat ein Problem mit ehrgeizigen Politikerkarrieren: Jan van Aken. | |
taz: Herr van Aken, warum hören Sie nach acht Jahren auf im Bundestag? | |
Jan van Aken: Gründe dafür gibt es viele. Ich finde, irgendwas läuft | |
richtig schief im Bundestag. Da sitzen viele Leute, bei denen ich mich | |
frage, was machen die da. Durch eine Begrenzung auf acht Jahre könnte man | |
die Arbeit im Bundestag vielleicht verbessern. | |
Aber verbessert es die Qualität, wenn gerade die Leute gehen, die sehen, | |
dass da was schief läuft? | |
Dass der Bundestag über weite Strecken so zahnlos ist, hängt auch damit | |
zusammen, dass er für viele ein Karriereziel ist. Die wollen den Job nicht | |
verlieren. Mit einer Beschränkung würde man verhindern, dass der Bundestag | |
ein Karriereziel wird. Da sitzen so viele, die wollen nichts, die brennen | |
für nichts. Egal bei welcher Partei. Für viele geht es nur noch darum, ihre | |
Arbeit nicht zu verlieren. | |
Dann ist es ja besonders fatal, wenn nur die Langweiler bleiben … | |
Die Hamburger Linke ist doch ein gutes Beispiel: Der renommierte | |
Völkerrechtler Norman Paech hat einen guten Job gemacht und nach vier | |
Jahren aufgehört. Dann kommt Jan van Aken, der bleibt acht Jahre – und wenn | |
ich gehe, kommt ja auch wieder jemand Neues. Eigentlich vervielfältigen | |
sich so doch die Guten. | |
Trotzdem geht Expertise verloren. | |
Entweder gibt es jemanden im Bundestag, der das genauso weitermacht, die | |
oder den kann ich anleiten. Oder jemand macht anders weiter. Ich bin ja | |
nicht weg, ich bin dann nur woanders. | |
Dieses Dasein muss irgendwie finanziert werden. | |
Ich könnte mir gut vorstellen, für eine NGO im ähnlichen Bereich zu | |
arbeiten, gerne auch Waffenexport-Kampagnen in Deutschland. Da zeichnet | |
sich aber noch nichts ab. | |
Hat Sie der Bundestag verändert? | |
Ja, auch wenn ich mich dagegen gewehrt habe. Ich merke das an | |
Kleinigkeiten: Dass ich jetzt zum Beispiel viel häufiger den Fahrdienst in | |
Berlin nutze als noch vor sieben Jahren. Anfangs habe ich das ganz selten | |
gemacht. Bei Regen bin ich jetzt manchmal einfach zu faul, mich aufs Rad zu | |
setzen oder U-Bahn zu fahren. Außerdem rede ich länger. Dabei bin ich als | |
Naturwissenschaftler eigentlich ein Freund der kurzen Rede. | |
Wie löst man das Problem, dass eine Partei Leute mit einer gewissen | |
Bekanntheit braucht? | |
Das ist schwierig. Es fragen mich auch Leute, ob ich will, dass Gregor Gysi | |
nach zwei Legislaturen geht. Ich finde, da muss man konsequent sein. Aber | |
es gibt ja die Möglichkeit, acht Jahre im Bundestag zu sein, dann auch mal | |
acht Jahre Parteivorsitzender und dann Wirtschaftsminister in Berlin. So | |
würde er als prominentes Gesicht für die Partei erhalten bleiben. | |
Macht das einen Unterschied? | |
Ja, Bundestag ist eine ganz heiß gedrehte Öffentlichkeit, während sie als | |
Parteivorsitzender viel grundsätzlicher und strategischer arbeiten. Ich war | |
ja auch mal stellvertretender Parteivorsitzender und ich war zwei Jahre | |
stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Das ist ein Unterschied wie Tag | |
und Nacht. | |
Nur von der Arbeit her oder auch gemessen am Einfluss? | |
Auch von der Einflussnahme her. Das, was man in Deutschland als Politik | |
mitbekommt, kommt fast immer von den Bundestagsfraktionen. Als ich anfing, | |
2009, ging es um Kundus in Afghanistan. Da gab es ein Statement vom | |
Auswärtigen Amt. Plötzlich standen da sieben Kameras, 30 JournalistInnen | |
und dann drucken die auch noch, was du sagst. Das ist ein Job mit | |
Gestaltungsfreiheit, und dann auch noch sehr gut bezahlt. | |
Was heißt das in Zahlen? | |
Man kriegt im Moment rund 9.100 Euro Diäten, die muss man voll versteuern. | |
Dazu gibt es eine Bahncard 100 und was da noch dazugehört. Bei der Linken | |
geben wir dann noch einen relativ hohen Mandatsträgerbeitrag, den man für | |
die Partei spendet. | |
Wie viel Einfluss hat man als Bundestagsabgeordneter? | |
Ich habe davor ja für Greenpeace International gearbeitet, habe die | |
asiatischen Büros in der Landwirtschaft koordiniert. Mit Greenpeace schafft | |
man Veränderungen im wirklichen Leben. Ich war skeptisch, wie das im | |
Bundestag wird. Der Einfluss ist aber viel größer, als ich dachte. Das ist | |
mir zum ersten Mal bei der Afghanistan-Debatte aufgefallen. Da hatten wir | |
auch eine gute Strategie: Wir wollten, dass wieder über die Opfer, das Leid | |
geredet wird. Das hat gut funktioniert. Ein halbes Jahr später redete dann | |
auch Westerwelle über die afghanischen Opfer und das hat die ganze Debatte | |
gedreht. | |
Hatten Sie sich vorher schon mit Waffenexporten befasst? | |
Nein, gar nicht. | |
Aber Sie waren Biowaffen-Inspekteur der UN. | |
Ja, im Irak, aber Biowaffen haben mit Waffen überhaupt gar nichts zu tun. | |
Das sind Bakterien und Viren, das ist eine biologische Debatte. | |
Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, sich ausgerechnet mit Waffen zu | |
beschäftigen? | |
Als ich gewählt war, kam die Frage, was mache ich jetzt mit dem Job. Ich | |
habe das Team von Norman Paech übernommen und wir haben uns überlegt, dass | |
wir arbeiten wollen wie eine kleine NGO. Wir haben dann geschaut, welche | |
Themen unterbelichtet, aber total dringend sind. | |
Es gab ja mal eine Zeit, da wurden Waffenexporte auch in der Linken positiv | |
gesehen und man sammelte sogar Geld. | |
Waffen für El Salvador. Das war meine Generation. | |
Haben Sie da mitgemacht? | |
Nein. Aber nur, weil ich kein Geld hatte. | |
Heute haben Sie Geld, würden Sie das anders sehen? | |
Ja, das würde ich tatsächlich. Diese Debatte haben wir in der Linken auch | |
ganz heftig geführt, als es um die Kurden ging. Wir waren mit einem Team in | |
Rojava, das war im Januar 2014. Dann kamen wir zurück und Mossul wurde vom | |
IS überrannt. Direkt danach haben wir diskutiert: Stellt euch vor, die | |
stürmen Kobane. Bei uns war die Stimmung zunächst für Waffenlieferungen. Am | |
Ende haben wir uns aber dagegen entschieden, weil die IS-Taktik ist, wenn | |
sie an einer Stelle auf Granit stoßen, dann gehen sie sofort ans andere | |
Ende ihres Gebiets und nehmen eine halbe Provinz ein. Und so war es dann | |
auch. | |
Die Orte verteidigen muss ich ja trotzdem, sonst sterben Menschen. | |
Dass sich die Leute mit der Waffe in der Hand verteidigen, ist völlig | |
richtig. Ich bin kein radikaler Pazifist. Die Frage ist ja, was ist aus | |
Deutschland zu tun, um die zu unterstützen? Da finde ich Waffenlieferungen | |
falsch. Es mangelte in der Region an allem, aber nicht an Waffen. | |
In der Debatte hatte man aber den Eindruck. | |
Die Waffenlieferung, die von der Bundesregierung an die Peschmerga ging, | |
hatte mit der Rettung der JesidInnen nichts zu tun. Die Arbeit hat doch die | |
PKK gemacht. | |
Was wäre die Alternative gewesen? | |
Der viel bessere Weg wäre gewesen, dass die Türkei endlich die Grenzen zu | |
den kurdischen Gebieten auf- und die zu den IS-Gebieten zumacht. Darauf | |
hätte Deutschland seinen gesamten Einfluss in der Nato setzen müssen. Davor | |
haben die sich aber gedrückt. Die Waffenlieferung war nur eine | |
Ersatzhandlung. | |
Wenn es die Deutschen nicht machen, liefern dann nicht einfach andere? | |
Haben die auch gemacht. Ich stand auf dem Flugfeld in Erbil, da kam eine | |
bulgarische Lieferung, die Engländer haben sie entladen, weil sie auch eine | |
erwarteten. Mit Kobane und den JesidInnen hatte das nichts zu tun. | |
Stand die Waffenlobby bei Ihnen auf der Matte? | |
Gar nicht. Den Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann, der den Leopard | |
zusammenschraubt, habe ich mal besucht. Das waren immer interessante | |
Streitgespräche auf hohem Niveau. Der Geschäftsführer dort war nur leider | |
so gut, dass er sich nie verplappert hat, interessante Infos gab es da also | |
nicht zu holen. | |
Sie selbst haben dagegen nicht immer die Form gewahrt. So bezichtigten Sie | |
etwa dem FDP-Abgeordneten Martin Lindner des Eierkraulens – sobald im | |
Bundestag eine Frau rede. | |
Das war nicht so geplant. Aber ich habe versucht, nicht Politiker zu | |
spielen, sondern Jan van Aken zu bleiben. Dann passiert sowas halt mal. Ich | |
stehe deshalb zum Beispiel auch auf Angela Merkel. Die versucht nicht, | |
Kanzlerin zu spielen, Merkel ist Merkel. Deswegen finden viele Leute die | |
gut. | |
Darf man das sagen – als Linker? | |
Ja. Natürlich finde ich das, was sie politisch macht, falsch. Für mich war | |
es immer eine der wichtigsten Aufgaben, möglichst dicht bei mir selbst zu | |
bleiben. Das fängt damit an, dass man auf einer Wahlkampfveranstaltung auf | |
eine Frage sagen kann, ich weiß das nicht. Ich habe das gemacht und mir | |
dann sagen lassen müssen, dass das nicht geht. Aber mit diesem | |
Politiker-Spiel fange ich gar nicht erst an. Nichtwissen ist was völlig | |
Normales. | |
1 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
Gernot Knödler | |
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