# taz.de -- Sichere Herkunftsstaaten: Sogar Schwarz-Grün sagt Nö | |
> Die pragmatischen Grünen in Hessen sind gegen das Gesetz zu den sicheren | |
> Herkunftsstaaten. Die Regierung habe nicht das Gespräch gesucht. | |
Bild: Der Grüne Tarek Al-Wazir (M.) und CDUler Volker Bouffier (R.) managen di… | |
Berlin taz | Der Widerstand der Grünen wächst. Auch Hessens Grüne lehnen | |
den Plan der Bundesregierung ab, Marokko, Tunesien und Algerien für | |
„sicher“ zu erklären. Das hat ein kleiner Parteitag des Landesverbandes | |
bereits am Samstag beschlossen. „Angesichts der bisher nicht vorhandenen | |
Bereitschaft der Bundesregierung zu ernsthaften Gesprächen lehnen die | |
hessischen Grünen folgerichtig den vorliegenden Gesetzentwurf (…) ab“, | |
heißt es in dem Beschluss. | |
Die Grünen regieren in Hessen zusammen mit der CDU. Wenn die | |
Koalitionspartner bei einem Thema nicht einig sind, enthält sich das | |
Bundesland in der Länderkammer – so regelt es der schwarz-grüne | |
Koalitionsvertrag. Enthaltungen aber wirken wie ein Nein. „Das Gesetz, das | |
jetzt vorliegt, ist so nicht zustimmungsfähig“, sagte Hessens | |
Grünen-Landeschef Kai Klose am Montag der taz. | |
Die entscheidende Abstimmung im Bundesrat findet am Freitag statt. | |
Spätestens jetzt ist so gut wie sicher, dass das umstrittene Gesetz keine | |
Mehrheit bekommt. Mehrere Regierungsgrüne in anderen Ländern hatten zuvor | |
bereits [1][erklärt, verfassungsrechtliche und menschenrechtspolitische | |
Bedenken zu haben]. | |
Die Zweifel sind gut begründet: In den drei nordafrikanischen | |
Maghreb-Staaten ist Homosexualität strafbar, es kommt zu Verfahren gegen | |
kritische Journalisten und Blogger, [2][auch Fälle von Folter sind | |
dokumentiert]. | |
## „Pure, sinnlose Ideologie“ | |
Die Koalition bräuchte mindestens drei große, von Grünen mitregierte | |
Länder, die für das Gesetz stimmen. Hessens Landesverband tickt | |
realpolitisch und gilt Grünen-intern als pragmatisch – dies verleiht dem | |
Nein besondere Wucht. Offen ist jetzt noch, wie sich Baden-Württembergs | |
Ministerpräsident Winfried Kretschmann entscheidet. Kretschmann, der | |
ebenfalls mit der CDU regiert, lässt das Gesetz seit Monaten auf | |
Plausibilität prüfen und will das Ergebnis am morgigen Dienstag nach der | |
Kabinettssitzung bekannt geben. | |
Wichtige Koalitionspolitiker hatten am Wochenende den Druck auf die Grünen | |
erhöht. „Eine Ablehnung wäre pure sinnlose Ideologie“, sagte etwa | |
Innenminister Thomas de Maizière (CDU). CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer | |
sagte, die Grünen würden sich mit einem Nein zu „Gehilfen für massenhaften | |
Asylmissbrauch“ machen. SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte, die Einstufung von | |
Marokko, Tunesien und Algerien als sicher bedeute nicht, dass das Recht auf | |
Asyl für Menschen aus diesen Ländern wegfalle. | |
Wenn die Grünen das Gesetz am Freitag im Bundesrat blockieren, ist | |
wahrscheinlich, dass es im Vermittlungsausschuss landet. Dort würde nach | |
einem Kompromiss gesucht. Hessens Grüne wollen in diesem Fall weiter mit | |
der Regierung verhandeln. Sie blieben „zu Fragen der Flüchtlingspolitik | |
gesprächsbereit“, heißt es in dem Parteiratsbeschluss. Das Ziel bleibe, | |
Fehlentwicklungen in der Flüchtlingspolitik zu korrigieren und reale | |
Verbesserungen für Flüchtlinge zu erreichen. | |
Landeschef Klose bedauerte den mangelnden Verhandlungswillen der Regierung | |
– und deutete an, dass auch eine Einigung möglich gewesen wäre. „Die | |
Bundesregierung hat versäumt, mit den grün mitregierten Landesregierungen | |
das Gespräch zu suchen“, sagte er. Einwände des Bundesrates seien von der | |
Regierung einfach ignoriert worden. Die Länderkammer hatte Mitte März nach | |
einer ersten Befassung mehrere Einwände formuliert. | |
## Kretschmann für neues Modell | |
Er hatte damals zum Beispiel darauf hingewiesen, dass eine geringe | |
Schutzquote für Antragsteller aus den betroffenen Staaten „kein | |
ausreichendes Kriterium“ für eine Einstufung sei. Er forderte zudem mehr | |
Informationen über die Menschenrechtssituation in den betroffenen Ländern | |
und schlug eine Altfallregelung für Asylbewerber vor, die seit Jahren in | |
Deutschland geduldet werden. | |
An solchen Punkten könnten sich Nachverhandlungen im Vermittlungsausschuss | |
orientieren. Das Gesetz wäre also durch die wahrscheinliche Blockade der | |
Grünen nicht vom Tisch. Wenn die Regierung Angebote macht, wären manche | |
Grüne gesprächsbereit. | |
Kretschmann hatte bereits vor den Landtagswahlen im März einen Deal mit dem | |
Kanzleramt sondiert und ein Ja von ihm und den hessischen Grünen gegen | |
Gegenleistungen angeboten. Nachdem die taz über die interne Offerte | |
berichtet hatte, verwahrte sich die CSU gegen Liberalisierungen im | |
Asylrecht. | |
Bei den Grünen werden jetzt Modelle diskutiert, die die umstrittene | |
Einstufung von Staaten als „sicher“ ersetzen könnten. Kretschmann und | |
Schleswig-Holsteins Vize-Regierungschef Robert Habeck schlagen vor, die | |
Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu streichen und stattdessen einen | |
gesetzlichen Automatismus einzuführen. Würden aus einem Land dauerhaft nur | |
sehr wenige Menschen als asylberechtigt anerkannt, löste dies ein | |
beschleunigtes Asylverfahren aus. | |
13 Jun 2016 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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