# taz.de -- CDU-Mann Volker Bouffier: Hessens Mann fürs Schloss Bellevue? | |
> Mit 64 Jahren ist der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier im | |
> besten Bundespräsidentenalter. Er würde sich den Job wohl zutrauen. | |
Bild: Immun gegen Krisen und Rückschläge: Volker Bouffier | |
FRANKFURT/M. taz | Es gibt Szenarien, die man sich nicht vorstellen will. | |
„Ich kenne außerhalb der hessischen Staatskanzlei keinen, der den | |
CDU-Politiker Volker Bouffier ernsthaft für das Amt des Bundespräsidenten | |
auf dem Schirm hat“, so kommentiert Thorsten Schäfer-Gümbel, Bouffiers | |
Gegenspieler im Wiesbadener Landtag und SPD-Vize, die angebliche | |
Personalie. | |
Das ARD-Hauptstadtstudio hatte unlängst unter Berufung auf ein Berliner | |
CDU-Regierungsmitglied gemeldet, der hessische Regierungschef laufe sich | |
hinter den Kulissen für die Nachfolge Joachim Gaucks warm. Und was sagt | |
Bouffier dazu? „Die Entscheidung über den Kandidaten der Union für die | |
Bundespräsidentenwahl fällt im Herbst, an Spekulationen beteiligen wir uns | |
nicht“, zitiert sein Sprecher Michael Bußer gegenüber der taz seinen Chef. | |
Ein Dementi klingt anders. | |
Man kann wohl getrost davon ausgehen, dass Bouffier seine lange | |
Politikerkarriere gerne mit dem Präsidentenamt krönen würde. In seinem Jahr | |
als Bundesratspräsident habe der 64-jährige Hesse zuletzt allen gezeigt, | |
dass er für das höchste Staatsamt geeignet sei, sagt ein CDU-Wahlmann. | |
Rund ein Dutzend Auslandsreisen, darunter nach Israel, nach Südafrika und | |
nach New York, mit einer Rede vor der UNO, hat Bouffier als Präsident der | |
Länderkammer absolviert. In Berlin empfing er zahlreiche Staatsgäste. Der | |
Terminkalender eines Landespolitikers ohne Ambitionen sieht anders aus. | |
## Als Innenminister ein „harter Hund“ | |
Personalspekulationen sind allerdings schädlich für eigene Ambitionen. Das | |
weiß der Routinier nach mehr als dreißig Jahren an führender Stelle in der | |
hessischen Landespolitik. Der ehemalige Sportler – er spielte immerhin | |
Basketball in der A-Jugend des MTV Gießen, die ab 1966 fünf Mal | |
hintereinander die deutsche Meisterschaft gewann – weiß wie kaum ein | |
anderer, dass man in Politik und Sport einen langen Atem braucht. Mehrfach | |
musste Bouffier Rückschläge wegstecken. Seine Sportkarriere fand nach einem | |
schweren Verkehrsunfall ein jähes Ende; die Folgen der damals | |
lebensbedrohlichen Verletzungen machen ihm noch heute zu schaffen. | |
1987 verlor er sein fünf Jahre zuvor errungenes Landtagsmandat. Doch dank | |
des überraschenden Wahlerfolgs der CDU unter Walter Wallmann fand sich ein | |
Staatssekretärsposten für den jungen Juristen und JU-Landesvorsitzenden in | |
der ersten CDU-geführten Landesregierung Hessens. Vier Jahre später ging | |
die schwarz-gelbe Mehrheit wieder verloren. Bouffier machte Opposition | |
gegen Rot-Grün, polternd, hart und nicht immer nur fair. | |
1999 musste er dem jüngeren und talentierteren Roland Koch bei der | |
CDU-Spitzenkandidatur den Vortritt lassen. Koch gewann, wurde | |
Ministerpräsident. Bouffier gab fortan als Innenminister „den harten Hund“, | |
in der hessischen CDU-Tradition von Alfred Dregger und Manfred Kanther. | |
## RWE klagt auf mehr als 100 Millionen Euro | |
Als Koch im Jahr 2000 wegen der Schwarzgeldaffäre wankte, fiel Bouffier als | |
Konkurrent oder Ersatzspieler aus. Er selbst hatte mit Mühe ein | |
staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen „Parteiverrats“ | |
überstanden, das erst gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt wurde. | |
Bouffier hatte als Rechtsanwalt in einem Scheidungsfall sowohl den | |
befreundeten Ehemann als auch dessen Ehefrau beraten. So etwas ist | |
strafbar. | |
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zu diesem Fall brachte | |
allerhand Skurriles ans Tageslicht. So hatte der Innenminister einer | |
ermittelnden Staatsanwältin bei einem privaten Treffen einen Posten als | |
Polizeipräsidentin angeboten. Jahre später ernannte Bouffier in einer | |
rechtswidrigen Blitzaktion einen Partei- und Familienfreund zum | |
Polizeipräsidenten. Nach langem teurem Rechtsstreit erhielt der übergangene | |
Bewerber 30.000 Euro Schadenersatz, aus Steuermitteln. | |
Auch für Fehler der hessischen Landesregierung bei der rechtswidrigen | |
Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis macht die Opposition Bouffier | |
persönlich verantwortlich. Der Biblis-Betreiber RWE klagt auf mehr als 100 | |
Millionen Schadenersatz. Das könnte noch teuer werden. | |
## NSU-Opfer Halit Yozgat | |
Für Bouffier besonders heikel: Nach dem Mord an Halit Yozgat in einem | |
Kasseler Internetcafé im April 2006 war Andreas Temme, ein Mitarbeiter des | |
hessischen Verfassungsschutzes, unter Tatverdacht festgenommen worden. | |
Temme war unmittelbar vor dem Mord oder sogar während der Tat am Tatort, | |
hatte sich aber nicht als Zeuge bei der Polizei gemeldet. Vor dem | |
Innenausschuss des Landtags machte Bouffier im Juli 2006 nachweislich | |
falsche Angaben zu dem brisanten Fall, unter anderem über den Zeitpunkt, an | |
dem er selbst von den Vorgängen erfahren haben wollte. Er nannte den | |
Mitarbeiter „unschuldig“, obwohl ihn die Strafverfolgungsbehörden damals | |
noch als „Tatverdächtigen“ führten. | |
Erst viel später, vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, | |
korrigierte Bouffier seine Aussagen – dort wären Falschaussagen strafbar | |
gewesen. Dass Bouffier der Polizei seinerzeit untersagt hatte, die von | |
seinem Verfassungsschutzmitarbeiter geführten V-Leute zu vernehmen, | |
verteidigt er bis heute. „Wir machen keine Fehler“, mit dieser Marschroute | |
gehe Bouffier in interne Krisengespräche, berichtete der taz ein | |
langjähriger Teilnehmer solcher Runden. | |
Bouffier übersteht also mit einer gewissen Chuzpe Krisen und Rückschläge. | |
Gleichzeitig kann sich der Vater zweier erwachsener Söhne in | |
unterschiedliche Rollen einfinden. Seit er 2010 Koch als Ministerpräsident | |
beerben konnte, gibt er den Versöhner. Er klopft gerne anerkennend | |
Schultern, umarmt Freund und Feind. Gerne duzt er sich auch mit politischen | |
Konkurrenten. | |
## Viele Blondinenwitze | |
Sogar an sein äußeres Erscheinungsbild legte Bouffier Hand an. Seit jungen | |
Jahren war der Mittelscheitel sein Markenzeichen. Als die Haare früh | |
ergrauten, ließ er sie blondieren. Selbst politische Weggefährten erzählten | |
damals gerne Blondinenwitze. Im Umfeld seiner Beförderung zum | |
Ministerpräsidenten empfahl ihm ein Imageberater in einer Radiosendung | |
dringend, seine Frisur zu modernisieren. Bouffier tat die Empfehlung | |
zunächst ab. Später zeigte er indes öffentlich und selbstbewusst seine | |
weißgraue Originalhaarfarbe, den Scheitel verlegte er nach rechts. Seine | |
Familie habe ihm dazu geraten, ließ er wissen. | |
Bouffier regiert nun seit zweieinhalb Jahren geräuschlos mit seinen | |
früheren Lieblingsgegnern. Im Wahlkampf hatte die CDU noch vor dem grünen | |
Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir als einem „Risiko für den | |
Wirtschaftsstandort Hessen“ gewarnt. Inzwischen ist eben dieser | |
„Risikofaktor“ Bouffiers Stellvertreter und hessischer Superminister für | |
Wirtschaft und Verkehr. „Volker“ und „Tarek“ loben sich gegenseitig bei | |
jeder Gelegenheit. Die Architekten der ersten schwarz-grünen | |
Regierungskoalition in einem Flächenland präsentieren sich als ziemlich | |
beste Freunde. | |
Vor dem Hintergrund der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung, in | |
der Schwarz-Grün eine Mehrheit hätte, könnte das Bouffier tatsächlich zu | |
einer Option für die Union werden lassen. Denn sollten sich die beiden | |
Großen nicht auf eine Person einigen, werden wohl SPD und CDU mit jeweils | |
eigenen KandidatInnen ins Rennen gehen. Vielleicht schlägt dann seine | |
Stunde. | |
24 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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