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# taz.de -- Seelische Gesundheit: „Das ist eine Sauerei“
> Bei der Gesundheitssenatorin demonstrierten gestern Betroffene für die
> sofortige Wiedereinführung des Krisendienstes für psychisch Kranke
Bild: Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) stellt sich dem Protest
taz: Warum ist Bremen ist „psychiatrisch eine Bananenrepublik nach
Gutsherrenart“, Herr Busch?
Jürgen Busch: Die gesetzliche Vorgabe, für psychisch kranke Menschen rund
um die Uhr eine Versorgung zu gewährleisten, wird schon seit Ende März
nicht mehr erfüllt. Es gibt keinen nächtlichen Krisendienst mehr. Das wird
aber nicht beachtet! Und das ist nicht nur eine politische Verpflichtung,
Bremen hat sich das rechtlich selbst auferlegt – und hält sich nicht dran.
Aber rot-grün investiert doch 1,2 Millionen Euro in die Verbesserung der
psychiatrischen Versorgung – und wird dafür auch von Psychiatrie-Erfahrenen
gelobt. Warum demonstrieren Sie dagegen?
Weil das Konzept der Landesregierung aktuell gar keine Verbesserung bringt!
Es bringt uns das schon im März eingestellte Krisentelefon nicht zurück.
Und es bringt uns auch nicht die aufsuchende Hilfe zurück. Die 1,2
Millionen Euro sind Mittel, die auch zur Erhaltung des bisherigen
Krisendienstes hätten eingesetzt werden können. Der wiederum ist aus
Geldmangel eingestellt worden. Das ist eine Sauerei!
Der bisherige Krisendienst, wurde immer wieder kritisiert – als nicht
nutzerorientiert und effektiv genug.
Der alte Krisendienst ist vom öffentlichen Dienst systematisch kaputt
gespart worden! Da sind jedes Jahr zwei Prozent der Personalkosten
eingespart worden. Die Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes haben
sich auch immer wieder über ihre massive Arbeitsüberlastung beschwert. 2010
wurde im Landespsychiatrieplan festgehalten, dass der 24-stündige
Krisendienst in jedem Fall aufrecht erhalten werden soll. Doch durch die
ständigen Sparmaßnahmen war der Nachtdienst zuletzt eine so große Zumutung
für die Mitarbeiter, dass man ihn zur Rettung des Tagesdienstes ganz
eingestellt hat.
Das ist illegal, sagen Sie.
Ja. Und ich stelle mich da auch als SPD-Mitglied gegen die offizielle
Politik. Eine Klageschrift ist mindestens zur Hälfte fertig. Auch die
Gesundheitsverwaltung und die Kliniken müssen sich an die geltende
Rechtslage halten.
Rot-grün will ein eher präventives Nachtcafé für Menschen mit psychischen
Problemen schaffen, dazu einen dezentralen Kriseninterventionsdienst, der
nachts erreichbar ist.
Wir haben bisher nur gehört, dass es Stellen geben soll, zu denen man
nachts hingehen kann. Von einem Krisennottelefon wissen wir noch gar
nichts. Unklar ist auch, wann das kommt – wenn das Geld überhaupt bewilligt
ist!
Einige Experten finden, dass aus den Plänen „ein schlüssiges Gesamtkonzept�…
werden kann. Sehen Sie das anders?
Teilweise. Wir brauchen vor allem aufsuchende Hilfe, wo geschultes
Fachpersonal – und nicht die Polizei – zu den Leuten nach Hause fährt.
Zuletzt hat es gerade noch für einen Einsatz in der Nacht gereicht. Dazu
brauchen wir – ab sofort! – wieder ein Krisentelefon, bei dem sich Leute
Hilfe holen können. Wer einen Herzinfarkt hat, zu dem kommt der Notarzt
nach Hause. Wer suizidal ist, der hat den gleichen Anspruch auf
Lebensrettung wie körperlich kranke Menschen auch. Nur haben psychisch
Kranke leider weniger Lobby. Dabei sind psychische Erkrankungen bei
Verrentungen wegen Erwerbsunfähigkeit mittlerweile die wichtigste Ursache.
Das ist aber noch nicht überall angekommen. Die Bremer Psychiatrie-Politik
lobt sich immer gerne, wie wahnsinnig fortschrittlich sie doch ist. Ich
bezweifle das aber.
Rot-grün will den Einsatz von Psychiatrie-Erfahrenen als
„Genesungsbegleiter“ in den Kliniken fördern. Warum brauchen wir die so
dringend?
Wir haben hierzulande den eklatanten Missstand, dass wir zwar fachlich
ausgebildete Leute haben, die sich aber oft nicht so ausdrücken können, das
Patienten sie auch verstehen. Das ist ein großes Kommunikationsproblem –
hier können die Genesungsbegleiter, die selbst große Not erlebt haben,
übersetzen. Die Frage ist aber, ob sich Krankenhäuser, Krankenkassen und
Wohlfahrtsverbände dem öffnen können.
Zugleich kritisieren sie, dass die Genesungsbegleiter „keine demokratische
Grundlage“ haben. Wie meinen Sie das?
Wen der Arbeitgeber einstellt und wen nicht, das bleibt ganz ihm selbst
überlassen. Dabei müssten die GenesungsbegleiterInnen auch aus der
Gemeinschaft der Betroffenen eine Legitimation bekommen – und als
Fürsprecher ihrer Anliegen gewählt werden.
21 Jun 2016
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Psychiatrie
Psychische Erkrankungen
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Gesundheit
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Gesundheitspolitik
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