# taz.de -- Bericht über behördlichen Rassismus: Amnesty kritisiert Deutschla… | |
> Amnesty sieht „institutionellen Rassismus“ in Deutschland. Straftaten | |
> gegen Flüchtlinge würden nicht konsequent verfolgt, Unterkünfte schlecht | |
> geschützt. | |
Bild: „Erschreckende Hemmungslosigkeit“: Amnesty-Generalsekretärin Selmin … | |
Berlin taz | Erst vor wenigen Tagen zündete ein Brandsatz in einer noch | |
unbewohnte Flüchtlingsunterkunft in Münster. Feuer schnellte die Wände | |
hoch, Deckenplatten verbrannten. Ermittler sprachen von einem Schaden im | |
sechsstelligen Euro-Bereich. Diesmal reagierte die Polizei schnell: Nur | |
wenig später nahm sie zwei junge Männer fest. Sie gestanden: Es ging ihnen | |
darum, den Einzug der Flüchtlinge zu verhindern. | |
Für Menschenrechtsinitiativen gibt es solche Ermittlungserfolge zu selten. | |
„Deutschland vernachlässigt seine Pflicht, Geflüchtete vor rassistischen | |
Angriffen zu schützen“, kritisierte am Donnerstag Selmin Caliskan, | |
Generalsekretärin von Amnesty International. Zuvor hatte schon Pro Asyl | |
gefordert, rechte Gewalt „nicht weiter zu verharmlosen“ und Straftaten | |
gegen Flüchtlinge „konsequenter zu verfolgen“. Die Antonio-Amadeu-Stiftung | |
appellierte, der Schutz von Aslylbewerbern müsse „endlich mit Priorität | |
behandelt werden“. | |
1.031 Straftaten gegen Asylunterkünfte gab es im vergangenen Jahr, davon 94 | |
Brandstiftungen – ein trauriger Rekord. Die Aufklärungsquote betrug gerade | |
mal 26 Prozent. Und die Angriffe steigen in diesem Jahr weiter. | |
„Rassistische Ressentiments werden mit erschreckender Hemmungslosigkeit | |
ausgelebt“, stellte Caliskan fest. | |
Amnesty legte am Donnerstag nun eine eigene [1][Untersuchung] zu | |
rassistischer Gewalt in Deutschland vor. Zwei Jahre lang untersuchte die | |
Organisation Fälle in Berlin, Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt, sprach | |
mit 30 Gewaltopfern, 15 Anwälten und vielen Behördenvertretern. | |
Das Ergebnis: Die Polizei erkenne rassistische Straftaten nicht immer als | |
solche. Zu oft sei die Rede von unpolitischen Gewalttaten, ohne die Kultur | |
oder Ethnie der Opfer zu beachten. Zudem fehle ein einheitliches | |
Schutzkonzept für Flüchtlingsunterkünfte. Auch würden viele | |
Sicherheitsleute nicht polizeilich überprüft – weshalb am Ende auch | |
Neonazis vor den Heimen stünden. | |
## Aus den NSU-Morden nichts gelernt | |
Caliskan warf den Behörden „institutionellen Rassismus“ vor. Diese zeigten | |
ein „Unvermögen, alle Menschen angemessen zu behandeln, unabhängig von | |
ihrer Hautfarbe, ihres kulturellen Hintergrunds oder ethnischen Herkunft“. | |
Schon bei den NSU-Morden seien die migrantischen Opfer über Jahre selbst | |
verdächtigt worden, ohne eine rechtsextreme Spur ernsthaft zu verfolgen. | |
„Die deutschen Strafverfolgungsbehörden haben aus ihrem NSU-Versagen wenig | |
gelernt.“ | |
Caliskan forderte die Bundesregierung auf, in einer unabhängigen | |
Untersuchung zu klären, inwieweit ein institutioneller Rassismus | |
Ermittlungen behindere. Zudem müssten die Innenminister bessere | |
Schutzkonzepte für Flüchtlingsunterkünfte vorlegen. Und Polizisten | |
bräuchten klarere Richtlinien, wie sie mit rassistischer Gewalt umzugehen | |
haben. | |
Inzwischen haben die Behörden aber auch reagiert. Nach dem NSU-Debakel | |
richteten sie ein Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus ein. Eine | |
Clearingstelle beim BKA wertet seit 2014 alle Angriffe auf Asylunterkünfte | |
aus. Das Justizministerium sorgte für eine Gesetzesänderung, mit der | |
rassistische Motive bei der Strafzumessung berücksichtigt werden müssen. | |
Zudem arbeiten bis heute mehrere NSU-Untersuchungsausschüsse den | |
Rechtsterror auf. | |
Caliskan begrüßte das Engagement. Bei allem aber, sagte die | |
Amnesty-Generalsekretärin, bleibe die Grundfrage außen vor: wie viel | |
Rassismus in den Behörden selbst stecke. | |
9 Jun 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.amnesty.de/files/Amnesty-Bericht-Rassistische-Gewalt-in-Deutsch… | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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