Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Universitäten kooperieren mit Google: Lernen mit dem Marktführer
> Google will mit einem Hochschulworkshop junge Menschen in digitaler
> Vermarktung schulen. Für die Unis ist das eine Gratwanderung.
Bild: An einigen Hochschulen in Deutschland finden mehrtägige „Digital Works…
Der Hörsaal 8 der Universität Leipzig ist mit knapp 180 ZuhörerInnen fast
voll besetzt, die Atmosphäre konzentriert. Kaum ein Gespräch stört den
Vortrag, keiner scheint sich mit Facebook oder anderen Computerspielereien
abzulenken und Fragen gibt es reichlich. Der Anlass ist allerdings keine
klassische Lehrveranstaltung, sondern ein „Digital Workshop“ und vor ihnen
steht auch kein Professor, sondern UnternehmerInnen und
Marketing-ExpertInnen tragen vor. Sie reden von „Business to Business“,
„Unterschieden zwischen SEO und SEA“ und „Preis pro Beitrags-Interaktion�…
Dahinter steht Google. Der Suchmaschinenriese will nach eigenen Angaben bis
Ende diesen Jahres zwei Millionen Europäer digital weiterbilden. Er hat ein
Schulungsprogramm für StudentInnen entwickelt und betreibt dafür einen
hohen Aufwand. Wie viel Geld das Unternehmen dafür hinlegt, verrät Google
nicht.
Nur, dass den Frühling und Sommer hindurch an verschiedenen Hochschulen in
Deutschland mehrtägige „Digital Workshops on Campus“ stattfinden. Die Uni
Leipzig ist neben der TU Dortmund, der RWTH Aachen, der Hochschule
Reutlingen und der Uni Frankfurt am Main eine der gastgebenden Hochschulen
und Universitäten.
Und dort sollen die künftigen UnternehmerInnen die Grundlagen des digitalen
Marketings lernen: Suchmaschinenoptimierung, Suchmaschinenwerbung,
Social Media, mobiles Marketing. Für Google sind diese „Onlinekompetenzen“
notwendiges Rüstzeug für die spätere berufliche Laufbahn.
## Weltmachtswissen für Einsteiger
Derart ausgebildetes Fachpersonal, glaubt Google, fehlt. Deshalb die
Kampagne, die neben den Hochschulworkshops auch Onlinekurse mit ähnlichem
Inhalt auf einer eigens eingerichteten Lernplattform bereithält. Wer die
Kurse abschließt, kann sich ein Zertifikat ausstellen lassen. Onlinewerber,
Google-geprüft.
Beides, Campusworkshop und Onlinelehrgang, ist für die NutzerInnen
kostenlos. Ganz ohne Hintergedanken ist das Fortbildungsprogramm freilich
nicht. Das Anzeigengeschäft ist eine wichtige Einnahmequelle für Google,
über die laut der ZDF-Doku „Weltmacht Google“ viele andere Projekte des
Unternehmens finanziert werden. Indem Google jungen Menschen und damit
potenziellen UnternehmerInnen den Umgang mit seinen Systemen AdSense und
Adwords beibringt, sichert sich der Konzern selbst die Einnahmen der
Zukunft.
Grit Wolfram zahlt heute schon mit. In Hörsaal 8 ergreift die Leipziger
Unternehmerin das Wort. Teil 2 des Workshops. Am Vortag ging es um
Suchmaschinenoptimierung und die Möglichkeiten von Digitalem Marketing für
Start-ups. Nun steht Suchmaschinenwerbung im Mittelpunkt, oder in
Business-Sprache: Search Engine Advertising, kurz SEA. Die Vorträge sind
niedrigschwellig aufgebaut, richten sich an Einsteiger. Wer mit
Marketingabkürzungen wie CPS, PPC und CLV nicht mitkommt, dem hilft ein
Glossar im mitgelieferten Handout.
## Gerne mit Google-Tools
Wolfram, die in einem Online-Marketingunternehmen arbeitet, erklärt die
Bedeutung von Werbeanzeigen in Suchmaschinen und den Umgang mit der
entsprechenden Googlesystem Adwords. Welche Möglichkeiten gibt es? Wie
kaufe ich Anzeigen und wie stelle ich sie auf meine Zielgruppe ein? Die
Marketingmanagerin weist aber auch auf eine Tücke der Anzeigen hin. Sie
lassen sich leicht mit nichtkommerziellen Suchergebnissen verwechseln. So
sei vielen gar nicht bewusst, dass die an oberster Stelle eingeblendeten
Ergebnisse Werbung sind.
Beim Thema Onlinewerbung spielt noch ein weiterer Google-Dienst eine
wesentliche Rolle: Analytics. Wolframs Kollege Stefan Kärner bezeichnet in
seinem Vortrag das Programm als „führenden Anbieter für Webanalyse“.
Google also allgegenwärtig? Nicht ganz. Zwei UnternehmerInnen aus der
Region berichten jeweils eine halbe Stunde lang über ihre Erfahrungen mit
der digitalen Vermarktung ihrer Produkte. Beide räumen ein, dass sie
aktuell nicht auf Google Adwords zurückgreifen. „Eine solche Kampagne
kostet viel und bringt mir im Moment nichts“, sagt Kristin Franke. Sie
betreibt eine Firma für Wandtattoos und schwört, wie sie sagt, eher auf
Facebook.
Die Themen des Workshops sollten „markenneutral“ vermittelt werden, haben
die Veranstalter vorab versprochen. „Wir wollen die Dominanz im Auftritt
durch Google auf das Notwendige beschränken“, sagt Utz Dornberger, Direktor
des Wirtschaftsaustauschprogramms „Sept“ an der Universität Leipzig und
verantwortlich für die Kooperation der Hochschule mit dem
Suchmaschinenkonzern.
Auf großflächige Werbebanner sei bewusst verzichtet worden, so der
Wissenschaftler, der zu Ökonomie und Entwicklung forscht. Tatsächlich ist
die Präsenz des Internetriesen im Hörsaal dezent. Lediglich auf den
schicken, mit Ringbindung gehefteten Handouts steht oben rechts in der Ecke
der Hinweis „Eine Initiative von Google“.
„Google spielt sich nicht in den Vordergrund“, pflichtet Lisa Lückoff bei.
Die Kommunikationswissenschaftsstudentin hat mehrere Einheiten des
Workshops besucht und gibt zu, dass sie im Vorfeld noch mehr Google-Werbung
erwartet habe. Dass stattdessen auch viel über den Konkurrenten Facebook
gesprochen wurde, habe sie positiv überrascht.
## Eine Zukunft ohne Google
Auch Christian Müller findet an dem Bildungsengagement von Google nichts
Verwerfliches. „Werbung brauchen sie für sich ja nicht mehr machen“,
bemerkt er salopp. Er habe sich über die Erfahrungsberichte von
UnternehmerInnen gefreut. Besonders schätze der Polizist aber, dass jeder
die Veranstaltungen frei besuchen kann und sie nicht nur StudentInnen
vorbehalten sind.
Google betritt mit dem „Digital Workshop“ nicht zum ersten Mal deutsche
Hörsäle. Bereits 2012 sorgte ein an der Berliner Humboldt-Universität neu
gegründetes Institut für Internet und Gesellschaft für Aufsehen. Dessen
großzügiger Förderer: Google. Mit 4,5 Millionen Euro unterstützte der
Konzern die Gründung der Forschungseinrichtung.
Dieselbe Summe ist laut Institut noch einmal für den Zeitraum 2014 bis 2016
geflossen. Mittlerweile beteiligen sich auch andere Unternehmen an der
Finanzierung, dennoch bleibt Google der größte Sponsor. Förderer und
Geförderte betonen die Unabhängigkeit des Instituts. Kritiker sehen in dem
Sponsoring ein Lobbyprojekt und einen Eingriff in die freie Lehre.
Und an der Uni Leipzig? Für Koordinator Utz Dornberger bleibt die
Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft eine „Gratwanderung“.
„Bedenken haben wir seit Beginn der Zusammenarbeit“, sagt er. Für ihn sei
es jedoch wichtig, dass die Studierenden mit den Werkzeugen umgehen können,
die der Markt und spätere mögliche Arbeitgeber von ihnen verlangen. Ohnehin
sei der Workshop nur ein Test für eine längerfristige Strategie.
Sollte er sich als Erfolg erweisen, wolle die Uni Leipzig die Inhalte
künftig kontinuierlich in ihre Ausbildung einbetten – ohne Hilfe von
Google.
10 Jun 2016
## AUTOREN
Ronny Müller
## TAGS
Google
Lobby
Digital
Uni Leipzig
Hasskommentare
Google
Medienjournalismus
Google
FDP
Schwerpunkt Meta
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streit um Werbung vor Hassvideos: Google steuert um
Werbetreibende sollen künftig besser erkennen können, in welchem –
möglicherweise extremistischen – Umfeld ihre Anzeigen online geschaltet
werden.
Verbot von Google Street View: Keine Straßenperspektive aus Indien
Aus Angst vor Anschlägen bekommt Google Street View in Indien keine
Genehmigung. Die Bilder des Onlinedienstes könnten Attentätern helfen.
Kooperation Medien und NGOs: Im Sinne der Aufklärung
Ein journalistischer Grundsatz lautet: Medien sollen sich nicht mit einer
Sache gemeinmachen. Redaktionen profitieren dennoch von NGO-Arbeit.
Steuerhinterziehung in Frankreich: Razzia bei Google
Frankreich ermittelt wegen möglicher Geldwäsche und Steuerhinterziehung
gegen Google. Die Firma soll 1,6 Milliarden Euro nachzahlen.
Parteitag der FDP: Die neuen alten Liberalen
In Berlin sticheln die Liberalen gegen die Konkurrenz. Außerdem wird,
gefördert von Lobbyverbänden, technologischer Fortschritt beschworen.
Datensammeln im Netz: Facebook soll zahlen
Google, Facebook und all die anderen Internetkonzerne machen Geld mit den
Daten ihrer Nutzer. Ich will meinen Anteil.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.