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# taz.de -- Vergangenheit des Bundeskanzleramtes: Was genau tat Hans Globke?
> Etliche Ministerien haben inzwischen braune Flecken ihrer Geschichte
> aufarbeiten lassen. Ausgerechnet das Bundeskanzleramt fehlt bislang.
Bild: In Sachen Vergangenheitsaufarbeitung liegt beim Bundeskanzleramt noch ein…
Berlin taz | Als Hans Josef Maria Globke 1973 im Alter von 74 Jahren starb,
widmete ihm der renommierte Staatsrechtler Theodor Eschenburg einen
bemerkenswerten Nachruf. Ausgiebig würdigte er seine Verdienste beim Aufbau
des Bundeskanzleramts. Globke habe es „so kunstvoll in das Exekutivplateau
des eben gegründeten Bundes eingebaut, dass es zur eigentlichen
Regierungs-Zentralbehörde wurde“, schwärmte Eschenburg in der Zeit.
Vor allem sei er jedoch der engste Vertraute und Berater Konrad Adenauers
gewesen. „Man übertreibt kaum, wenn man in Globke das alter ego seines
Kanzlers, praktisch den zweiten Mann im Staate sah.“
Globke, der von 1953 bis 1963 als Staatssekretär das Kanzleramt leitete,
ist die umstrittenste Personalie in den Anfangsjahren der Bundesrepublik.
Der Name des Kommentators der Nürnberger Rassegesetze, der bis 1945 in
Hitlers Reichsinnenministerium gearbeitet hatte, steht für die Kontinuität
nationalsozialistischer Funktionseliten, die in der Bundesrepublik ihre
Karrieren fortsetzen konnten.
In Eschenburgs seinerzeitiger Würdigung findet Globkes Agieren in der
Nazizeit allerdings nur eine beiläufige und relativierende Erwähnung. Was
damit zu tun haben dürfte, dass es der Professor in Bezug auf seine eigene
NS-Vergangenheit ebenso hielt. Kein Einzelfall.
Es hat lange gedauert, bis sich die bundesdeutschen Institutionen bereit
gefunden haben, sich mit den braunen Flecken der eigenen Geschichte
auseinanderzusetzen. Erst nach der Jahrtausendwende, als die meisten
Belasteten längst verstorben waren, begann in der Bundesregierung ein
Prozess der Aufarbeitung. Inzwischen hat sich viel getan in Sachen
ministerieller Vergangenheitsbewältigung. Siebzehn Ministerien und oberste
Bundesbehörden haben in den vergangenen Jahren HistorikerInnenkommissionen
eingesetzt.
Davon bislang ausgenommen ist allerdings ausgerechnet das Bundeskanzleramt.
„Das fällt insofern besonders negativ ins Gewicht, da es sich beim
Bundeskanzleramt um eine ressortübergreifende Schaltzentrale handelt, die
gerade während der Adenauer-Ära für den beginnenden
Demokratisierungsprozess Westdeutschlands von herausragender Bedeutung
war“, konstatiert Ulrike Jureit vom Hamburger Institut für Sozialforschung.
## HistorikerInnen plädieren für Forschungsprojekt
Jureit war eine von sechs HistorikerInnen, die der Bundestag in der
vergangenen Woche zur Anhörung geladen hatte. Sie sollten Stellung nehmen
zu einem Antrag der Linkspartei, eine unabhängige HistorikerInnenkommission
zur Geschichte des Bundeskanzleramtes einzusetzen (Drucksache 18/3049).
Unabhängig davon, welche Fraktion sie benannt hatte: Die
WissenschaftlerInnen waren sich einig in ihrer Zustimmung zu einem solchen
Forschungsprojekt.
„Unser Bild bliebe unvollständig, würde die für die Personalpolitik der
Bundesregierung zentrale Instanz unberücksichtigt bleiben“, befand der
Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, Andreas Wirsching. Es handele
sich um eine „Schieflage, die beseitigt werden müsste“, sagte der
emeritierte Professor für Zeitgeschichte an der Technischen Universität
Dresden Klaus-Dietmar Henke. Als „grotesk“ bezeichnete es der Jenaer
Geschichtsprofessor Norbert Frei, wenn das Bundeskanzleramt weiterhin eine
„Fehlstelle“ bliebe.
„Die eklatanteste und schmerzlichste Forschungslücke bei der Aufarbeitung
von NS-Kontinuität in der Bundesrepublik besteht beim Bundeskanzleramt“,
resümiert der Linkspartei-Abgeordnete Jan Korte „Dies ist das eindeutige
Ergebnis der Anhörung und darüber herrscht zumindest in der Wissenschaft
Einigkeit.“
Die Bundesregierung zeigt sich bisher allerdings nur bereit, „die
Möglichkeit eines ressortübergreifenden Forschungsprogramms zu prüfen“, wie
es in der schriftlichen Antwort des Kanzleramts auf eine Anfrage der
Linkspartei heißt.
Korte reicht das nicht: „Die Bundesregierung wird ihre Blockadehaltung ein
für alle Mal aufgeben müssen“, fordert er. „Niemand hat etwas gegen
ergänzende Querschnitt- oder Detailstudienstudien, aber das Kanzleramt muss
im Mittelpunkt der Untersuchung stehen.“ Denn schließlich habe es eine
Schlüsselrolle bei der Integration der Täter in die westdeutsche
Nachkriegsgesellschaft besessen. „Hier organisierte Globke die Rückkehr der
alten Eliten in Staat, Wirtschaft, Militär und Justiz.“
7 Jun 2016
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Bundeskanzleramt
Hans Globke
Vergangenheit
Bundesregierung
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Konrad Adenauer
Jan Korte
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Atomwaffen
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Wolfgang Schäuble
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