# taz.de -- Studie über Auswärtiges Amt: "Aktiv an der Judenvernichtung betei… | |
> Eine unter Rot-Grün beauftragte Kommission hat recherchiert, dass das | |
> Auswärtige Amt viel stärker am Holocaust beteiligt war als bisher bekannt | |
> und räumt mit einer Legende nach 1945 auf. | |
Bild: Reisekostenabrechnung des Franz Rademacher, in die er vermerkte: "Liquida… | |
Das Auswärtige Amt war weit tiefer in nationalsozialistische Verbrechen | |
verstrickt als bisher bekannt. Dies hat eine 2005 von Joschka Fischer | |
beauftragte Historikerkommission recherchiert. Die Beweislage ist | |
erdrückend. | |
Der Marburger Historiker Eckart Conze, mit Norbert Frei, Peter Hayes und | |
Moshe Zimmermann Autor der knapp 900-seitigen Studie, nennt als Beispiel | |
eine Reisekostenabrechung des Ministerialrates Franz Rademacher. Zweck | |
einer Reise 1941 nach Serbien war, so das Dokument, die "Liquidation von | |
Juden in Belgrad". Dies illustriert, dass der Mord an Juden dem Auswärtigen | |
Amt keineswegs, wie nach 1945 oft beteuert, verborgen war. | |
Dass Rademacher, der als "Judenreferent" im Außenministerium arbeitete, am | |
Holocaust beteiligt war, ist im Prinzip bekannt. Neu sind Dokumente, die | |
zeigen, dass nicht nur einzelne Figuren, sondern das gesamte Auswärtige Amt | |
von der systematischen Vernichtungspolitik der Nazis wusste. Das Amt war, | |
so Conze, an der Vernichtung der griechischen und ungarischen Juden | |
federführend beteiligt. | |
Überall, wo sich die Gelegenheit bot, sich an antijüdischen Maßnahmen zu | |
beteiligen, habe der Beamtenapparat des Auswärtigen Amtes diese ergriffen. | |
Seit 1936 zählte nicht nur ein Empfang bei Hitler auf dem Obersalzberg zur | |
obligatorischen Ausbildung der Attachés, sondern auch die Besichtigung | |
einer Psychiatrie und des KZ Dachau. | |
Historiker Conze sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass | |
das Außenamt "an allen Maßnahmen der Verfolgung, Entrechtung, Vertreibung | |
und Vernichtung der Juden von Anfang an aktiv beteiligt" war. "Das | |
Auswärtige Amt war eine verbrecherische Organisation", so Conze. | |
Der Bericht der Historikerkommission befasst sich auch auch mit der Rolle | |
Ernst von Weizsäckers, der seit April 1938 Staatssekretär im Auswärtigen | |
Amt war. Von Weizsäcker, Vater des späteren Bundespräsidenten Richard von | |
Weizsäcker, war offenbar 1936 direkt an der Ausbürgerung des | |
Schriftstellers Thomas Mann beteiligt. Eine weitere zentrale Erkenntnis der | |
Kommission betrifft die Zeit nach 1945. Den Beamten gelang es die Legende | |
zu inszenieren, man habe von den NS-Verbrechen nichts gewusst. | |
Andererseits gelang es überzeugten Nazis nicht nur weiterhin in dem Amt zu | |
arbeiten, sondern auch Strukturen aufzubauen, mit denen andere Ex-Nazis vor | |
Strafverfolgung geschützt wurden. Vor allem die seit 1953 zum Auswärtigen | |
Amt gehörende "Zentrale Rechtsschutzstelle" betätigte sich, so Joschka | |
Fischers Einschätzung, als "Täterschutzstelle", die gesuchten Massenmördern | |
wie Klaus Barbie half. | |
Auslöser für die Untersuchung war ein Streit während Fischers Amtszeit als | |
Außenminister über Nachrufe für Diplomaten, die durch ihre | |
nationalsozialistische Vergangenheit belastet waren. Außenminister Guido | |
Westerwelle (FDP) kündigte an, die Studie, die im Blessing Verlag | |
erscheint, zu einer "festen Größe" der Attachéausbildung zu machen. Das | |
Buch wird am Donnerstag offiziell vorgestellt. SR | |
24 Oct 2010 | |
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Bundeskanzleramt | |
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Natürlich ist es mehr als nur zu bedauern, dass 60 Jahre vergehen mussten, | |
bis die Wahrheit ans Licht kommt. Aber sie ist ans Licht gekommen. Auch | |
dank Rot-Grün. |