| # taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Hass braucht kein Internet | |
| > Botschaften im Hausflur und Blogs wie „Notes of Berlin“ beweisen: Die | |
| > Menschen sind auch im Real Life total verroht. | |
| Bild: „Wenn dir dein Köter ins Gehirn geschissen hätte anstatt hier auf den… | |
| Selbst heute braucht man ja gar nicht für alles Internet. Hass zum | |
| Beispiel. Aggressionssprünge von null auf zwölf – das gibt es auch ganz | |
| ohne den Austausch im Digitalen. | |
| Erst sollte ja Anonymität im Netz daran schuld sein, dass die Leute verbal | |
| so verwahrlosten – ein Vorwurf, den jeder AfD-Horst, der unter Klarnamen in | |
| Facebook reinhasst, allerdings längst widerlegt. | |
| Wenn die Menschen sich bei digitaler Kommunikation nicht mehr | |
| gegenüberstünden, sich in die Augen blicken müssten, würde das Grobheit in | |
| der Wortwahl begünstigen, psychologisierten andere. Was allerdings auch | |
| Quatsch ist. Beweis gefällig? Für den bräuchtet ihr kurz doch nochmal das | |
| Internet – für Blogs wie den von „Notes of Berlin“. | |
| Das ist eine von vielen Sammlungen, die Fotos von Zetteln im öffentlichen | |
| Raum posten. Die belegt: Auch wenn man Tür an Tür lebt – oder leben muss – | |
| und sich früher oder später begegnet, ist das kein Grund zur Zurückhaltung. | |
| Botschaften im Hausflur mit „Sie Penner“ einzuleiten, ist fast schon zu | |
| brav: Wer sich der Aufmerksamkeit der Nachbarschaft sicher sein will, nennt | |
| Leute, die Wattestäbchen aus dem Fenster werfen, „Drecksau“, oder droht: | |
| „Nächstes Mal, wenn wir euch erwischen, siehst du die Sterne.“ Oder | |
| sinniert: „Wenn dir dein Köter ins Gehirn geschissen hätte anstatt hier auf | |
| den Boden, dann hätte sich dein IQ verdoppelt.“ | |
| ## Wurstigkeit und Ignoranz | |
| Als mich kürzlich jemand fragte, wie es denn so ist, in Berlin zu wohnen, | |
| schickte ich einen Link zu der Webseite. Man kann viel darüber reden, wie | |
| in Berlin übergentrifizierte Biobaumwollmütter neben Junkies leben, über | |
| rauen Charme, Grenzüberschreitungen, Wurstigkeit, Liberalität und Ignoranz. | |
| Selten wird man es aber so gut auf den Punkt bringen wie auf diesen | |
| abfotografierten Zettelchen. | |
| Sehe ich doch förmlich den/die verbitterte/n Öko vor mir, die den Hinweis | |
| „Ihr wollt die Welt verändern? Ihr könnt ja nicht mal eure | |
| Scheiß-Pappkartons zerkleinern …“ in Klarsichtfolie an die Wand tackerte. | |
| Ganze Kurzgeschichten möchte man verfassen über die wütende Person, die | |
| sich über die „Fotzenköppe“ echauffiert, die die Polizei gerufen haben, | |
| weil er/sie T-Shirts zum Lüften ins Fenster gehängt habe. | |
| Wer so schreibt und dann auch noch mit Namen unterzeichnet, dokumentiert: | |
| Verbale Verrohung braucht kein Internet. Das schaffen die Leute analog. | |
| Schon klar, das Internet begünstigt ganz andere Dynamiken für Entgleisungen | |
| und Wut. Macht Banalitäten zu Shitstürmchen und aus Hetze verbale | |
| Fackelläufe. Gibt potenziell jedem das algorithmengestützte Gefühl, mal | |
| frei von der Leber weg sagen zu können, wie er empfindet – weil er sich | |
| unter Gleichgesinnten wähnt. | |
| Wie man auf diese Dynamiken gescheit reagiert, das wird derzeit noch | |
| ausgemendelt. Die „Notes of Berlin“ zeigen aber auch: Leute können auch mit | |
| Geist, Witz und Charme auf die Unbilden des Alltags reagieren. Weil die | |
| (schlechten) Sprayer immer die Wand massakrieren. Weil der Paketbote nie | |
| klingelt, obwohl man zu Hause ist. Oder weil die Hunde immer vor den | |
| Kita-Eingang kacken statt „der AfD vor die Tür“. Schon klar, Humor ist | |
| keine Lösung. Aber vielleicht ein Anfang. | |
| 1 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Meike Laaff | |
| ## TAGS | |
| Hasskommentare | |
| Internet | |
| Blog | |
| Mobilfunk | |
| Schwerpunkt Neonazis | |
| Nullen und Einsen | |
| Virtual Reality | |
| Offline | |
| Adblocker | |
| No-Spy-Abkommen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kolumne Nullen und Einsen: Trottelkundin im Trottelsegment | |
| Wer keift und schimpft, erhält oft Sonderangebote beim Mobilfunkvertrag. | |
| Was aber, wenn man so ein Mensch nicht sein möchte? | |
| Antisemitische Tags: Vorsicht Nazi-Umarmung! | |
| Rechtsextreme umklammern Namen, um Juden zu „identifizieren“. Twitter-User | |
| reagieren solidarisch und umklammern sich selbst. | |
| Kolumne Nullen und Einsen: Mit dem Fahrrad durchs Silicon Valley | |
| Die Firmenzentralen von Google und Facebook sind längst | |
| Touristenattraktionen. Dazwischen wartet ein schönes Stück | |
| Küstenlandschaft. | |
| Kolumne Nullen und Einsen: Du hast da was am Auge | |
| Seit 15 Jahren sind Datenbrillen das nächste große Ding. Jetzt sind sie mal | |
| wieder aufgetaucht – nur nicht dort, wo wir sie erwartet haben. | |
| Kolumne Nullen und Einsen: Eine Minute offline | |
| Michael Brake ist onlinesüchtig. Kein Extremfall, gerade so abhängig wie | |
| jeder von uns. Doch Michael Brake wagt einen nie dagewesenen Selbstversuch. | |
| Kolumne Nullen und Einsen: Das sind ja drei Wünsche auf einmal! | |
| Online-Werbung kann nerven, klar. Die kleingeistige Abgreifermentalität | |
| vieler Internetnutzer kann aber noch viel mehr nerven. | |
| Kolumne Nullen und Einsen: Hot dogs are always good! | |
| Vor vier Wochen rief Frank-Walter Steinmeier den deutsch-amerikanischen | |
| Cyberdialog aus. Eine Zwischenbilanz mit Twin Peaks, Spritz und einer | |
| Katze. |