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# taz.de -- Schokolade – „Made in Ivory Coast“: Von der Bohne zur Praline
> Die Elfenbeinküste ist beim Kakaoanbau führend in der Welt – für den
> Export. Die Herstellung von Schokolade vor Ort steht noch am Anfang.
Bild: Axel Emmanuel ist einer der ersten Chocolatiers seines Landes. Er stellt …
Abidjan taz | Axel Emmanuel schlägt den Eingang eines bekannten Lokals in
Cocody als Treffpunkt vor. Das lebendige Viertel in der größten
Wirtschaftsmetropole der Elfenbeinküste ist gut erreichbar, und der
34-Jährige arbeitet hier gleich um die Ecke in einem winzigen
Einfamilien-Reihenhaus abseits vom Straßenlärm.
Unten befindet sich das ehemalige Wohn- und Esszimmer, oben neben Bad und
Schlafzimmer die Küche, in der Axel Emmanuel mit seinen Rezepturen
experimentiert. Der junge Mann, der in seinem früheren Leben Banker war,
ist nämlich Chocolatier. Etwas Neues in diesem Land, das weltweit führend
ist beim Kakaoanbau.
Schokolade hat es schon in Axel Emmanuels Kindheit immer gegeben. „Meine
Mutter ist von einem Schweizer Paar adoptiert worden“, erzählt er in einem
geschliffenen Französisch, das mehr nach Frankreich als nach Westafrika
klingt. Vollmilch, Zartbitter und die gängigen Geschmacksrichtungen lernte
er damals kennen, aber Alpenmilch mochte er als Kind besonders gern. Keine
dieser Schokoladen wurde jedoch bisher in seiner Heimat hergestellt. Eine
Vorstellung, die dem Jungunternehmer mit dem karierten Hemd und den
schwarzen Jeans nicht gefällt. „Wenn wir schon der größte Kakaoanbauer der
Welt sind, sollte am Ende der Kette ein Ivorer stehen.“
Zu den Kunden von Emmanuels kleiner Firma Instant Chocolat zählen
wohlhabende Privatpersonen, eine internationale Fluggesellschaft, aber auch
Messeaussteller, die seine Schokolade an ihren Ständen anbieten.
## Stoffbespannte Schachteln
Axel Emmanuel hat auf einem Barhocker in seinem Wohnzimmer Platz genommen.
Im Hintergrund raschelt Amoin Odette Kouassi mit Papier. Sie ist eine von
insgesamt zehn Mitarbeitern seines kleinen Unternehmens und arbeitet im
Erdgeschoss, wo sie die fertigen Pralinen in Silber- oder Goldpapier
wickelt. Außerdem sucht sie auch kleine Schachteln aus, von denen viele mit
afrikanischen Stoffen bespannt sind, schön zum Verschenken. Noch wird in
der kleinen Produktionsstätte alles per Hand gemacht.
Laut einem aktuellen Kakaobarometer, das von mehreren nichtstaatlichen
Organisationen herausgegeben wird, produziert die Elfenbeinküste jährlich
mehr als 1,7 Millionen Tonnen Kakao und ist damit weltweit Spitzenreiter.
Nachbar Ghana folgt mit 897.000 Tonnen. Kakao ist das wichtigste Exportgut,
obwohl Schokolade im Land stets ein großer Luxus war, weil sie importiert
werden musste. Viele ivorische Anbauer, oft Kleinbauern, die die wenige
Hektar großen Plantagen von ihren Eltern geerbt haben, sind bis heute nie
in den Genuss von Schokolade gekommen. Und das, obwohl schätzungsweise rund
6 Millionen der 23 Millionen Einwohner der Elfenbeinküste vom Kakaoanbau
leben.
Axel Emmanuel steht auf, um zu zeigen, was aus seiner anfänglichen
Begeisterung geworden ist. Zügig läuft er die Wendeltreppe hoch und schiebt
einen schweren Plastikvorhang zur Seite. Dahinter verbirgt sich die Küche,
das Herzstück seines kleinen Unternehmens, und es ist schwer vorstellbar,
dass in dem kleinen Raum die komplette Produktion stattfindet. Doch
Emmanuel nickt kräftig. „Wir kommen etwa auf eine Tonne pro Jahr.“ Im
Moment hält sich die Nachfrage in Grenzen. In den Wochen vor Weihnachten
und Ostern muss dagegen rund um die Uhr gearbeitet werden.
## Drei Grundelemente
Die Klimaanlage surrt und sorgt für eine angenehme Temperatur. „Schokolade
ist sehr sensibel. Wenn ich die Klimaanlage nicht ständig laufen lasse,
bekomme ich Schwierigkeiten“, erklärt Emmanuel. „Auch bei den Mengenangaben
muss ich sehr präzise arbeiten.“ Das Grundrezept hört sich zunächst einfach
an: Mit der Kakaomasse – zermahlene Kakaobohnen –, der Kakaobutter – das
aus der Kakaomasse gewonnene Fett – sowie Zucker besteht Schokolade
grundsätzlich aus drei Elementen. Hinzugefügt wird etwas Vanille. Wer
Vollmilchschokolade möchte, braucht zusätzlich Milchpulver.
Axel Emmanuel fährt vorsichtig über eine kleine beige Mühle, die auf der
Arbeitsfläche steht. Sie wirkt wie ein aus der Mode gekommenes
Küchenutensil, das mit stylischen Geräten à la KitchenAid oder Thermomix
nicht mithalten kann. Doch der Chocolatier strahlt seine Mühle an: „Ich
habe sie mir extra aus Indien kommen lassen.“ Dort war sie vermutlich zum
Mahlen von Gewürzen und nicht von Kakaobohnen vorgesehen. Doch Emmanuel ist
mit dem Ergebnis hoch zufrieden. Denn in dem Gerät werden die Zutaten
vermengt und manchmal bis zu 72 Stunden miteinander verrührt, die seine
Schokolade ausmachen.
Für seine Produktion hat sich Axel Emmanuel viel selbst beibringen müssen.
2010 hing er – nach einem Studium der Politikwissenschaften und des
Steuerrechts – seinen Job in einer großen Bank an den Nagel und begann die
Laufbahn eines Chocolatiers ernsthaft ins Auge zu fassen. Dafür ging er
extra bei einem Konditormeister in Abidjan in die Lehre, der auf 30 Jahre
Berufserfahrung zurückblicken konnte, und arbeitete in einem der großen
Hotels der Stadt. Der allererste ivorische Chocolatier ist Emmanuel deshalb
nicht. Allerdings ist bisher stets fertige Schokolade aus Europa
verarbeitet worden, nicht solche, die auch im Land hergestellt worden ist.
## Afrikanische Note
Axel Emmanuel holt aus einer Plastikbox bereits fertige Schokolade hervor:
kleine Pralinen in Zartbitter. Herbe Schokolade mit einem höheren
Kakaoanteil sei in der Elfenbeinküste generell beliebter, erzählt er.
Trotzdem hat er auch eine Rezeptur für weiße Schokolade entwickelt, um
einen geschmacklichen Gegensatz zu haben. Der Chocolatier arbeitet gern
damit. Dabei will er das, was in europäischen Regalen steht, nicht einfach
kopieren.
„Meine Schokolade soll immer auch ein afrikanisches Element haben.“ Er
zählt auf, was sich gut zum Mischen und Ausprobieren eignet. Ingwer
beispielsweise, Erdnüsse und Chili, die viele Kakaobauern in kleinen Mengen
heute auch auf ihren Plantagen anbauen. Pfeffer, Bananen und Reis
funktionieren ebenfalls. „Aber ich nutze auch Zutaten aus dem Ausland,
beispielsweise Butter aus der Bretagne oder Pistazien aus Kalifornien.“
In Form gegossen wird all das auf der großen braungrauen Arbeitsplatte aus
Granit. Wie die kleine Mühle macht sie optisch nicht viel her, doch der
Ivorer fährt zärtlich mit den Fingern darüber. Sie sorgt wie die
Klimaanlage für die passende Temperatur, damit sich die Schokolade gut
verarbeiten lässt. Angeschafft hat Axel Emmanuel dafür extra kleine
Förmchen aus Silikon und Plastik. Manchmal entstehen aber auch
100-Gramm-Tafeln aus der dunkelbraunen Masse, die allerdings noch nicht im
Supermarkt zu finden sind. „Dort sind wir noch nicht angekommen“, bedauert
Axel Emmanuel, zeigt aber gleichzeitig auf den Barcode einer bereits
eingepackten Schokolade. Er will vorbereitet sein.
## Andere ziehen nach
Seit einiger Zeit gibt es hierzulande immer mehr Schokolade „Made in Ivory
Coast“, zumindest in den Geschäften in Abidjan, der größten Stadt des
Landes. Früher lagen in den Regalen ausschließĺich importierte Produkte der
international bekannten Hersteller. Schlagzeilen machte im vergangenen Jahr
die französische Firma Cémoi. In den Zeitungen hieß es damals, die
Elfenbeinküste habe nun ihre erste Schokoladenfabrik. Von der Bohne bis zur
fertigen Tafel würde alles vor Ort produziert werden. An der Eröffnung von
Cémoi nahm sogar Präsident Alassane Ouattara teil.
„So ganz stimmt das aber nicht“, sagt Chocolatier Emmanuel. Denn ein
anderes Unternehmen ist bereits präsenter und länger am Markt: die 2010
gegründete ivorische Firma Professional Food Industry. Sie hat einen
Brotaufstrich im Sortiment, dessen Design verdächtig stark an Nutella
erinnert, sowie eine Reihe von Schokoladen unterschiedlicher
Geschmacksrichtung. Das kleinste Täfelchen von zehn Gramm kostet gerade
einmal 100 CFA (15 Cent) und ist damit für zahlreiche Menschen
erschwinglich.
„Noch vor zehn oder fünfzehn Jahren war die Region ohne Hoffnung, Und jetzt
sind die Wachstumsraten zweistellig“, sagt der einstige Banker
hoffnungsfroh, der 2015 mit dem Alassane-Ouattara-Preis für Jungunternehmer
ausgezeichnet wurde. Das bedeutet: „Wir haben eine steigende Mittelschicht,
die sich Schokolade leisten kann.“ Damit meint Emmanuel nicht nur die schon
heute für viele erschwinglichen Miniprodukte, sondern auch seine
handgemachten Pralinen in den kleinen Geschenkboxen.
## Nicht zu viel Zucker
Zweistellig ist die Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) für
die Elfenbeinküste im Jahr 2016 zwar nicht – sie liegt bei 8,5 Prozent.
Doch gerade in Abidjan gibt es inzwischen entlang der Rue de Jardins eine
Reihe von Cafés, wo sich einheimische Schokoladenprodukte in den
Kuchentheken gut machen würden. Vorausgesetzt, die Entwicklung hält an und
beschert der Stadt mehr Mittelschicht.
Axel Emmanuel hält es deshalb mit der Regierung. „Gerade erst hat sie
verkündet, dass die Zeit des Wandels gekommen ist.“ Ähnlich sieht es der
ghanaische Präsident John Dramani Mahama, der kürzlich meinte, Ghana und
die Elfenbeinküste sollten sich nicht mehr damit zufrieden geben, nur
Kakaobohnen anzubauen sondern Weltführer auch bei der
Schokoladenherstellung zu werden.
Axel Emmanuel will dazu beitragen. Er lässt den Blick durch die kleine
Küche schweifen, in der er in den kommenden Wochen und Monaten weiter an
seinen Produktion feilen will. „Die Mischung muss völlig ausgewogen sei“,
sagt er. „Ein hoher Kakaoanteil, nicht zu viel Zucker. So schmeckt die
perfekte Schokolade.“
12 Jun 2016
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Elfenbeinküste
Schokolade
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Kakao
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