# taz.de -- UN-Konferenz zur urbanen Zukunft: Die Verdopplung der Städte | |
> 2050 werden in den Metropolen der Welt mehr als sechs Milliarden Menschen | |
> leben. Bloß wie? Vor der UN-Städte-Konferenz lädt Berlin zur globalen | |
> Debatte. | |
Bild: Kein einziger Radweg zu sehen: Berlins diffuse Stadtplanung | |
BERLIN taz | Berlins Verkehrspolitik ist, nicht nur was Flughäfen angeht, | |
so eine Sache für sich. Immer mehr Menschen steigen hier aufs Fahrrad, doch | |
ein schlüssiges Konzept für sichere Radwege gibt es nicht. Überall kommen | |
sich Autofahrer und Radler ins Gehege. Die Bilanz 2015: 10 Tote, 618 schwer | |
verletzte Radfahrer. | |
Eine traurige Zahl. Doch angesichts der riesigen Probleme, vor denen die | |
Metropolen der Welt stehen, ein relativ einfaches Problem. Nach Zahlen der | |
Vereinten Nationen werden bis Mitte des Jahrhunderts doppelt so viele | |
Menschen in den Städten leben wie heute. Das sei, so heißt es im | |
Bundesentwicklungsministerium, „die größte Migrationsbewegung der | |
Menschheitsgeschichte“. Woher die Jobs, die Nahrung, die Infrastruktur, die | |
medizinische Versorgung, die Verkehrsmittel und die Wohnungen für diese | |
Menschen kommen sollen – eine fast unlösbare Aufgabe. Bereits heute leben | |
850 Millionen Menschen in Slums. | |
Sollten die Millionenmetropolen wie bisher weiter wachsen, würden allein | |
der zu verbauende Zement und Stahl so viel CO2 freisetzen, dass die | |
Klimaschutzziele von Paris nicht einzuhalten wären. Bis 2035 könnte die | |
Zahl der Pkws global von derzeit 900 Millionen auf 1,7 Milliarden steigen, | |
so die Internationale Energieagentur. | |
Um einen Kollaps von Natur und Infrastruktur zu vermeiden, müssen Städte | |
radikal neu gebaut werden. So sieht es der Wissenschaftliche Beirat Globale | |
Umweltfragen (WBGU) der Bundesregierung [1][in einem neuen Gutachten]. | |
Sonst drohen größere Slums, unregierbare Metropolen und Flüchtlingsströme, | |
gegen die das Bisherige ein Witz ist. | |
## Müllers „Doppelzüngigkeit“ | |
Um dem zu begegnen, veranstaltet die UNO im Oktober die sogenannte | |
[2][Habitat-III–Konferenz], die so nummeriert ist, weil es bereits zwei | |
Veranstaltungen dieser Art gab: 1976 und 1996. Ab Dienstag findet in Berlin | |
eine Treffen zur Vorbereitung statt. Bürgermeister Michael Müller (SPD) | |
wird sprechen, vermutlich viel von Klimaschutz und nachhaltiger Mobilität | |
erzählen. Und genau das erzürnt diejenigen in der Stadt, die sich für | |
bessere Radwege einsetzen: „Doppelzüngigkeit“ [3][wirft die „Initiative | |
Volksentscheid Fahrrad“ Müller vor]. | |
Rund 30 Städteplaner, Klimawissenschaftler und Mobilitätsforscher | |
kritisieren den Bürgermeister dafür, dass er die Abstimmungsregeln für | |
Volksentscheide erschwert habe, um [4][die Radwegepläne der Initiative] zu | |
torpedieren. „Als Wissenschaftler können wir nicht länger dabei zusehen, | |
dass die Politik ihrer Verantwortung nicht nachkommt. Der Regierende | |
Bürgermeister von Berlin ist so ein Beispiel“, schreibt Stephan Rammler vom | |
Institute for Transportation Design an der Hochschule Braunschweig, der die | |
Erklärung initiiert hat. Müller müsse Farbe bekennen, statt auf globalen | |
Konferenzen Absichtserklärungen zu formulieren. | |
Wie die Erklärung auf UN-Ebene ausfallen könnte, lässt sich schon jetzt | |
absehen. Wie bei UN-Verhandlungen üblich, wird an dem Dokument, das im | |
Oktober die große Transformation der Städte einleiten soll, bereits seit | |
geraumer Zeit gefeilt. [5][Ein erster Entwurf] enthält viele | |
Absichtserklärungen, aber wenig Konkretes. | |
Der WBGU beispielsweise schlägt durchaus konkrete Maßnahmen vor, die auch | |
das Entwicklungsministerium unterstützt. Kernidee ist, dass es keine | |
Blaupausen für Stadtentwicklung geben darf. Dafür sind Metropolen wie Kairo | |
oder Mexico City viel zu unterschiedlich. Vielmehr müssten Städte gestärkt | |
werden: Mehr Finanzmittel, mehr politischer Einfluss der Städte gegenüber | |
der Zentralregierung, Beteiligung der Bürger, bessere Behörden. | |
Vielleicht klappt das in Lagos oder Dakar. In Deutschland baut nicht mal | |
die Hauptstadt ordentliche Radwege. | |
31 May 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.wbgu.de/hauptgutachten/hg-2016-urbanisierung/ | |
[2] http://unhabitat.org/ | |
[3] https://volksentscheid-fahrrad.de/2016/05/30/wissenschaftler-fordern-regier… | |
[4] https://volksentscheid-fahrrad.de/ziele/ | |
[5] https://www.habitat3.org/node/529098 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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