# taz.de -- Wissenschaftsbeirat der Bundesregierung: „Da wäre dann mehr Wumm… | |
> Neun Wissenschaflter beraten die Regierung zu den Folgen der neuen | |
> Digitalökonomie. Sie wünschen sich einen gestaltenden Staat. | |
Bild: Durch den Hurrikan Harvey verursachte Überschwemmung: Extreme Wetterlage… | |
Berlin taz | Die globalen Umweltgefahren nehmen zu. Von den fünf größten | |
Risiken, gegen die sich die Menschheit in diesem Jahr wappnen sollte, sind | |
nach jüngster Auflistung im „Global Risks Report“ des | |
Weltwirtschaftsforums in Davos drei im ökologischen Bereich angesiedelt, | |
vor allem mehr extreme Wetterereignisse durch den Klimawandel. Für | |
Deutschland hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale | |
Umweltveränderungen (WBGU) die Entwicklungen im Blick. Derzeit beschäftigt | |
sich das Gremium aus neun Wissenschaftlern mit den Auswirkungen der | |
Digitalisierung auf die Nachhaltigkeit, in positiver wie in negativer | |
Weise. | |
Welche großen Veränderungen mit Wirkung auf die Umwelt zeichnen sich in der | |
Zukunft ab, und wie sollte Politik darauf reagieren? Das ist der Auftrag | |
der Beratungsgruppe, die von der Juristin Sabine Schlacke und dem | |
Politikwissenschaftler Dirk Messner geleitet wird. Die letzten | |
Hauptgutachten hatten die Zukunft der Weltmeere und das Wachstum der | |
Megacities zum Thema. Breitere Bekanntheit erlangte der WBGU mit seinem | |
Gutachten „Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ aus dem | |
Jahre 2011, in dem langfristige Umweltveränderungen mit gesellschaftlichen | |
Wandlungsprozessen zusammengeführt wurden. | |
„Dadurch wurde der Transformationsbegriff in der Politik salonfähig“, | |
blickt Maja Göpel auf die Wirkung der Studie zurück. Die Politökonomin ist | |
seit September die Generalsekretärin des WBGU und dirigiert in Berlin einen | |
Stab von zehn Mitarbeitern, die die monatlichen Beratungen des Beirats | |
inhaltlich vorbereiten und organisieren. „Die Digitalisierung ist die | |
Transformation, die derzeit mit einer rasenden Geschwindigkeit unsere | |
Gesellschaften verändert“, sagt Göpel, die zuvor beim Wuppertal-Institut | |
für Klima, Umwelt, Energie und beim Hamburger Zukunftsrat gearbeitet hat. | |
Gerade diese Dynamik der „digitalen Transformation“ macht aus ihrer Sicht | |
eine Bewertung durch das Fächerspektrum der nachhaltigen Entwicklung | |
dringend nötig. | |
Dabei geht es nicht nur um den enormen Energieverbrauch, den die neue | |
Digitalökonomie nach sich zieht. Wenn man sich vor Augen führe, wie große | |
Internetkonzerne in USA und China weitgehend unreguliert riesige Ressourcen | |
auf sich bündeln und ohne öffentliche Rechenschaftspflicht enormen Einfluss | |
auf die Gesellschaft ausüben, „dann ist das eine Grundfrage, der sich auch | |
die Nachhaltigkeit stellen muss“, sagt Göpel. | |
## Die Transformationskräfte | |
In letzten Jahr hat Maja Göpel ein Theoriebuch geschrieben, das auch ihre | |
praktische Arbeit beim WBGU beeinflussen dürfte. In „The Great Mindshift“ | |
(Der große Bewusstseinswandel) unternimmt sie den Versuch, die | |
Nachhaltigkeitsbewegung, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt | |
hat, mit den herrschenden ökonomischen Paradigmen zusammenzubringen. „Die | |
eine Seite hat sehr viel zu sagen, wie Veränderungen perspektivisch | |
geschehen könnten, und die anderen, was sich konkret ändern müsste“, | |
beschreibt sie ihren Ansatz, bei dem die an ihre Wachstumsgrenzen | |
gelangende Ökonomie als starker Hebel für die Verbreitung nachhaltiger, | |
zukunftsfähiger Handlungsformen dienen könnte. Wenn die | |
Transformationskräfte von beiden, Nachhaltigkeit und Wirtschaft, besser | |
zusammengebracht werden könnten, „da wäre dann mehr Wumms dahinter“, | |
kalkuliert die WBGU-Generalsekretärin. | |
Als Beispiel führt sie die Arbeit am neuen Hauptgutachten „Digitalisierung | |
und Transformation zur Nachhaltigkeit“ an, das bis zum Herbst | |
fertiggestellt sein soll. Darin wird es auch darum gehen, wie sich die | |
Digitalisierung positiv auf die Nachhaltigkeit auswirken kann – etwa durch | |
den Trend zur Immaterialisierung mit der Folge, dass weniger Stoffe und | |
Produkte physisch auf Verkehrswegen bewegt werden müssen. Oder wie | |
Smartgrids durch bessere Verbrauchssteuerung zu einer Senkung des | |
Energieverbrauchs führen können. Schließlich die Einführung neuer digitaler | |
Bezahlsysteme, die sich derzeit unerwartet stark auf dem afrikanischen | |
Kontinent verbreiten und im Verein mit anderen digitalen | |
Dienstleitungsangeboten auch zu einer neuen Aufwertung der ländlichen Räume | |
bei uns führen könnten. | |
Entscheidend sind die Rahmensetzungen, unter denen sich diese technischen | |
Entwicklungen auch zum Nutzen der Umwelt vollziehen können. „Wir vom WBGU | |
haben deshalb immer den gestaltenden Staat nach vorne gestellt“, | |
unterstreicht Maja Göpel. | |
Das ist momentan kein ganz einfaches Geschäft im politischen Berlin, wo bei | |
der Suche nach einer neuen Bundesregierung bisherige Klimaprinzipien ganz | |
nach hinten geschoben werden. Die WBGU-Bürochefin wird an dieser Stelle | |
diplomatisch: „Wir positionieren uns nicht zur Bundesregierung, weil wir | |
ein Beratungsorgan der Bundesregierung sind, egal wie sie aussieht.“ | |
## Agenda 2030 | |
Dennoch gestattet sie sich den Hinweis auf die aktuelle Stellungnahme eines | |
befreundeten Nachhaltigkeits-Netzwerks, dem Sustainable Development | |
Solutions Network Germany (SDSN Germany), dem auch WGBU-Vorsitzender Dirk | |
Messner angehört Das SDSN Germany hatte in der vergangenen Woche die | |
Koalitionsverhandler von CDU, CSU und SPD aufgefordert, in einem künftigen | |
Koalitionsvertrag die 2030 Agenda der Vereinten Nationen mit ihren 17 | |
Zielen nachhaltiger Entwicklung zentral zu verankern. „Mutige Politik | |
entlang der 2030 Agenda ist ein Innovations- und Transformationsprojekt“, | |
erklärte Dirk Messner. So könnten der technologische Wandel und die | |
Digitalisierung mit dem sozialen und ökologischen Wandel zusammen als | |
Querschnittsaufgabe gestaltet werden, in Deutschland und weltweit. | |
„Die Verantwortung für die lange Sicht kann Koalitionen bauen, die vorher | |
nicht möglich gewesen sind“, bemerkt Maja Göpel in einem nichtpolitischen | |
Sinn. Sie hat diese Erfahrung beim „Generationen-Manifest“ gewonnen, das im | |
vergangenen Herbst in einem breiten Bündnis von Persönlichkeiten aus | |
Kultur, Wissenschaft und Medien gestartet ist. Ihre Klammer ist die | |
Absicht, einen anderen Zukunftsdiskurs in Deutschland zu etablieren, der | |
auch die Interessen der zukünftigen Generationen mit einschließt. Mit | |
dabei ist der langjährige WBGU-Vorsitzende Hans-Joachim Schellnhuber, | |
Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). | |
Die zehn Kernforderungen des Generationen-Manifests lesen sich daher nicht | |
überraschend wie die Präambel eines „Großen Gesellschaftsvertrages“, der | |
zum Umstieg auf eine nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise nicht zu | |
formulieren ist. | |
4 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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