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# taz.de -- Theatermann Kroesinger ohne Förderung: Gern gerufen, wenn es heike…
> Der Theatermacher Hans-Werner Kroesinger ist bekannt für politische
> Themen. In Berlin erhält er nun keine Basisförderung mehr.
Bild: Der Regisseur Hans-Werner Kroesinger
Aufklärung ist seit Langem der Antrieb im Theater von Hans-Werner
Kroesinger. Das konnte man gerade wieder auf dem Theatertreffen sehen, wo
er mit seinem Stück „Stolpersteine Staatstheater“ eingeladen war. Wie so
oft war Aktenstudium und Archivrecherche der Ausgangspunkt der Produktion,
die am Badischen Staatstheater in Karlsruhe herausgekommen war und eine
Geschichte über das Haus erzählte. Es geht um Schauspieler, Dirigenten und
eine Souffleuse, die nach 1933 aus dem Ensemble verdrängt wurden, begründet
mit ihrer jüdischen Herkunft.
Auch wenn man von diesen „Säuberungen“ weiß, und dass keine Institution
davon ausgenommen war, ist es trotzdem erschütternd, von der Denunziation
der Künstler durch ihre Kollegen zu hören und von den Profiteuren ihres
Weggangs. Nicht zuletzt, weil die Floskeln der Propaganda von einer Kultur,
– von Deutschen für Deutsche –, die da so durchschlagend funktioniert
haben, heute wieder zu hören sind.
Für Kroesinger, der seit mehr als 20 Jahren für politisches
Dokumentartheater steht und gern beauftragt wird, wenn es um heikle Themen
der Geschichte geht – am Gorki-Theater in Berlin inszenierte er 2015 zum
Gedenken an den Völkermord an den Armeniern „Musa Dagh – Tage des
Widerstands“ –, bedeutete diese Einladung sicher noch einmal eine
Anerkennung seiner Arbeit. Doch gegen Ende des Festivals erfuhr er von
einer kulturpolitischen Entscheidung, die seine Arbeit in Zukunft sehr
erschweren wird.
Am 20. Mai teilte die Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheit mit,
welche Künstler auf Empfehlungen einer Jury für 2017/18 Basisförderung
erhalten. Kroesinger, der seit 2007 mit diesen Mitteln gearbeitet hat,
bekommt sie nicht mehr.
Für einen freien Theatermacher, der eben nicht nur Regie-Aufträge an Stadt-
und Staatstheatern übernehmen will, sondern viele Projekte mit eigenem
Ensemble entwickelt hat, ist das eine Katastrophe. Denn viele seiner
recherche-intensiven Arbeiten sind Koproduktionen, die erschwert werden,
wenn ein finanzieller Baustein wegbricht. Die HAU-Theater in Berlin zum
Beispiel, die seit 13 Jahren regelmäßig politisch relevante Stücke von
Kroesinger im Spielplan haben, sind auf solche Ko-Finanzierungen
angewiesen.
## Die Sprache der Entscheidungsträger
Seit 2007 konnte der Regisseur die Basisförderung, um die sich Künstler
alle zwei Jahre von Neuem bewerben müssen, nutzen. Damit ist zum Beispiel
2007 „History Tilt“ entstanden, die Rekonstruktion eines Prozesses gegen
einen jungen Armenier, der in Berlin einen der türkischen Drahtzieher des
Völkermordes erschossen hatte.
In „Failed States – Somalia“ (2012) ging es um die Geschichte und Ursachen
der Piraterie, in „FRONTex Security“ (2013) um die Abschottung Europas und
die Sicherheitsindustrie. Auch wenn Kroesingers Stücke oft die Anmutung von
Frontalunterricht haben, so ermöglichen sie doch eine gründliche und
differenzierte Beschäftigung mit ihren Themen, die über die tagespolitische
Aktualität hinausgeht. Das passiert gerade auch durch das genaue Hinhorchen
in die Sprache von Entscheidungsträgern.
Die Jury zur Basis- und Spielstättenförderung hat sich gegen ihn
entschieden, Kulturstaatssekretär Tim Renner ist ihrer Empfehlung in diesem
Punkt gefolgt.
## Es geht um 70.000 Euro
Es geht um 70.000 Euro, die einem Fördervolumen von 2.636.000 Euro
gegenüberstehen. Eine kluge Entscheidung ist das nicht, sie sieht mehr nach
dem Verspielen von künstlerischem Kapital aus, mit dem Berlin eher weiter
wuchern sollte.
Blickt man auf die Liste der 30 weiterhin geförderten Musik-, Tanz-,
Jugend- und Sprechtheater, ist da niemand, den man gegen Kroesinger
ausspielen möchte, viele kämpfen ähnlich lange um Mittel für jede einzelne
Produktion wie er. In zwei Entscheidungen weicht der Senat übrigens von den
Empfehlungen der Jury ab, beide sind zu begrüßen. Sie betreffen das Kinder-
und Jugendtheater, dessen Vernachlässigung in der Förderung zuletzt
vielfach kritisiert wurde. Das Puppentheater Hans Wurst Nachfahren und das
Musiktheater Atze, beide von der Jury übergangen, erhalten für 2017/18
Mittel im Rahmen der Basisförderung. Für das Musiktheater Atze hatte sich
das Abgeordnetenhaus eingesetzt.
Tim Renner sagte dazu: „Aus kulturpolitischen Gründen gab und gibt es
Ausnahmefälle, in denen wir vom Votum der Jury abweichen“. Man hätte sich
von ihm und der Jury auch mehr „kulturpolitischen“ und politischen
Weitblick im Falle von Hans-Werner Kroesinger gewünscht.
30 May 2016
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Theatertreffen Berlin
Kulturpolitik
Tim Renner
Dokumentartheater
Freies Theater
Politisches Theater
Frontex
Theater
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