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# taz.de -- Politiker ohne Politikerfahrung: Gut gemanagt ist halb regiert
> In Österreich ist der Bahn-Chef Kanzler geworden. Sind Manager in der
> Politik bedenklich oder längst Normalität?
Bild: Nicht links, nicht rechts, sondern auf der Bühne
In Österreich soll nach dem Rücktritt von Werner Faymann (SPÖ) nun
Christian Kern als Quereinsteiger das Vertrauen der enttäuschten Wähler
zurückgewinnen. Wie ist das zu bewerten? Die taz-Redaktion debattiert
darüber – und dokumentiert darum eine Diskussion zwischen zwei
RedakteurInnen.
Daniél Kretschmar: Wir schauen hier nicht unbedingt auf einen Politiker
neuen Typs. Aber dass der von jeder politischen Erfahrung unberührte
„Experte“ für hohe und höchste Staatsämter geeignet sein soll, hat eine
neue Qualität. Wir wollen anscheinend keine linken und rechten Parteien
mehr kennen, sondern wünschen uns apolitische Spezialisten. Fehlt
eigentlich nur noch der Kaiser.
Andrea Scharpen: Quereinsteiger in der Politik? Gab’s schon immer. Rund
zehn Prozent der Abgeordneten im deutschen Bundestag haben keine klassische
Parteikarriere hinter sich, sondern sind aus ihrem Beruf ins Parlament
gewechselt. Das ist sogar wünschenswert, weil es die Demokratie belebt,
wenn Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen politische Entscheidungen
treffen. Allerdings hat es weder in Deutschland noch in Österreich jemals
einen Kanzler gegeben, der von einem Managerposten ins Amt gewechselt ist.
Kretschmar: Wozu auch, wir haben ja bereits eine Kanzlerin, die ganz ohne
Managerkarriere jegliche politische Willensäußerung vermeidet und quasi
überpolitisch auf das niedere Volk aus SPD und CSU herabschaut. Damit wird
Deutschland von einer Expertin regiert, die in kein Rechts-links-Schema
passen will. Was das mit der politischen Diskussionskultur macht, kann man
sich im Bundestag anschauen. Wenn man lange genug wach bleibt.
Scharpen: Ist es dir egal, wer da sitzt?
Kretschmar: Im Moment ja. Eine Gesellschaft polarisiert sich vor laufenden
Kameras, ob bei Pegida in Dresden, bei TTIP in Hannover oder bei
Anti-Kohle-Protesten in der Lausitz. Und die parlamentarische Vertretung
lässt sich derweil von Rechtspopulisten die Agenda diktieren. Da ist es
natürlich ehrlicher, gleich ausgewiesene Technokraten zu berufen und uns
allen diese Lächerlichkeit von Wahlkampf zu ersparen.
Scharpen: Das klingt ganz schön verbittert. Die Mischung im Parlament ist
wichtig, damit am Ende ordentliche Entscheidungen rauskommen. Den
Kanzlerposten mit einem Manager zu besetzen, halte ich trotzdem für falsch.
Der österreichische Kanzler braucht gerade in der schwierigen Situation mit
der starken FPÖ im Land Rückhalt in seiner Koalition. Außerdem ist es etwas
anderes, ob man ein Unternehmen führt oder ein Land – weil es hier nicht um
Gewinne geht, sondern um das Allgemeinwohl.
Kretschmar: Auch, ja. Mein Problem ist aber, dass das parlamentarische
System nicht mehr dazu benutzt wird, unterschiedliche Vorstellungen von
Gesellschaft auszuhandeln, sondern dafür, zu bestimmen, welche Manager am
ehesten geeignet sind, ein vorgeblich über allem schwebendes Allgemeinwohl
durchzusetzen. Das ist eine völlig apolitische Herangehensweise an Politik.
Ich wäre für weniger Parteisoldaten und Experten, dafür aber für mehr
Politik.
Scharpen: Also mehr echte Diskussion im Parlament? Klingt super, würde die
Arbeit des Bundestags aber blockieren. Diskutiert wird nun mal hinter den
Kulissen. In den Ausschüssen können Experten befragt, Akten gewälzt und am
Ende kann ein Kompromiss gefunden werden. Das ist nicht so spannend wie
eine hitzige Debatte zwischen charismatischen Politikern, die für ihre
Ideale kämpfen, macht den Politik-Apparat aber funktionsfähig.
Kretschmar: Kern funktioniert ja ganz super. Besetzt noch vor seiner
Vereidigung zwei Ministerien mit „Experten“ (Kultur und Bildung). Das hat
er sich wohl in Kroatien und Slowenien abgeschaut, wo Parteien wie die
„Brücke unabhängiger Listen“ und die „Partei des modernen Zentrums“ d…
Entpolitisierung der Politik vorantreiben. In gewisser Weise kann man von
einer Balkanisierung der österreichischen Innenpolitik sprechen. Derweil
werden überall die Rechtspopulisten und Protofaschisten stärker. Was also
tun?
Scharpen: Sich klar von ihnen zu distanzieren ist jedenfalls das Minimum.
18 May 2016
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
Andrea Scharpen
## TAGS
Demokratie
Österreich
Christian Kern
Schwerpunkt Angela Merkel
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SPÖ
Gender Studies
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