# taz.de -- Österreichs neuer Bundeskanzler Kern: New Deal fürs Alpenland | |
> Ex-Bahnmanager Christian Kern wird als sozialdemokratischer Bundeskanzler | |
> in Wien vereidigt. In den Schlüsselfragen zeigt er sich pragmatisch. | |
Bild: Happy: Christian Kern | |
Wien taz | Der neue Mann nimmt kein Blatt vor den Mund. Der Sozialdemokrat | |
Christian Kern stellt sich seiner neuen Aufgabe, weil er dieses „Schauspiel | |
der Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit“ nicht mehr mit ansehen | |
konnte. Deutlicher kann man seinen Vorgänger nicht kritisieren. Gemeint ist | |
aber auch der Koalitionspartner, dem Kern einen „New Deal für Österreich“ | |
vorschlug. Man werde der Österreichischen Volkspartei einen Plan | |
vorschlagen, der das Land bis 2025 wieder „auf die Überholspur“ bringen | |
soll. | |
Der Vorstand der SPÖ hat Christian Kern am Dienstagvormittag zum neuen | |
Parteivorsitzenden bestimmt. Am Nachmittag vereidigte ihn Bundespräsident | |
Heinz Fischer als neuen Bundeskanzler. Die einzige Gegenstimme im | |
70-köpfigen Parteivorstand kam von Fiona Kaiser, der Vorsitzenden der | |
Sozialistischen Jugend, die grundsätzlich gegen einen Manager an der | |
Parteispitze ist. Der 50-jährige Chef der Bundesbahnen (ÖBB) gilt gerade | |
wegen seiner Managerqualitäten als Mann der Stunde, der die | |
Sozialdemokraten aus ihrer Krise holen soll. | |
In seiner ersten Pressekonferenz zeigte er sich darauf bedacht, die | |
Stehsätze, mit den Politiker gerne ihre Ratlosigkeit kaschieren, zu | |
vermeiden. Kern spricht nicht von einem „Flüchtlingsproblem“, sondern von | |
der Asylfrage und macht damit anschaulich, was er verändern will. Es gehe | |
darum, „den Menschen die Sorgen und Ängste zu nehmen“, nicht, sie zu | |
verstärken. Der Schwerpunkt müsse auf Integration liegen, europäische | |
Solidarität sei gefragt. Die umstrittene Obergrenze für Asylanträge stellt | |
er aber nicht in Frage. | |
Ähnlich sein Zugang zur Gretchenfrage „Wie hältst du’smit der FPÖ?“. S… | |
Ausschluss jeder Koalition mit den rechtspopulistischen Freiheitlichen soll | |
ein Kriterienkatalog gelten. Rassismus und Hetzen gegen Menschen oder | |
Minderheiten seien jedenfalls Ausschlussgründe. „Am Ende werden Grundsätze | |
vor nacktem Machterhalt gehen müssen.“ Wem Kern bei der | |
Bundespräsidentenwahl am Sonntag seine Stimme geben wird, wissen wir jetzt | |
auch: Alexander Van der Bellen. | |
Mit der Kabinettsumbildung innerhalb des SPÖ-Teams hat Kern Akzente | |
gesetzt, die auf eine Stärkung der eher links positionierten Wiener | |
Landesgruppe hinausläuft. So wird Thomas Drozda, Generaldirektor der | |
Vereinigten Bühnen Wien, neuer Kanzleramts- und Kulturminister. Seinen | |
Stallgeruch holte er sich vor über 20 Jahren als Berater im Büro des | |
damaligen Bundeskanzlers Franz Vranitzky. | |
Sonja Hammerschmid kommt neu ins Bildungsministerium. Sie war mit ihrer | |
Ernennung zur Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität im Jahre 2010 | |
die erste Frau an der Spitze einer Hochschule. Seit vergangenem Januar | |
stand sie der Universitätenkonferenz vor, vertrat also alle Hochschulen des | |
Landes. Die Quereinsteigerin hat auch ein intaktes Arbeitsverhältnis zur | |
ÖVP. Die Frauenagenden wandern zu Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, | |
die ihr Amt behält. | |
Die größte Überraschung ist die 37-jährige Muna Duzdar als neue | |
Staatssekretärin im Finanzministerium. Die Tochter palästinensischer | |
Einwanderer ist in Wien aufgewachsen und spricht Arabisch so gut wie | |
Deutsch. Die Muslimin ist nicht nur ein Signal an den linken Parteiflügel, | |
sondern auch an die Migrantengemeinde. | |
17 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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