# taz.de -- Tagung zu Rechtsextremismus im Netz: Fortbildung für Propagandakri… | |
> Ist es Dummheit, Satire oder geklaut? Die Tagung „Theater und Netz“ | |
> untersuchte Inszenierungen von Rechtspopulisten. | |
Bild: Szene aus „Fear“ von Falk Richter an der Berliner Schaubühne | |
Ist das jetzt Parodie? Oder ernst gemeinte Propaganda? Arne Vogelgesang, | |
Regisseur und Internetforscher, hat einen Film zusammengestellt mit | |
Material aus gefundenen Werbebotschaften. „Komm zum IS und verteidige den | |
Islam!“ – „Komm zu den Identitären und verteidige deine Heimat!“ | |
Das Verblüffende ist, dass die Performance so offensichtlich aus geliehenen | |
Posen, geklauter Musik, abgenutzten Sätzen und stereotyper Schnitttechnik | |
zusammengesetzt ist, dass die Bilder eher nach Satire auf Extremismus | |
aussehen denn als ernst gemeinte Appelle. Schließlich ist Arne Vogelgesang | |
Künstler. | |
Diesmal muss er seine Lecture zeitlich begrenzen. „Medienkompetenztraining | |
für Propaganda-Einsteiger“ ist sie übertitelt und Teil der vierten Tagung | |
„Theater und Netz“, die von der Heinrich Böll Stiftung und dem | |
Internetportal Nachtkritik veranstaltet wird. Thema diesmal: „(Digitale) | |
Bühnen des Extremismus“. | |
Extremismus zu unterschätzen, weil er sich Klischees bedient und geklauter | |
Ideen; ihm ob des Unoriginären auch Dummheit zu unterstellen ist | |
gefährlich. Davor warnt Vogelgesang und belegt, wie Botschaften sich | |
ausbreiten über Copy & Paste. Wie dabei auch Verunsicherung, ob als Satire | |
oder ernst gemeint, Teil der Strategie sein kann. Wer sonst einen Bogen um | |
rechte Propaganda und als Scherzkekse getarnte Demagogen macht, konnte hier | |
etwas lernen. | |
## Satire ist Teil der Strategie | |
Aus der Perspektive des Nichts-damit-zu-tun-haben-Wollens und Vermeidens | |
hat der Regisseur und Autor Falk Richter seinen Text zu „Fear“ entwickelt | |
und an der Schaubühne inszeniert. Das Material dafür hat er etwa in Blogs | |
und Kommentarspalten gesammelt. Da sprechen besorgte Eltern, die | |
Evangelikalen oder Pegida. | |
Ihr Sprachduktus ist stets erregt, die Sprechenden situieren sich auf der | |
Opferseite, auf dem Weg in den Widerstand. Sie nehmen sich die Rolle der | |
Opposition. Weil es darin auch um die Rhetorik der AfD ging, | |
rechtspopulistische Thesen und ihre Urheber benannt wurden, hatten Richter | |
und die Schaubühne nach der Premiere nicht nur eine Flut von Drohmails am | |
Hals, von Forderungen, Richter jegliche Subvention zu entziehen, bis zu | |
Morddrohungen, sondern auch eine juristische Klage von Beatrix von Storch. | |
Sie wurde inzwischen abgewiesen. Bei diesem „Theater nach dem Theater“, so | |
nannte das Christian Römer von der Heinrich Böll Stiftung, bestätigten sich | |
die unfeinen Methoden der Gegner, ihre beharrlichen Wiederholungen von | |
Unwahrheiten, ihre Inszenierung als Opfer, sehr deutlich. | |
Das Theater scheint als Ort von Öffentlichkeit und Reflexion doch nur ein | |
kleiner Raum, verglichen mit der digitalen Sphäre. Ging es in früheren | |
Tagungen von „Theater und Netz“, wie Esther Slevogt, Initiatorin vonseiten | |
der Nachtkritik schildert, noch um das Internet als Instrument für die | |
Öffentlichkeitsarbeit der Bühnen und für neue ästhetische Möglichkeiten, so | |
hatte sich der Fokus diesmal weit geöffnet. Auch deshalb, weil man sich | |
einer Auseinandersetzung mit den Inszenierungsformen des rechten | |
Extremismus und Populismus nicht mehr entziehen kann. | |
## Versäumnisse etablierter Parteien | |
Was dagegen zu setzen sei, im Theater, im Journalismus, das diskutierte | |
Römer mit der Journalistin Carline Mohr, dem netzpolitik-Redakteur Markus | |
Reuter und Richter. Eigene Diskurse und Sehnsuchtsbilder dagegenhalten, | |
Themen wie Europa zurückerobern, hält Falk Richter für notwendig. | |
Dass da viel Terrain von den etablierten Parteien vernachlässigt wurde und | |
ihnen jetzt die Instrumente fehlen, gegen den Populismus zu argumentieren, | |
ja überhaupt erst mal Bewusstsein für die Differenzierung zwischen | |
populären und populistischen Bewegungen herzustellen, war auch Thema der | |
ersten Diskussion zwischen dem Grünen Politiker Jürgen Trittin und dem | |
Regisseur Nicolas Stemann gewesen. | |
Auch die Internet-Experten markierten im Gespräch „Die offene | |
Netzgesellschaft und ihre Feinde“ viele Baustellen, an denen man nicht so | |
gut weiterweiß. Wie wehrt man sich gegen Trolle, wann ist es notwendig, | |
Kommentarspalten zu schließen, wie filtert man die heraus, die noch | |
Argumenten zugänglich sind, wie viel Energie will man dem „Hass auf allen | |
Kanälen“ denn widmen? Mit welchen Haltungen kann man die Erregungskurven | |
aushebeln? Die Fragen blieben nachdrücklich im Raum. Und sie blieben offen. | |
Obwohl alle Antworten zu finden für notwendig hielten. | |
10 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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