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# taz.de -- Eltern-Kind-Kuren: Kämpfen um die Kur lohnt sich
> Immer mehr Mütter und zunehmend auch Väter wollen ihren Rechtsanspruch
> auf eine Kur bei Erschöpfung einlösen. Dadurch verlängert sich die
> Wartezeit für alle
Bild: Mütter und Kinder kuren im Ostseebad Boltenhagen.
Bremen taz | Nur ein Drittel aller Kuren für erschöpfte Mütter und Väter
werden von den Krankenkassen bewilligt – darauf weist jetzt das
Müttergenesungswerk in Bremen hin. Mit ihrer Hilfe beim Formulieren des
Widerspruchs bekämen die meisten zwar dann doch einen positiven Bescheid,
sagt Claudia Kronsbein. Sie arbeitet beim Sozialdienst katholischer Frauen,
der Beratungsstelle des Müttergenesungswerks und berät Eltern bei der
Antragsstellung und der Auswahl der Kurklinik.
200 persönliche Gespräche führt sie im Jahr, 1.000 mal informiert sie
jährlich am Telefon, auch ÄrztInnen oder andere Beratungseinrichtungen.
„Die Nachfrage ist sehr hoch“, sagt Kronsbein, deshalb gebe es Wartezeiten
bis zu einem halben Jahr, je nachdem, wie begehrt eine Einrichtung ist.
Die meisten positiven Rückmeldungen bekomme sie aus kleinen, persönlich
geführten Kurkliniken, sagt Kronsbein. Zwischen 25 und 50 Mütter nähmen
etwa die Häuser auf, die das Genesungswerk selbst betreibt. „Die Frauen
sagen mir, sie fühlten sich dort gesehen.“ Andere Kurkliniken hingen bieten
über 100 Plätze für Erwachsene – plus Kinder.
Nicht immer aber können sich Kurinteressierte die Klinik aussuchen, weil
viele Krankenversicherungen nur für Einrichtungen zahlen, mit denen sie
Verträge abgeschlossen haben. „Das dürfen sie, auch wenn es dem Wahlrecht
widerspricht“, sagt Kronsbein. Manchmal aber lohne sich „der Kampf mit der
Kasse“, wie die Beraterin es nennt, dann akzeptiere die Versicherung doch
die Begründung, warum eine Antragstellerin eine bestimmte Kur in einer
Klinik brauche. Das sei letztendlich auch im Interesse der Kasse, sagt
Kronsbein. „Der Kurerfolg hängt maßgeblich von der Zufriedenheit ab.“
Mittlerweile würden sich auch Väter zunehmend für die Eltern-Kind-Kuren
interessieren, hat Kronsbein erlebt. „Es gibt viele Alleinerziehende oder
die Mutter der Kinder ist krank.“ Es gibt allerdings nach ihrem Wissen nur
eine einzige Klinik, die Kuren nur für Männer und ihre Kinder anbietet,
eine weitere habe Kuren für Väter ohne Kinder im Programm.
Nach einer Trennung von der Mutter seiner beiden Kinder habe er sich nur
eine Kur „unter Männern“ vorstellen können, erzählt ein Vater, der anonym
bleiben möchte. „Die meisten anderen Väter waren in einer ähnlichen
Situation wie ich oder waren verwitwet“, sagt er. Und dass er jetzt, ein
halbes Jahr später, immer noch von der gemeinsamen Zeit zehren könne.
Kronsbein rät davon ab, gemeinsam mit dem Partner oder der Partnerin zu
fahren – oder mit Freundinnen oder der Schwester. „Es fällt leichter, sich
auf die Angebote und die anderen Eltern einzulassen, wenn man alleine ist.“
Eine Ausnahme seien Kuren für Eltern von behinderten Kindern, die alleine
zu anstrengend wären.
Weil die Krankenversicherungen einen Eigenanteil verlangen, auch von
SozialhilfeempfängerInnen, und nicht alle Kosten übernehmen, die vor Ort
etwa für Schwimmbadbenutzung, Ausflüge und Radverleih anfallen, sammelt das
Müttergenesungswerk bis zum 15. Mai Spenden. Schirmherrin ist Alexia
Sieling, die Ehefrau von Bürgermeister Carsten Sieling (SPD). „Als
berufstätige Mutter von drei Kindern kenne ich die Herausforderungen im
Alltag sehr gut und weiß, dass Frauen dem Druck der dauerhaften
Mehrfachbelastung – oftmals als Alleinerziehende – ausgesetzt sind“, sagt
sie.
Wie gut eine Kur tut, hat die Breminale-Macherin Susanne von Essen erlebt.
Die selbständige Kulturmanagerin ist Mutter von drei Kindern zwischen sechs
und 14 und war im November erstmals drei Wochen auf Kur. „Daran gedacht
habe ich immer mal“, erzählt die 44-Jährige, „aber als Freiberuflerin
denkst du immer, ‚ach, da geht noch was‘.“
Was sie am meisten erstaunt hat, war die positive Reaktion aller, denen sie
vorher davon erzählt hat. „Da kam nicht einmal ein blöder Spruch nach dem
Motto ‚das hast du doch gar nicht nötig‘.“ Auch in der Schule ihrer beid…
jüngeren Kinder habe sie gehört „oh, toll, genießen Sie die Zeit“. Im
Nachhinein frage sie sich, warum sie das nicht viel früher gemacht hat. „In
Deutschland gibt es einen Rechtsanspruch auf eine Kur, das ist eine echte
Anerkennung der Leistung von Eltern.“
1 May 2016
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Bremen
Eltern
Kinder
Krankenkassen
Leben mit Behinderung
Cannabis
Jugendliche
Armutsbericht
Pflege
Verhütung
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