# taz.de -- Jugendliche und Drogen: Auf ein Bier mit Papa | |
> Eine Studie unter Berliner SchülerInnen zeigt: Kiffen ist zwar „angesagt“ | |
> – aber nur wenige tun es tatsächlich. Alkohol ist dagegen häufiger | |
> verbreitet. | |
Bild: Trink, Kind: Zehn Prozent der Zwölfjährigen konsumiere „anlassbezogen… | |
Abiturklasse 2005, niedersächsische Provinz: Am Wochenende hat man die Wahl | |
zwischen dem Zeltfest der örtlichen Feuerwehr und der Großraumdisko an der | |
Landstraße auf halbem Weg nach Bremen. „Vorgeglüht“ wird bei den Eltern zu | |
Hause, mit Jägermeister (die Mädchen) oder Korn (die Jungs). Es gibt exakt | |
zwei Schüler in der Oberstufe, die Cannabis rauchen. Die Mädchen finden’s | |
sehr verboten und sehr aufregend. Die Lehrer warnen, sie würden noch „unter | |
einer Brücke in Berlin“ enden. | |
In ebendieser Stadt hat nun das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg eine | |
Studie veröffentlicht. Im Rahmen eines bezirksübergreifenden | |
Präventionsprojekts hat man rund 1.500 SchülerInnen im Alter zwischen elf | |
und 16 Jahren gefragt: Wie haltet ihr’s mit den Drogen? Und vor allem: Was | |
ist denn gerade eigentlich angesagt bei euch? Das Ergebnis: Die | |
niedersächsischen SchülerInnen von damals hätten sich auch an einer | |
Berliner Schule gut integriert. Denn Kiffen ist zwar cool, aber Alkohol | |
wird konsumiert. | |
Demnach gibt beinahe die Hälfte der befragten Jugendlichen aus den Bezirken | |
Friedrichshain-Kreuzberg, Steglitz-Zehlendorf und Pankow an, schon mal | |
Alkohol „probiert“ zu haben. Etwa 40 Prozent trinken „gelegentlich“, da… | |
14 Prozent „mehrmals im Monat“. Einen Joint drehen sich demzufolge gerade | |
mal drei Prozent der Jugendlichen „mehrmals im Monat“ – dagegen hält etwa | |
die Hälfte der SchülerInnen Kiffen für „angesagt“. | |
Nun kann man sagen: Wie schön, da wirft diese kleine Studie doch so manches | |
aus der Ferne gepflegte Klischeebild über die Großstadtjugend über den | |
provinziellen (Mist-)Haufen – auch wenn die Studie bei berlinweit über | |
420.000 SchülerInnen natürlich nicht repräsentativ ist. | |
## Die Eltern leben es vor | |
Weniger schön präsentiert sich die Kehrseite dieser Erkenntnis. Denn auch | |
wenn in Berlin tatsächlich mehr SchülerInnen das Kiffen zumindest einmal | |
ausprobiert haben – die Bezirksstudie kommt auf 18 Prozent, der | |
Bundesschnitt liegt laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung | |
bei zehn Prozent: der Alkohol ist, ob Dorf- oder Stadtjugend, das größere | |
Problem. | |
Und zwar nicht, weil die Zahlen so wahnsinnig alarmistisch wären. Der | |
aktuellste Drogen- und Suchtbericht der Senatsverwaltung für Gesundheit von | |
2014 zeigt sogar, dass Berliner SchülerInnen im bundesweiten Vergleich | |
innerhalb eines Monats nicht nur weniger oft tranken, auch das berüchtigte | |
„Komasaufen“ ist hier weniger angesagt als im Rest der Republik. Die Fälle, | |
wo Jugendliche wegen einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert | |
werden mussten, gehen seit 2009 insgesamt zurück. | |
Verstörender ist da schon die Erkenntnis, wo die Kinder zum ersten Mal am | |
Bierglas nippen: Bei etwa einem Viertel geben die Eltern die erste Runde | |
aus. „Es gibt offenbar eine ausgeprägte Toleranz der Eltern gegenüber dem | |
Probierkonsum ihrer Kinder“, stellt die Studie fest. Gruppenzwang, | |
jugendliche Neugierde: alles nebensächlich. Immerhin zehn Prozent der | |
Zwölfjährigen dürfen regelmäßig „anlassbezogen“ trinken: Sekt zu Silve… | |
den Rest aus Papas Bierglas. | |
## Omas Eierlikör, Opas Bierglas | |
Ist es nun spießig, da den moralischen Zeigefinger zu erheben? Den eigenen | |
Kindern den Eierlikör von Omas Sahnetorte zu kratzen und ihnen die | |
Schaumkrone aus Opas Bierglas zu verweigern? Das mag man vielleicht so | |
sehen. Dennoch: Es ist interessant, dass verhältnismäßig viele Jugendliche | |
mehr oder weniger regelmäßig trinken, obwohl es eigentlich gar nicht so | |
wahnsinnig cool zu sein scheint. Weil es etwas über die gesellschaftliche | |
Akzeptanz aussagt, die Alkohol hat – und Cannabis nicht. | |
Und jetzt? Überlegt man im Bezirksamt, was man mit den Ergebnissen | |
eigentlich anfangen soll. Denn Aufklärungskampagnen, so eine weitere | |
Erkenntnis, beeinflussen das Trinkverhalten der Jugendlichen offenbar kaum. | |
Im Umkehrschluss will man nun überlegen, „Positivbotschaften“, sprich: | |
Werbung, zu verbieten. Die Lobby dagegen dürfte groß sein. Aber die | |
Prioritätensetzung ist richtig. | |
25 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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