# taz.de -- Vorwürfe gegen Bremer Pastoren: Mit Grüßen vom Antisemiten | |
> Ein Pastor nennt sich in einer E-Mail an einen Journalisten der | |
> „Jerusalem Post“ selbst „Antisemit“. Ironie, sagt er später – | |
> „Antisemitismus“ sagt das Simon Wiesenthal Center. | |
Bild: Auch nur ironisch? Boykott-Aktion 2011 vor einem Supermarkt in Bremen | |
BREMEN taz | Dass Bremen international für Aufsehen sorgt, ist selten. Am | |
Donnerstag allerdings schaffte es der Vegesacker Pastor Volker Keller, im | |
fernen Los Angeles beachtet zu werden: Abraham Cooper, stellvertretender | |
Leiter des Simon Wiesenthal Centers, befasst sich mit einer Mail, die | |
Keller an den israelischen Journalisten Benjamin Weinthal geschickt hatte. | |
Keller habe sich antisemitisch geäußert, schreibt Cooper. Er solle sich bei | |
der Kirche und der jüdischen Community entschuldigen – oder gehöre | |
gefeuert. | |
Was war passiert? Volker Keller ist Gemeindepastor in Bremen-Nord, | |
Beauftragter für interreligiösen Dialog der Bremischen Evangelischen Kirche | |
und deren Vertreter im Rat für Integration. In einer Mail hatte er sich an | |
Weinthal, den Europa-Korrespondenten der Tagszeitung Jerusalem Post, | |
gewandt: „Sehr geehrter Herr Weinthal!“, schreibt Keller darin. „Gestern | |
Abend hat der Antisemit Arn Strohmeyer einen Vortrag bei mir gehalten. Sie | |
haben mir kein Ultimatum gesetzt, sie haben mich nicht einmal beschimpft.“ | |
Das nächste Mal würde er Weinthal „vor einem antisemitischen Vortrag | |
informieren“, schreibt er weiter; unterschrieben ist der Brief: „Mit besten | |
Wünschen nach Israel, Ihr Volker Keller, Antisemit“. | |
Hintergrund ist ein Konflikt um einen geplanten Auftritt des Bremer | |
Publizisten Arn Strohmeyer im Bürgerhaus Weserterrassen: Weinthal hatte | |
sich deswegen an den Leiter des Bürgerhauses gewandt und Strohmeyer | |
Antisemitismus vorgeworfen. Der Hausherr sagte die Veranstaltung daraufhin | |
kurzfristig ab, erklärte aber auch, die Mail des Journalisten als „Druck | |
empfunden“ zu haben. Inzwischen wurde die Veranstaltung nachgeholt. | |
Arn Strohmeyer ist Aktivist der Israel-Boykott-Bewegung und hatte es schon | |
einmal mit einer Aktion in die internationale Presse geschafft: Im März | |
2011 forderten einige Aktivisten aus dem Umfeld des Bremer Friedenforums | |
vor einem örtlichen Supermarkt Kunden mit Schildern dazu auf, keine | |
Produkte aus Israel zu kaufen. Teil nahmen an der Aktion auch Aktivisten | |
der Initiative „Nord-Bremer Bürger gegen den Krieg“, die wiederum von | |
Pastor Keller mitgegründet worden ist. | |
Dass er den Brief an Weinthal tatsächlich so geschickt habe, bestätigte | |
Keller gegenüber der taz. In einer Erklärung schreibt er, er habe | |
„karikierend“ auf dessen „Vorgehensweise reagiert, Arn Strohmeyer als | |
Antisemiten zu bezeichnen“. Auch nennt Keller sein Schreiben eine | |
„Spottmail“: „Das Gegenteil des Gesagten war gemeint“, so Keller. „Ich | |
bedaure dies inzwischen, da sich der Antisemitismus für eine ironische | |
Entgegnung nicht eignet.“ Eine nicht autorisierte Veröffentlichung könne zu | |
weiteren Missverständnissen führen. | |
Er sei kein Antisemit, so Keller weiter, „für mich gilt uneingeschränkt das | |
Existenzrecht Israels“. Gerade erst ei er mit Kirchenvorstehern von einer | |
Israel- und Palästinareise zurückgekehrt. „Wir sehen den Siedlungsbau und | |
die Besatzung kritisch – genau wie Arn Strohmeyer.“ Auch der aber sei kein | |
Antisemit. | |
Inzwischen hat sich auch die Kirche zu dem Vorfall geäußert. „Die Bremische | |
Evangelische Kirche distanziert sich von jeder Form des Antisemitismus und | |
tritt klar für das Existenzrecht Israels ein“, heißt es in einem Schreiben | |
von Schriftführer Renke Brahms. Mit der „Spottmail“ habe Keller ausdrücken | |
wollen, dass er kein Antisemit sei und fühle sich zu Unrecht als solcher | |
diffamiert. „Die Wahl dieser Form war außerordentlich missverständlich“, … | |
Brahms weiter, „und ist aus unserer und auch aus Herrn Kellers Sicht für | |
dieses Thema vollkommen unangemessen“. | |
Auf die Veranstaltung der Kirchengemeinde in Vegesack habe die Landeskirche | |
keinen Einfluss. „Gleichwohl bin ich der Auffassung, dass es bei sensiblen | |
Themen zielführender ist, kontroverse Ansichten nicht in einer Lesung zu | |
präsentieren, sondern auch kontrovers zu diskutieren“, schreibt Brahms. | |
Beim Thema Nahostkonflikt seien bei der Auswahl der | |
Veranstaltungsteilnehmer „großes Fingerspitzengefühl und Ausgewogenheit | |
gefragt“. | |
Für Weinthal ist das zu wenig. „Ich finde es erschreckend, dass es in | |
Bremen für diese Gruppe von Aktivisten keinen Gegenwind gibt“, sagte er der | |
taz. Bremen sei „eine Hochburg des modernen Anti-Semitismus“. Die | |
Motivation von Kellers Schreiben sei es gewesen, Antisemitismus zu | |
verharmlosen. Der Journalist spricht von „Schuld-Abwehr-Antisemitismus“: | |
Statt um Kritik gehe es den Aktivisten darum, Israel abzuschaffen. | |
22 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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