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# taz.de -- Israelkritik: Wie ein Kopfgeldjäger
> „Jerusalem Post“-Korrespondent Benjamin Weinthal hat hier Konsequenzen
> gegen vermeintliche Antisemiten gefordert. Der Psychologe Rolf Verleger
> widerspricht
Bild: Ein jüdischer Staat in Baden-Württemberg wäre vielleicht auch keine L�…
Ben Weinthal traf ich vor neun Jahren. Für das jüdische US-Magazin Forward
schrieb er damals einen objektiven Bericht über meine Initiative
Schalom5767 und zitierte darin ihre Kernaussage: „Das Grundübel ist die
seit 1967 andauernde israelische Besetzung palästinensischen Gebiets.“
Danach muss etwas mit ihm passiert sein. Er wirkt jetzt wie ein
Kopfgeldjäger. Wo immer Vertreibung und Landraub an den Palästinensern, die
Besatzung der Westbank, die Einkesselung Gazas thematisiert wird: Weinthal
schwingt sich aufs E-Mail-Ross, schreibt selbst den Haftbefehl
„Antisemitismus“ – und schießt gegen die Veranstalter. Nicht ohne Erfolg:
Arn Strohmeyer am 26. Januar in Bremen, Abi Melzer am 23. und Nirit
Sommerfeld am 30. September, beide in München – abgesagt, verboten. Egal,
ob Christ oder Jude, Weinthal fordert: Boykottiert sie, die Verräter und
Volksfeinde!
Nun hat er sich in der taz über ein Seminar in Hildesheim verbreitet. Das
Seminar hatte zuletzt sechs Teilnehmer, und es gibt längst eine
sachverständige Kommission unter Leitung von Prof. Schüler-Springorum, die
sich der Sache annimmt. Aber darauf möchte Weinthal nicht warten. Der Skalp
der Hochschulpräsidentin muss her. Bekommt er dafür eine Prämie?
Der nächste Skalp an Weinthals Gürtel soll Christoph Glanz aus Oldenburg
werden. Glanz habe gefordert, man solle den Staat Israel nach
Baden-Württemberg verlegen. Das, so Weinthal, habe auch Ahmadinedschad
gesagt, also sei dies antisemitisch. Es ist aber nicht antisemitisch: Es
wäre allenfalls anti-schwäbisch. Denn es bedeutet: Die Zeche für die
jahrhundertelange Verfolgung und Diskriminierung von Juden in den
christlichen Teilen Europas und für die Vernichtung des deutschen und
europäischen Judentums durch Deutschland und seine Helfer sollte
Deutschland bezahlen, nicht Arabien.
Natürlich ist das eine Utopie, und wir müssen in der realen Welt
zurechtkommen. Also kommt es realpolitisch darauf an, Israel dazu zu
bewegen, nicht die Palästinenser das jahrhundertelange Unrecht büßen zu
lassen, das Europa den Juden angetan hat. Sondern Israel muss die
Palästinenser für das seinerseits begangene jahrzehntelange Unrecht um
Verzeihung bitten, sie entschädigen und die Besatzung beenden. Dahin muss
man Israel bewegen.
Manche Leute, wie Glanz, meinen mit guten Gründen – wegen des bisherigen
Versagens der westlichen Politik auf diesem Gebiet –, dass dafür die
Graswurzel-Boykottbewegung BDS hilfreich sei. Beim Wort „Boykott“ ruft
Weinthal natürlich gleich „Antisemit“, obwohl er selbst alles dafür tut,
dass Juden wie Melzer, Sommerfeld und ich boykottiert werden.
Bei meinen Aktivitäten zu Judentum und Zionismus habe ich vielfach
erfahren, was die Leute über diese Problematik denken. Die Mehrheit denkt
wie Glanz, Strohmeyer, Melzer, Sommerfeld und ich. Das generelle Gefühl ist
eine tiefe Enttäuschung über Israel. Viele haben das verständliche Gefühl,
dass es Deutschen nicht zustehe, einen überwiegend jüdischen Staat zu
kritisieren.
Aber allen ist auch klar, dass sich die deutsche Politik moralisch falsch
verhält: Man kann nicht altes Unrecht dadurch wiedergutmachen, dass man
neues Unrecht unterstützt.
10 Oct 2016
## AUTOREN
Rolf Verleger
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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