| # taz.de -- Parallelgesellschaften: Im Osten nichts Neues | |
| > Zwei Vorträge geben zeitgleich an unterschiedlichen Orten Bremens | |
| > Einblicke in den Nahost-Konflikt. Ihre Zuhörer sprechen schon lange nicht | |
| > mehr miteinander. | |
| Bild: Ramallah im Juli 2014: Von der mühsam aufgebauten Infrastruktur ist nich… | |
| BREMEN taz | Eine vertane Chance, einseitige Israelbilder zu korrigieren: | |
| Zwei vielversprechende Referenten waren am Donnerstag-Abend in Bremen. Der | |
| eine arbeitet als Deutscher in Israel, der andere ist israelischer | |
| Journalist in Berlin. Getroffen haben sich René Wildangel, Leiter der | |
| grünen Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah, und Igal Avidan aber erst am | |
| nächsten Morgen – zum gemeinsamen Frühstück. | |
| Zwischen den beiden Veranstaltern verläuft jedoch eine klare Frontlinie: | |
| Avidans Vortrag über „Ultraorthodoxe und das Militär“ findet bei der | |
| Deutsch-Israelischen-Gesellschaft (DIG) statt. Wildangel spricht exakt zur | |
| gleichen Zeit auf Einladung verschiedener Nahost-Gruppen, die sich | |
| konsequent auf Seiten der Palästinenser positionieren. Rund 50 von ihnen | |
| sind beim Vortrag im Überseemuseum unter sich. Man gibt sich über die | |
| Sitzreihen hinweg die Hand und nennt sich beim Vornamen. | |
| Wildangel spricht von seiner Arbeit in Ramallah und der | |
| Entwicklungszusammenarbeit mit palästinensischen Gruppen, die den „Werten | |
| der Stiftung nahe stehen“: Frauenrechtler, Friedens- und sogar | |
| Umweltaktivisten aus den Autonomiegebieten. „Frustrierend“ sei das, weil | |
| israelische Militäraktionen die mühsam aufgebauten Strukturen zerstören | |
| würden. | |
| Die Böll-Stiftung engagiert sich seit über 20 Jahren in Israel. Sie | |
| arbeitet dort eng mit den Bewohnern der Autonomiegebieten zusammen, um die | |
| Schaffung eines demokratischen palästinensischen Staates neben Israel | |
| vorzubereiten. An diese Zwei-Staaten-Lösung allerdings, glaubt laut | |
| Wildangel in Gaza heute niemand mehr. | |
| Wildangel spricht konsequent von Israels Militär, Politik und Regierung – | |
| nie vom Staat als Ganzem. Der Unterschied ist ihm tatsächlich wichtig. Denn | |
| obwohl er die Perspektive der palästinensischen Bevölkerung einnimmt, wenn | |
| er vom Leid seiner Freunde und Mitarbeiter spricht, ist er kein Feind | |
| Israels. | |
| Das Publikum hört aufmerksam zu. Einige nicken wütend, wenn Wildangel die | |
| israelische Blockadepolitik kritisiert. Manche wollen mehr. Nicht nur die | |
| Siedlungen, sondern das ganze Land müsse man boykottieren, fordert einer. | |
| Eine Besucherin spricht von „Genozid“. Sie formuliert den Dauerbrenner: Man | |
| dürfe Israel nicht kritisieren, sonst werde man als Antisemit beschimpft. | |
| Wildangel widerspricht deutlich: „Übertreibungsvokabeln helfen niemandem“. | |
| Ein Kritikverbot gebe es nicht: „Ich kritisiere Israels Politik ja gerade | |
| selbst.“ Auch hier wird ein bisschen genickt. | |
| Relevanter als die Fakten ist manchmal die Frage, vor wem man sie | |
| ausspricht. In Bremen sind die Grenzen klar gesteckt. Annette Klasing vom | |
| Arbeitskreis Nahost, die den Vortrag organisiert hat, ist damit | |
| unzufrieden: „Der Konflikt in Bremen spiegelt den im nahen Osten“, sagt sie | |
| der taz. Es sei bedauerlich, dass es keine gemeinsame Gesprächsgrundlage | |
| mehr gebe. | |
| Die Gegenseite klingt ganz ähnlich: „Man stößt da irgendwann an Grenzen“, | |
| sagt der DIG-Vorsitzende und grüne Bürgerschaftsabgeordnete Hermann Kuhn. | |
| Die Nahost-Gruppen würden ausschließlich Israel-kritische Referenten | |
| einladen – nie Befürworter. „Wir sind da pluraler“, sagt er. Gemeinsame | |
| Veranstaltungen mit Referenten wie Rolf Verleger kann er sich allerdings | |
| nicht vorstellen. Es bleibt offenbar nur eine schmale Basis, aber, „man | |
| muss immer wieder Chancen der positiven Auseinandersetzung suchen“, so | |
| Kuhn. Ganz auszuschließen sind sie also nicht, die Friedensgespräche im | |
| Bremer Nahost-Konflikt. | |
| 25 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan-Paul Koopmann | |
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