| # taz.de -- Arabischer Antisemitismus: Die Missgunst der Abgehängten | |
| > Antisemitismus bei Muslimen ist nicht ethnisch bedingt. Er speist sich | |
| > aus dem verlorenen Krieg von 1948 und aus Neid auf die Stärke Israels. | |
| Bild: Die „Messerintifada“, auf die das Graffito anspielt, ist eine Welle a… | |
| Ins Auditorium des Jüdischen Museums Berlin musste diese Veranstaltung aus | |
| dem kleineren Saal in der Jüdischen Akademie verlegt werden – groß war das | |
| Interesse für diesen Vortragsabend: „Antisemitismus in der arabischen Welt. | |
| Fakten und Mythen“. Geladen waren Michael Kiefer, Islam- und | |
| Politikwissenschaftler der Universität Osnabrück, und Omar Kamil, | |
| Politikwissenschaftler aus Leipzig, beide mit Expertisen zu diesem Thema | |
| bekannt geworden. | |
| Kiefer führte in seinem Referat aus, dass antisemitische Haltungen Muslimen | |
| nicht ethnisch zuzuschreiben seien. Die Haltungen speisen sich vielmehr als | |
| „Mixtur“ aus vielen Quellen, vor allem europäischen. | |
| Omar Kamil kommentierte Kiefers These – und wurde deutlicher. Das | |
| entscheidende Datum für das muslimische, arabische Empfinden Juden | |
| gegenüber sei nicht die israelische Staatsgründung, sondern der ihr 1948 | |
| nachfolgende Krieg der arabischen Staaten gegen Israel – den die Angreifer | |
| verloren. Diese Niederlage sei in der arabisch-muslimischen Welt als | |
| „Nakba“ zum Mythos geworden, als „Katastrophe“ schlechthin. Bis dahin | |
| galten in muslimischen Augen Juden als seltsam, komisch, klein, nicht | |
| ernstzunehmen in puncto Kraft und Potenz. Furcht machten bis dahin Christen | |
| (Kreuzfahrer etc.). Dass der gerade geborene jüdische Staat nun seinen | |
| Angreifern trotzte, wirkte in der Tat schockierend: Wehrfähige Juden kannte | |
| man, historisch gesehen, nicht. | |
| Dieser Gedanke – dass aus Schwachen Starke werden – wäre an diesem Abend | |
| aufzugreifen gewesen: Dass ja schon in den Augen der Nachgeborenen der | |
| Nationalsozialisten die größte Provokation nicht im Jüdischen allein lag, | |
| sondern in dessen muskulärem Vermögen; dass Israel seiner | |
| höchstwahrscheinlich atomaren Potenz wegen gehasst wird. | |
| Es geht also um Neid, Missgunst, Gefühle von Unzulänglichkeit, Empfindungen | |
| des Versagens: Israel ist aus eigener Kraft ein vitaler Staat geworden, | |
| ohne Ölrohstoffe – und modern, nicht mehr feudal mit Autokraten und | |
| Oligarchen verfasst. Das war doch die Katastrophe: in Israel zu sehen, was | |
| auf dem Weg in die kapitalistische Moderne man selbst nicht vermag, von | |
| Marokko bis Syrien. Ökonomisch gesehen, seit vielen Generationen: | |
| rückständig, bedürftig, von Almosen der Weltmächte abhängig. | |
| Ein lohnender Diskurs, gewiss. Verfehlt wurde ein anderer, für den das | |
| Publikum sich interessiert hätte: die Angst vieler, ob mit den Flüchtlingen | |
| auch stärkste antiisraelische Haltungen ins Land gekommen sind. Michael | |
| Kiefer sagte ehrlich: „Wir wissen es nicht. Es gibt keine Fakten.“ Ob es | |
| allerdings, wie vorgeschlagen, hingenommen werden kann, dass muslimische | |
| Schüler*innen sich nicht auf den Holocaust als deutsches Kernnarrativ | |
| beziehen müssen, sondern ihre „kolonialen Einschreibungen“ dagegenhalten | |
| können, ist fraglich: als ob vor den Kolonialmächten in den arabischen | |
| Gebieten ein friedlicher Naturzustand geherrscht habe. | |
| 27 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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