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# taz.de -- EU-Politikerin Harms zu Plebisziten: „Wenn abstimmen, dann europa…
> Die Niederländer lehnen das EU-Ukraine-Abkommen ab? Egal. Für die Grüne
> Rebecca Harms war das Referendum ohnehin „abenteuerlich“.
Bild: Rebecca Harms (mitte): „Ich habe keine Lust, mit Ihnen alle diese Einze…
Taz: Frau Harms, laut dpa haben Sie gesagt, dass sie Volksabstimmungen zu
EU-Fragen unglücklich finden. Für eine Grünen-Politikerin ...
Rebecca Harms: Wenn man Volksabstimmungen über Themen will, die wie das
Assoziierungsvertrag mit der Ukraine europäisch entschieden werden, dann
können die nicht nur in einzelnen Ländern stattfinden. Wenn man direkte
Demokratie zu europäischen Themen will dann muss europaweit abgestimmt
werden.
Was ist falsch daran, in einzelnen Staaten abzustimmen?
Es können in der EU nicht die Bürger eines Landes mehr Einfluss haben als
andere. Die zweite Frage ist, wann man eine Abstimmung macht. Wenn
Entscheidungen nach jahrelangen Vorbereitungen umgesetzt werden – oder
bevor man einen solchen Prozess startet? Außerdem muss sichergestellt
werden, dass den Wählern klar ist, worüber sie abstimmen. In der Schweiz
wird das sorgfältig gemacht, für das Referendum in den Niederlanden kann
man das nicht behaupten.
Gehen wir ihre Punkte Schritt für Schritt durch. Zunächst noch mal zur
Frage, ob einzelne Länder über EU-Abkommen abstimmen sollen ...
Ich bin dagegen. Wenn sich die Türkei zum Beispiel doch wieder besser
entwickelt und irgendwann nach langen Verhandlungen die Entscheidung fällt,
sie in die EU aufzunehmen – soll der Beitrittsprozess dann in einer
einzelnen Nation angehalten werden können?
Führt man stattdessen eine EU-weite Volksabstimmung durch …
Wenn überhaupt, dann muss so etwas europaweit abgestimmt werden. Sonst
schafft man zwei Klassen von Bürgern. Für mich stellt sich auch die Frage,
wie sich die repräsentative Demokratie zu Elementen der direkten Demokratie
verhält. Ich glaube nicht daran, dass durch Volksabstimmungen die EU für
die Menschen besser funktionieren wird.
Gehen wir dennoch einmal ihr Szenario durch: Die Bürger stimmen europaweit
über einen Türkei-Beitritt ab und europaweit …
Ich habe das anders gesagt. Wenn man Volksabstimmungen zu europäischen
Themen will, dann müssen die europäisch sein. Und ich habe nur das Beispiel
Türkei als ein mögliches genannt. Wir könnten auch über ein gemeinsames
Asylrecht reden.
Ich möchte meine Frage trotzdem beenden: Gäbe es in so einer
Volksabstimmung europaweit eine Mehrheit für den Beitritt, in einzelnen
Ländern aber eine Mehrheit dagegen, dann …
Das muss man vorher alles klären. Müssen das qualifizierte Mehrheiten sein,
die Mehrheit der Bürger, die Mehrheit der Staaten? Wer Europäische
Volksabstimmungen will muss das klären. Ich will das jetzt nicht alles hier
diskutieren, aber mir scheint – nach den Erfahrungen vor 10 Jahren mit der
EU-Verfassung und den jüngeren Entwicklungen – dass wir eine grundsätzliche
Klärung brauchen. Ich halte das für ein Thema eines neuen Europäischen
Konventes.
Und was wäre auf so einem Konvent Ihr persönlicher Standpunkt? Wie sollten
die Regeln Ihrer Meinung nach aussehen?
Wir müssen uns erst darüber verständigen, ob es europäische Abstimmungen
geben soll. Dann müssen wir über die Regeln sprechen. Ich bin mir nicht
sicher über den besten Weg. Und ich halte viel von der repräsentativen
Demokratie.
Dann kommen wir zu Ihrem zweiten Einwand: Sie kritisieren den Zeitpunkt der
Abstimmung in den Niederlanden. Was war daran falsch?
Die niederländische Regierung war wie alle EU-Regierungen in die
Verhandlungen des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine einbezogen. Es
wurde nicht außerhalb des Europäischen Rates beschlossen und umgesetzt. Ein
ganzes Jahr liefen die Konsultationen dazu mit Russland. Auch die
Parlamente haben sich immer wieder mit diesem Abkommen beschäftigt. Wenn
man es nun in allen Mitgliedsstaaten ratifiziert hat und die
Implementierung schon läuft, sollte man es nicht durch ein Referendum
stoppen, das man mit 300.000 Unterschriften erreichen kann und dessen
Ergebnis für die Regierung unverbindlich ist. Schon als die
Unterschriftensammlung anfing, habe ich gesagt, dass ich das abenteuerlich
finde.
Was wäre der richtige Zeitpunkt?
Die niederländische Regierung muss sich fragen, ob Sie in ihrem Land
ausreichend und früh genug für das Abkommen eingetreten ist, das sie in
Brüssel mit auf den Weg gebracht hat. Ich weiß, Premier Rutte hat das nicht
getan. Das ist eine der größten Schwächen der europäischen Politik:
Nationale Politiker treffen in Brüssel Entscheidungen, vertreten sie zu
Hause aber nicht offensiv. Aber selbst, wenn sich das ändern sollte, bliebe
ich dabei, dass es falsch ist, über europäische Abkommen national
entscheiden zu lassen.
Hätte die Abstimmung EU-weit stattgefunden: Was wäre der richtige Zeitpunkt
gewesen?
Auf jeden Fall nicht, wenn man schon mit der Ukraine an der Implementierung
arbeitet. Das Abkommen wurde lange vorbereitet und ich finde, dass auch der
Zeitpunkt gegenüber den ukrainischen Bürgern nicht mehr vertretbar ist.
Und wie sollte die niederländische Regierung jetzt mit dem Ergebnis
umgehen?
Das müssen sie die niederländische Regierung fragen. Auf der einen Seite
sollte man die niederländischen Bürger in dieser Frage nicht einfach vor
den Kopf stoßen. Auf der anderen Seite haben die ukrainischen Bürger ganz
klar Ansprüche auf Zuverlässigkeit der EU.
Aber bekennt sich die niederländische Regierung trotz des Referendums zum
Abkommen, könnte das der demokratischen Legitimation der EU noch weiter
schaden.
Ich weiß nicht, was sich wie auswirkt. Und die EU ist demokratisch
legitimiert. Ich glaube, auch die Niederländer haben Diskussionsbedarf über
ihre Referenden und darüber, ob sie an ihren derzeitigen Regeln festhalten
wollen. Die Kritik an der Art, wie dort abgestimmt wird, gibt es auch dort
und nicht erst seit gestern. Dass das in der deutschen Diskussion heute
nicht vorkommt, finde ich ein wenig verrückt.
9 Apr 2016
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Rebecca Harms
Ukraine
Volksabstimmung
Europäische Union
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