Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit um Fernsehgebühren: Vielleicht ein bisschen sozialer
> Die AfD würde den Protest gegen die ehemaligen GEZ-Gebühren gerne
> vereinnahmen. Neben Wutbürgern gibt es aber auch differenziertere
> Kritiker.
Bild: Zahlen sollen alle Haushalte, auch wenn sie gar keinen Fernseher besitzen
Siglinde Baumert ist bereits eine Berühmtheit: Die Thüringerin weigerte
sich, die seit 2013 geltende „Haushaltsabgabe“ (früher GEZ-Gebühr) für d…
öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu bezahlen, und ist die erste
Bundesbürgerin, die deshalb ins Gefängnis musste. Es ging um einen Betrag
von 191 Euro. Seit Februar saß die Erzieherin dafür in „Erzwingungshaft“,
bis der MDR jetzt von einem Haftbefehl absah.
Baumert begründete ihre Weigerung damit, dass sie kein Radio oder
Fernsehgerät nutze. Allerdings verlangen die Länder im Sinne des neuen
Rundfunkstaatsvertrags für jede Wohnung eine Abgabe. Auch als der
Gerichtsvollzieher von der Frau eine Vermögensoffenlegung forderte und
zuletzt mit zwei Polizisten an ihrem Arbeitsplatz erschien, um sie in die
JVA Chemnitz zu bringen, blieb sie bei ihrer Weigerung. Mittlerweile ist
die 46-Jährige ihren Job los.
Baumerts „Erzwingungshaft“ bringt auch andere Kritiker und Verweigerer des
neuen Rundfunkrechts in die Öffentlichkeit. Die AfD will die Thematik
politisch für sich vereinnahmen. Die stellvertretende Parteivorsitzende
Beatrix von Storch twitterte jüngst, dass auch ihr die Pfändung drohe.
Bei den etablierten Parteien indes tut sich ein Vakuum auf. Offensichtlich
haben sie das Thema unterschätzt.
In den neuen Bundesländern mag der Widerstand gegen die Zwangsabgabe für
einige Kritiker mit Medienschelte, Merkel-Hass und „Systemablehnung“
zusammengehen. Aber das gilt nicht für die gesamte Bewegung.
Norbert Häring etwa, ein Finanzspezialist und Journalist, liegt mit dem
Hessischen Rundfunk im Streit. Er will seine Gebühren bar bezahlen, statt
vom Konto einziehen zu lassen, und sieht nun ebenfalls einer Pfändung
entgegen. Er hat wiederholt auf die bedenklichen Ansätze des Gesetzes
hingewiesen, zuletzt in einer Diskussion mit dem Verfassungs- und
Steuerrechtler Paul Kirchhof an der Heidelberger Universität.
Kirchhof ist der Jurist, der für die öffentlich-rechtlichen Sender jenes
Gutachten erstellte, auf dessen Basis dann die Länder 2011 die neue
Rundfunkabgabe durchwinkten. Wie der Journalist Häring auf seiner Webseite
schildert, ging es ihm in der Diskussion um den Nachweis, dass der Beitrag
„sachfremd, ungerecht und aus gutem Grund in weiten Teilen der Bevölkerung
verhasst“ ist.
Es sei unsozial, dass die Gebühr trotz verschiedener Einkommenssituationen
für alle Bürger in gleicher Höhe gelte und an die Wohnung gekoppelt sei,
kritisiert er. Zudem wies er auf die vielfache Verquickung von
Aufsichtsratmandaten mit politischen und juristischen Funktionen hin.
## 20 Millionen Mahnungen verschickt
In Jena wiederum vertritt der Rechtsanwalt Sascha Giller Tausende
Mandanten, die sich aus unterschiedlichsten Gründen gegen den
Rundfunkbeitrag wehren. „Sie besitzen überhaupt kein Empfangsgerät, nutzen
grundsätzlich keine öffentlich-rechtlichen Sender wegen ihrer Inhalte oder
lehnen die Rundfunkgebühr in Zeiten neuer digitaler Möglichkeiten aus
Prinzip ab“, sagt er.
Für die Jahre 2014 und 2015 wurden von der Gebühreneinzugszentrale 20
Millionen Mahnungen und 900.000 Vollstreckungsbescheide verschickt.
Rechtsanwalt Giller ist sich sicher, dass mindestens 1,4 Millionen
BürgerInnen kein Empfangsgerät nutzen, und moniert, dass es keine
politische Diskussion der Neugestaltung desöffentlich-rechtlichen Rundfunks
gegeben habe. Er will mit seinen Mandanten bis vor das
Bundesverfassungsgericht ziehen, um gegen die Gebühr zu klagen.
Dort trifft er auf eine pikante Konstellation, die für Kritiker des
Rundfunkbeitrags mehr als ein „Gschmäckle“ hat: Bereits seit 2010 amtierte
bei den ersten Klagen gegen die Neuregelung in Karlsruhe der Tübinger
Jurist Ferdinand Kirchhof als Vizepräsident des Gerichts und Vorsitzender
des Ersten Senats. Kirchhof ist der jüngere Bruder des Gutachters Paul
Kirchhof. Die ersten Klagen wurden durchweg abgelehnt.
11 Apr 2016
## AUTOREN
Markus Bauer
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Bundesverfassungsgericht
Rundfunkgebühren
GEZ
GEZ
GEZ
Rundfunkgebühren
Rundfunkgebühren
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt AfD
Rundfunkbeitrag
Rundfunkgebühren
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hausprojekt gegen Gebühren: Ein Rundfunkbeitrag für 43 Personen
Ist ein Hausprojekt mit zwei mal vier Etagen eine große Wohngemeinschaft?
Die Klage läuft, die Erfolgschancen stehen gut.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Zwei Wohnungen – Zwei Beiträge
Wer eine Zweitwohnung besitzt, muss auch dort den Rundfunkbeitrag bezahlen.
Das entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Kampf gegen Rundfunkgebühren: Kein Gefängnis, aber Pfändung
Der Haftbefehl gegen die Brandenburgerin, die keinen Rundfunkbeitrag
bezahlt, wurde aufgehoben. Das Verfahren ist damit aber noch nicht zu Ende.
Öffentlich-rechtliche Rundfunkgebühren: Nicht gezahlt – Haftbefehl
Eine Frau aus Brandenburg weigert sich, ihre Rundfunkbeiträge zu leisten.
Deshalb droht ihr nun Gefängnis.
Das war die Woche in Berlin I: Ein billiger PR-Coup der AfD
Beatrix von Storch's Konto wird gepfändet, weil sie keine GEZ-Gebühren
zahlt. Sie inszeniert sich als Märtyrerin, obwohl ihre Partei auf
öffentlich-rechtliche Medien angewiesen ist.
AfDlerin wettert gegen Rundfunkbeitrag: Beatrix von Storch ganz aufgebracht
Die Landesvorsitzende der Berliner AfD will nach eigenen Angaben keinen
Rundfunkbeitrag bezahlt haben. Ihr Konto sei gepfändet worden.
Finanzen der Öffentlich-Rechtlichen: Rundfunkbeitrag soll stabil bleiben
Seit der Erhebung der allgemeinen Haushaltsabgabe sind die Finanzen von ARD
und ZDF in gutem Zustand. Das wird auch in den kommenden Jahren so bleiben.
Flüchtlinge in Dortmund: Typisch Bürokratie, typisch deutsch
Knapp 100 Dortmunder Flüchtlinge erhalten einen so genannten Erstbrief der
früheren GEZ. Wer da was falsch gemacht hat, ist noch unklar.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.