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# taz.de -- Flüchtlinge in Dortmund: Typisch Bürokratie, typisch deutsch
> Knapp 100 Dortmunder Flüchtlinge erhalten einen so genannten Erstbrief
> der früheren GEZ. Wer da was falsch gemacht hat, ist noch unklar.
Bild: Flüchtlinge vor der Dortmunder Erstaufnahmeeinrichtung im Ortsteil Hache…
BERLIN taz | Im ersten Moment muss der Brief in den Augen der Asylbewerber
wie blanker Hohn gewirkt haben: Kaum haben sie ihre erste Meldeadresse in
Deutschland, erhalten sie ein Schreiben des Rundfunkbeitragsservices, der
früheren GEZ. In dem werden sie gebeten, über ihre Wohnsituation Auskunft
zu geben, damit der Beitragsservice eine entsprechende Zahlungsaufforderung
schicken kann. Typisch deutsche Bürokratie, will man da denken.
„Wir müssen natürlich verhindern, dass Flüchtlinge ein solches Schreiben
bekommen“, sagt Michael Meinderf, Sprecher der Stadt Dortmund. „Das letzte,
was sie bei ihrer Ankunft wollen, ist natürlich, direkt für irgendetwas
zahlen zu müssen.“ Die meisten von ihnen hätten das Schreiben
wahrscheinlich nicht einmal verstanden. Doch der „unheimliche Druck“, mit
dem die Städte angesichts der hohen Zahl von Flüchtlingen zurzeit umzugehen
hätten, führe zu Fehlern. „Wir sind da nicht alleine mit diesen Problemen�…
glaubt Meinderf.
Gesetzlich ist es so, dass jede Stadt verpflichtet ist, neue Meldedaten an
den Rundfunkbeitragsservice weiterzugeben. Zwischen Flüchtlingen und
Menschen, die etwa wegen eines Arbeitsplatzwechsels umziehen, wird da kein
Unterschied gemacht. Könnten die Sammelunterkünfte so ausgewiesen werden,
dass nicht plötzlich mehrere hundert Schreiben durch den Briefschlitz
rascheln? „Wir haben den Beitragsservice nun gebeten, an die vier Adressen
mit Flüchtlingsunterunterkünften keine Zahlungsaufforderungen mehr zu
schicken. Für die Zukunft hoffen wir also, dass das klappt“, sagt Meinderf.
Der Rundfunkbeitragsservice meldet sich unterdessen mit einer
[1][Pressemitteilung] auf seiner Internetseite zu Wort, da am Donnerstag
„mehrere Medien unvollständig oder unrichtig über die Beitragspflicht von
Asylbewerberunterkünften berichtet“ hätten. Darin heißt es jetzt,
„Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die in Raumeinheiten innerhalb von
Asylbewerberheimen wohnen, sind grundsätzlich nicht zur Zahlung eines
Wohnungsbeitrags verpflichtet. Die Asylbewerberunterkünfte sind
Betriebsstätten der jeweiligen Stadt oder Kommune, die in der Regel nicht
beitragspflichtig sind.“ Das gelte auch unabhängig davon, wie viele
Fernseh- oder Radiogeräte in einer solchen Unterkunft genutzt werden.
## Ab wann eine Wohnung eine Wohnung ist
Tatsächlich regelt der Staatsvertrag in Paragraf 3 explizit, dass
Unterkünfte für Asylbewerber keine Wohnungen im Sinne des Vertrages sind.
Ein Rundfunkbeitrag sollte also gar nicht erhoben werden. Außerdem wird in
Paragraf 4 festgestellt, dass Empfänger von Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz wie auch jene von Grundsicherung oder Alg II
von der Beitragspflicht befreit sind.
Die Definition einer Wohnung im Sinne des Vertrages lautet: „Wohnung ist
unabhängig von der Zahl der darin enthaltenen Räume jede ortsfeste, baulich
abgeschlossene Raumeinheit, die 1. zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist
oder genutzt wird und 2. durch einen eigenen Eingang unmittelbar von einem
Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine
andere Wohnung, betreten werden kann.“
Nach dieser Definition müssen Wohngemeinschaften, unabhängig von ihrer
Größe, nur einmal den Rundfunkbeitrag entrichten. Das gilt selbst für
größere Hausprojekte, solange sie glaubhaft versichern können, dass die
„von außen“ zu betretende „baulich geschlossene Raumeinheit“ sich über
mehrere Etagen erstreckt. Erfahrungsgemäß kann sich eine Klärung der
Abrechnung bei unkonventionellen Wohnverhältnissen mit den
Landesrundfunkanstalten über Jahre hinziehen.
Michael Meinderf versichert, dass die knapp hundert Dortmunder Flüchtlinge
jetzt nicht etwa losziehen und eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag
beantragen müssten. Das sei nun geregelt. Hätte man aber wohl auch früher
haben können. Zumindest heißt es in der Pressemitteilung des
Rundfunkbeitragsservice weiter, er habe Städte und Kommunen bereits im März
2014 darüber informiert, wie sie Beitragsforderungen an
Flüchtlingsunterkünfte verhindern können. Die Stadt Dortmund prüft nun, ob
eigene Versäumnisse Schuld waren.
27 Feb 2015
## LINKS
[1] http://www.rundfunkbeitrag.de/e175/e1548/20150225_Keine_Beitragspflicht_fr_…
## AUTOREN
Hanna Voß
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