# taz.de -- Bundespolizei in Hannover: Täter geschützt, Opfer entwürdigt | |
> Er habe einen Flüchtling gequält, prahlte ein Polizist. Anklage wegen | |
> Körperverletzung im Amt will die Staatsanwaltschaft nicht erheben. | |
Bild: Die Ermittlungen gegen den Bundespolizisten, der mit Misshandlungen prahl… | |
Hannover taz | „Hab den weggeschlagen. Nen Afghanen. Mit Einreiseverbot. | |
Hab dem meine Finger in die Nase gesteckt. Und gewürgt. War witzig.“ Per | |
Whatsapp hat ein Bundespolizist aus Hannover so mit der Misshandlung von | |
Flüchtlingen geprahlt. „An den Fußfesseln“ habe er sein Opfer durch die | |
Wache am Hauptbahnhof der niedersächsischen Landeshauptstadt geschleift: | |
„Das war so schön“, schrieb der heute 40-jährige Beamte. | |
Stattgefunden haben soll diese Folter im März 2014 – aufgedeckt wurde sie | |
im Mai vergangenen Jahres vom NDR. Getroffen hat es offenbar einen | |
19-jährigen Flüchtling. Sein Vergehen: Er konnte sich im Bahnhof nicht | |
ausweisen. Glaubt man dem Bundespolizisten, war der Mann aus Afghanistan | |
nicht sein einziges Opfer. | |
Ein mit seinem Handy aufgenommenes Foto zeigt einen jungen Migranten aus | |
Marokko auf dem Boden einer Zelle. Seine Hände sind gefesselt, das Gesicht | |
ist schmerzverzerrt. „Dann hat der Bastard erst mal den Rest gammeliges | |
Schweinefleisch aus dem Kühlschrank gefressen. Vom Boden“, schrieb der | |
Beamte dazu. | |
Was folgte, war ein Aufschrei der Empörung. Flüchtlingsverbände, Politiker | |
und Polizeigewerkschaften verurteilen den „Folterskandal“. Die Vorwürfe | |
gegen die Bundespolizei seien „erschütternd“, urteilte die | |
Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz: Kaum jemand | |
konnte glauben, dass kein einziger Kollege des Täters die Gewalt | |
mitbekommen hatte. „Ungeheuerlich“ seien die Vorwürfe, befand | |
Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil. Er erwarte eine | |
„rückhaltlose“ Aufklärung und eine „harte“ Reaktion, sollten sie sich | |
bewahrheiten. | |
Doch diese harte Reaktion soll es offenbar nicht geben. Zwar hat die | |
Staatsanwaltschaft Hannover jetzt Anklage gegen den Bundespolizisten | |
erhoben – aber ausdrücklich nicht wegen Körperverletzung im Amt. | |
„Anhaltspunkte für die systematische Misshandlung von Personen, die sich im | |
Polizeigewahrsam befanden, konnten nicht festgestellt werden“, so die | |
Ermittler. | |
## Deckt sich die Polizei selbst? | |
„Nach äußerst umfangreichen Ermittlungen von Polizei und | |
Staatsanwaltschaft“ sei das Verfahren, dass sich gegen den 40-Jährigen und | |
fünf weitere Beamte richtete, „mangels hinreichendem Tatverdacht | |
eingestellt“ worden. „Die Angaben des Zeugen aus Marokko und der | |
Beschuldigten zum möglichen Tatverlauf waren widersprüchlich“, so | |
Staatsanwaltin Anna Tafelski zur taz. | |
Das Foto des Marokkaners habe der Bundespolizist „unter Verwendung dummer | |
und unrichtiger Kommentare verwandt, wodurch ein völlig falscher Eindruck | |
entstanden ist“, heißt es im Einstellungsbeschluss der Ermittler. Vor dem | |
Amtsgericht Hannover soll sich der Bundespolizist lediglich wegen illegalen | |
Waffenbesitzes und dem Besitz von Kinderpornos verantworten . | |
„Völlig unprofessionell“ sei das Vorgehen der Staatsanwaltschaft, | |
kritisiert deshalb der Anwalt des Mannes aus Marokko, Matthias Waldraff: | |
Seit einem Dreivierteljahr bemühe er sich um Akteneinsicht – gewährt wurde | |
sie ihm bis heute nicht. | |
Die Erklärung des Bundespolizisten, er habe sein Opfer nur fotografiert, um | |
zu beweisen, dass er den Mann eben nicht durch Tritte gegen den Oberkörper | |
verletzt habe, sei nicht plausibel: Der Gefesselte war voll bekleidet, | |
Verletzungen wären nicht zu erkennen. „Das lässt nur einen Schluss zu: | |
Dieses Verfahren soll ohne Störung durch Opferanwälte möglichst schnell | |
beendet werden“, sagt der Jurist, der 2013 Oberbürgermeisterkandidat der | |
CDU Hannover war. „Da soll der Deckel drauf“, glaubt Waldraff – und künd… | |
eine Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle an. | |
Denn geschützt wird durch die Einstellung nicht das Opfer, sondern die | |
Bundespolizei: „Es ist zu befürchten, dass sich die Polizei selber deckt“, | |
meint nicht nur der Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsen, Kai | |
Weber. Auch Bernd Mesevic von Pro Asyl fürchtet, dass eine Diskussion um | |
Übergriffe im Polizeigewahrsam um jeden Preis vermieden werden soll: „Durch | |
die Anklage wegen illegalen Waffenbesitzes und Kinderpornographie wird der | |
Täter aus dem Dienst entfernt – das Problem der strukturellen Gewalt aber | |
bleibt.“ | |
7 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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