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# taz.de -- Pressefreiheit in China: Kündigen gegen Zensur
> Aus Protest gegen die Medienzensur gibt ein Redakteur einer einst
> kritischen Zeitung seinen Vertrag auf. Selbst sein Abschiedsschreiben
> wird zensiert.
Bild: Staatschef Xi Jinping bekommt in der Redaktion der „People‘s Daily“…
„In diesem Frühjahr möchte ich einen sauberen Bruch machen“, schreibt der
Kulturredakteur Yu Shaolei von der Zeitung Southern Metropolis Daily aus
der südchinesischen Stadt Guangzhou in seinem Kündigungsschreiben, das er
öffentlich ins Internet gestellt hat. Und weiter: „Ich werde alt und knie
schon so lange nieder, dass ich es nicht mehr aushalten kann.“
Yu Shaolei ist nur einer von vielen, die vor Chinas Zensur kapitulieren.
Genaue Zahlen gibt es nicht. Aber seitdem Xi Jinping vor drei Jahren das
Amt des Staats- und Parteichefs übernommen und die in China ohnehin schon
strenge Zensur noch weiter verschärft hat, haben unabhängigen Schätzungen
zufolge schon Tausende Journalisten ihren Job aufgegeben – oder sie wurden
gekündigt. Reporter ohne Grenzen führt China in ihrer Rangliste zur
Pressefreiheit auf Platz 176 von 180.
Die Nanfang-Zeitungsgruppe, zu der auch die Southern Metropolis Daily
gehört, ist von der Repression derzeit besonders hart betroffen. Deren
Zeitungen und Zeitschriften waren viele Jahre lang dafür bekannt, dass ihre
Journalisten es am häufigsten wagten, die Grenzen der staatlichen
Kontrollen auszutesten. Obwohl China mit über 2.200 Tageszeitungen weltweit
die meisten Zeitungen hat, sind dennoch allesamt weitgehend
gleichgeschaltet.
In der Regel erhalten die Redakteure am Morgen von den staatlichen
Propagandaabteilungen die Anweisung, über welche Themen sie schreiben
dürfen und über welche nicht. Dass die Redakteure und Autoren der
Nanfang-Gruppe immer wieder Artikel veröffentlichten, die sich kritisch mit
den Verhältnissen in China auseinandersetzten, hatte unter anderem damit zu
tun, dass in der südchinesischen Provinz Guangdong vor den Toren Hongkongs
noch bis vor Kurzem ein sehr viel liberaleres Klima herrschte als im Rest
des Landes. Doch seit Xi den Spitzenposten der regierenden Kommunistischen
Partei bekleidet, steht auch diese Mediengruppe heftig unter Beschuss.
## Streik, Schlichtung, Säuberung
Bereits im Frühjahr 2013 kam es bei der Southern Weekly, einer
Schwesterzeitung der Southern Metropolis Daily, zu einem Eklat, als der
oberste Zensor der Provinz einen Leitartikel zum chinesischen Neujahrsfest
ohne Absprache mit der Redaktion austauschen ließ. Ein Teil der Belegschaft
trat aus Protest daraufhin in einen Streik. Es kam zwar zu einer
Schlichtung. Doch nur wenige Tage später veranlasste die Regierung eine
Säuberung der Redaktion. Fast alle Ressortleiter und auch der Chefredakteur
wurden ausgetauscht.
Von diesem Schlag hat sich die Zeitungsgruppe bis heute nicht erholt. Im
Gegenteil: Redaktionsmitglieder aller Titel beklagen, dass die Stimmung
seitdem immer schlechter geworden sei. „Viele kritische Geister sind
seitdem gegangen oder sind gegangen worden“, berichtet ein ehemaliger
Mitarbeiter, der weiter Kontakt zu Exkollegen pflegt. „Selbst Autoren, die
sich nie politisch geäußert haben, mussten gehen“, berichtet er.
## Anspielung verstanden
Der Fall des Kulturredakteurs Yu findet auch deshalb Beachtung, weil er
sein Kündigungsschreiben in großen chinesischen Schriftzeichen mit dem
folgenden Satz überschrieb: „Ich kann deinen Nachnamen nicht ausstehen.“
Damit bezog er sich auf eine Äußerung von Präsident Xi, der im Februar
befahl, dass alle Medien künftig den „Nachnamen“ der Kommunistischen Partei
zu tragen hätten.
Die Zensurbehörden haben die Anspielung des Journalisten verstanden. Nach
zwei Stunden war sein Eintrag gelöscht. Auf der vom Ausland aus betriebenen
Internetseite Free Weibo, welche gelöschte Nachrichten vom chinesischen
Festland sammelt, ist das Schreiben aber weiterhin zu finden.
3 Apr 2016
## AUTOREN
Felix Lee
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