Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Konflikt in der Westsahara: Marokko setzt auf Eskalation
> Ein Besuch des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon erzürnt die Regierung in
> Rabat. In den Flüchtlingslagern in Algerien wächst der Frust.
Bild: Schon ein bisschen her: Ban Ki Moon Anfang März bei seiner Ankunft im Sm…
Madrid taz | Der über 40 Jahre alte Konflikt um die „letzte Kolonie
Afrikas“ droht erneut zu eskalieren. Lange war ein Krieg in der ehemaligen
spanischen Kolonie Westsahara nicht mehr so nahe wie heute. Panzer rollen
in den seit 1975 von Marokko besetzte Teilen der Westsahara. In den
Gebieten, die von der Befreiungsbewegung Polisario gehalten werden, rüsten
sich die Kämpfer für einen eventuellen bewaffneten Überfall durch die
königlich-marokkanischen Truppen.
Ausgerechnet eine Friedensmission löste die Spannungen aus.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon reiste Anfang März in die Region. Marokkos
König Mohammed VI. empfing ihn weder in der Hauptstadt Rabat, noch durfte
er in die besetzten Gebiete. Ban musste sich mit einem Besuch in den von
der Polisario betriebenen sahrauischen Flüchtlingslagern in Algerien
zufrieden geben. Dort wurde er von der Exilregierung der Demokratischen
Arabischen Republik Sahara empfangen.
Ban benutze das Wort „Besatzung“ und versprach, alles zu tun, um doch noch
ein Referendum über die Zukunft der Westsahara abzuhalten. Dies war 1991 –
nach knapp 16 Jahren Krieg – bei einem von der UNO ausgehandelten
Waffenstillstand zwischen Marokko und der Polisario vereinbart worden.
Stattgefunden hat es bis heute nicht. Denn Rabat blockierte die
Vorbereitungen erfolgreich.
Offiziell ist die Westsahara fester Bestandteil des marokkanischen
Königreichs. „Südprovinzen“ werden die besetzte Gebiete genannt. Wenn
überhaupt, ist Mohammed VI. bereit, der Region eine Autonomie zuzugestehen.
Der Wüstenboden ist reich an Phosphat, die Atlantikküste reich an Fisch und
der Meeresgrund verspricht größere Erdölvorkommen.
## Gegenseitige Vorwürfe
„Die UNO hat die Neutralität aufgegeben“, beschwerte sich die Regierung in
Rabat nach Bans Besuch, mobilisierte Hunderttausende zur Verteidigung der
Einheit des Königreichs auf den Straßen und wies am 25. März alle 84
zivilen Mitarbeiter der UN-Friedensmission in der Westsahara, der Minurso,
aus. Ein militärischer Stützpunkt der Blauhelme musste geschlossen werden.
Die UN-Soldaten hätten sich mit Separatisten getroffen, heißt es zur
Begründung.
Als „respektlos“ gegenüber ihm selbst und der UNO bezeichnet Ban die
Politik Marokkos und verlangt die Rückkehr der Minurso-Mitarbeiter.
Vergebens. „Die Entscheidung ist Ausdruck unserer Souveränität und
unwiderruflich“, erklärt das Außenministerium seiner Majestät Mohammed VI.
„Es geht nicht um den Besuch des UN-Generalsekretärs“, ist sich der
Minister für Beziehungen zu Lateinamerika und der Karibik in der
sahrauischen Exilregierung, Mansur Omar, sicher. „Es ist vielmehr eine
Strategie, um die Minurso auszuhöhlen und zu einem reinen Wächter der
aktuellen Zustände zu machen.“ Marokko habe die jahrzehntelange Blockade
des Referendums für die eigenen Ziele genutzt. Die Ansiedlung von mehr als
300.000 Marokkanern und die Flucht von mindestens der Hälfte der Sahrauis
nach Algerien hat die Bevölkerungsstruktur radikal geändert.
## Furcht vor Repression
Die Polisario in den Flüchtlingscamps und die Aktivisten in den besetzen
Gebieten befürchten nach der Ausweisung der Minurso-Mitarbeiter eine neue
Repressionswelle. Mehr als 70 Sahrauis sitzen wegen friedlicher Proteste
gegen die Besatzung in marokkanischen Gefängnissen. Sie wurden meist von
Militärgerichten abgeurteilt. Folter ist laut Amnesty International in dem
nordafrikanischen Königreich, [1][das jetzt von der Bundesregierung zum
„sicheren Herkunftsland“ erklärt werden soll], nicht nur gegen Sahrauis an
der Tagesordnung.
In den Camps in Algerien werden vor allem unter den jungen Sahrauis, die
nie etwas anderes als ein Dasein als Flüchtling kennengelernt haben, die
Stimmen für eine Rückkehr an die Waffen lauter. Die Polisario hat ihre
Truppen in Alarmbereitschaft versetzt. Anfang April werden sie mit schwerem
Geschütz und Panzern das bisher größte Manöver seit dem Waffenstillstand
von 1991 abhalten. „Eine mögliche Rückkehr zu den Feindseligkeiten wird
nicht zeitlich und räumlich begrenzt sein. Dieses Mal wird der Krieg erst
mit der völligen Befreiung unserer besetzten Heimat enden“, warnt Minister
Mansur Omar.
3 Apr 2016
## LINKS
[1] /!5266626/
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Marokko
Westsahara
UN
Westsahara
Marokko
Westsahara
Spanien
Marokko
Kolonialismus
Thomas de Maizière
Marokko
Marokko
## ARTIKEL ZUM THEMA
Regenerative Energie in der Westsahara: Grüne Projekte im besetzten Land
Marokko gibt sich modern und öko-bewusst. Doch das Ganze hat einen
Schönheitsfehler: Viele Anlagen stehen in der illegal besetzten Westsahara.
Aus Le Monde diplomatique: Marokko in der Hand des Königs
Die islamische PJD hat die Parlamentswahl gewonnen. Doch die Macht liegt
weiter bei Mohammed VI. Kritiker werden verhaftet und gefoltert.
Kochen mit Geflüchteten: 365 Tage Tee
Ein Mann aus der Sahara lädt in seinem Flüchtlingsheim alle zum Tee ein.
Während der Zeremonie erzählt er seine Geschichte.
Flüchtlinge gelangen nach Ceuta: Die Ebbe macht den Weg frei
101 afrikanischen Flüchtlingen gelingt wegen Niedrigwasser der Weg übers
Meer auf ein paar Felsen, die schon zu Spanien gehören.
Proteste in Marokko: „Wir sind Lehrer, keine Terroristen“
Angehende LehrerInnen streiken und protestieren seit Monaten gegen
Einstellungshürden und Kürzungen. Der Staat reagiert hart.
Kolumne Afrobeat: Kinder des weißen Terrors
Kein marokkanischer oder algerischer Rentner heißt die Anschläge in Paris
und Brüssel gut. Aber der Terror hat eine Verbindung zu den
Kolonialkriegen.
De Maizière in Nordafrika: Das Völkerrecht verscherbelt
Drei Länder wollen abgelehnte Flüchtlinge aus Deutschland aufnehmen. Dafür
versprach de Maizière Hilfe im Streit um besetzte Gebiete.
Abschiebungen aus Deutschland: Marokko verspricht Kooperation
Die marokkanische Regierung will ausreisepflichtige Staatsbürger aus
Deutschland zurücknehmen. Das sicherte sie in Gesprächen Innenminister de
Maizière zu.
Gespräche mit der Regierung Marokkos: De Maizière will schneller abschieben
Der Innenminister will in Marokko erreichen, dass die dortige Regierung bei
Abschiebungen kooperiert. Vor den Gesprächen zeigte er sich zuversichtlich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.