# taz.de -- Terror in Belgien: „Ich bin am Leben“ | |
> Die Anschläge haben das Lebensgefühl in der Hauptstadt Brüssel verändert. | |
> Man sieht das Gefühl des diffusen Unbehagens nicht, aber es ist da. | |
Bild: Gedenken an die Opfer: der Börsenplatz in Brüssel | |
Brüssel taz | Gut, dass die Terroranschläge in Brüssel so kurz vor den | |
Osterferien stattfanden. Viele Brüsseler nutzten die Ferienzeit, um an | |
Belgiens Stränden auf andere Gedanken zu kommen. Sie kehrten danach mit | |
widersprüchlichen Gefühlen zurück. | |
Eines davon: Angst. Französische Neonazis wollen an diesem Samstag in | |
Molenbeek demonstrieren, Heimat der meisten mutmaßlichen Attentäter von | |
Brüssel und Paris. Unter der Parole „Dschihadisten raus!“ ruft die | |
rechtsextremistische „Génération identitaire“ zum Aufmarsch auf. | |
Antirassisten und Linke trommeln für eine Gegendemonstration. | |
Molenbeeks Bürgermeisterin Françoise Schepmans hat nun ein | |
Versammlungsverbot ausgesprochen, und auf Facebook ruft „Génération | |
identitaire“ dazu auf, doch nicht nach Molenbeek zu fahren. Aber man sei | |
nicht fertig mit Molenbeek „und wir verlangen Rechenschaft für unsere | |
ermordeten Brüder und Schwestern“, warnt die Gruppe. | |
Wie das geht, zeigten die Hooligans, die am vergangenen Sonntag die Trauer | |
auf dem Börsenplatz störten, ohne dass die Polizei eingriff. Nach einer | |
Umfrage meiden jetzt drei von zehn Brüsselern öffentliche Plätze. | |
## Ständig neue Terrorwarnungen | |
Der Tourismus befindet sich im freien Fall, Sehenswürdigkeiten verzeichnen | |
einen Besucherrückgang um zwei Drittel. Ständig machen neue Terrorwarnungen | |
die Runde. In einem offenen Brief warnen 100 Sicherheitsverantwortliche des | |
Flughafens Brüssels, es würden mindestens 50 IS-Sympathisanten dort | |
arbeiten, mit Zugang sogar zu Cockpits von Flugzeugen. Der Flughafen ist | |
nach wie vor geschlossen. | |
Sichtbarer noch als die Angst ist eine allgemeine diffuse Empörung. Man | |
fühlt sich unzureichend geschützt, man hält die Sicherheitsorgane für | |
unterfinanziert, man sieht die Integrationspolitik als gescheitert an. Man | |
sieht die Politiker über verschärfte Sicherheitsmaßnahmen diskutieren und | |
fragt sich, warum die Maßnahmen nicht schon früher ergriffen wurden. | |
Die Antwort darauf fällt relativ leicht. So lehnt Brüssels Flughafenbehörde | |
Eingangskontrollen, die potenziellen Attentätern den Zugang zum Gebäude | |
verwehren würden, ab. Nun streikt die Flughafenpolizei aus Protest gegen | |
diese Ablehnung. | |
Während nicht einmal der öffentliche Nahverkehr in Brüssel wieder | |
hundertprozentig läuft – es gibt einen Notfahrplan –, beginnt die Zeit der | |
Trauerfeiern und Beerdigungen. Am Freitag sollten die ersten sechs | |
Terroropfer beigesetzt werden. | |
## Öffentliches Trauern | |
Und der Börsenplatz ist nach wie vor Versammlungsort für öffentliches | |
Trauern um die Opfer, von denen man inzwischen weiß, dass sie von allen | |
Kontinenten kommen und dass dieser Terror die ganze Menschheit trifft. | |
„Argentina abraza a Bélgica“ steht auf einer Mauer mit Kreide geschrieben. | |
„Je suis BXL et je suis Cameroun STOP à la violence“ steht auf einem | |
Flugblatt, das an derselben Mauer klebt. „Iranians are against terrorism | |
anywhere in the world“ ist mitten im Blumenmeer zu lesen.Auf dem Vorplatz | |
des Börsengebäudes hängt ein Banner „Nicht im Namen des Islam!“ umgeben … | |
den Flaggen von Kongo, Kosovo, Marokko, Mauretanien und Nepal sowie denen | |
von Tibet und vom ehemaligen Südvietnam. | |
Nostalgiker für ein Europa, das in dieser Form noch nie existiert hat, | |
haben die weinende EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit Dornenkrone | |
als eine Art Jesus verewigt, mit der Osterbotschaft „Auferstehung der | |
Europäischen Republik“. | |
Der Börsenplatz wird somit zur Pilgerstätte. Aber nicht alle Botschaften | |
sind so überhöht. Der belgische Surrealismus lebt. „La vie est belge!“, h… | |
jemand auf eine Wand gedichtet. Und jemand anders hat einen Spiegel | |
aufgehängt, über dem „Ich bin am Leben“ steht. Immer wieder gucken Leute … | |
neugierig hinein – und sehen sich selbst. | |
1 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
François Misser | |
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