# taz.de -- Wissenschaft und Soziale Medien: Mehr Fragen als Antworten | |
> Die Wissenschaftsakademien wollen die Kommunikation verbessern. Welche | |
> Rolle können soziale Medien dabei spielen? | |
Bild: Seit 2010 ist das jährlich unter der Regie des Bundesforschungsministeri… | |
BERLIN taz | Je mehr der Einfluss der Wissenschaft auf die Gesellschaft | |
zunimmt, desto wichtiger wird es den Forschern, sich auch | |
außerwissenschaftlich verständlich zu machen. An dem Dilemma, das | |
Fachchinesisch in Volkes Stimme zu übersetzen, laboriert die | |
Wissenschaftskommunikation seit geraumer Zeit. Die deutschen | |
Wissenschaftsakademien haben daher vor drei Jahren eine gemeinsame | |
Arbeitsgruppe eingesetzt, die überlegen soll, wie die „Kommunikation | |
zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien“ verbessert werden kann. | |
Derzeit beschäftigt sie sich mit den sozialen Medien. Zu ihren bisherigen | |
Erkenntnissen über die „[1][Bedeutung, Chancen und Risiken“] der neuen | |
Internet-Plattformen für die Wissenschaftskommunikation informierte jetzt | |
ein Workshop in Berlin. | |
Die Veranstaltung war auch eine Reaktion auf die Kritik im vergangenen | |
Jahr. Damals hatte die [2][WÖM-Gruppe (Wissenschaft, Öffentlichkeitsarbeit, | |
Medien)] nach langer interner, von Öffentlichkeit abgeschotteter Beratung | |
ein Empfehlungspapier vorgelegt, das unter Wissenschaftsjournalisten und | |
Praktikern der Wissenschaftskommunikation weithin Kopfschütteln auslöste. | |
Unter anderem wurde ein „Wissenschaftspresserat“ vorgeschlagen, der nach | |
dem Vorbild des Deutschen Presserats Verhaltensrichtlinien für die Medien | |
bei Wissenschaftsthemen erarbeiten und Fehlleistungen rügen sollte. Jetzt | |
sollte mit einer Präsentation von Expertisen mehr Transparenz hergestellt | |
werden, über die vorab in einem Onlineblog diskutiert werden konnte. | |
Träger der WÖM-AG sind die [3][Akademie für Technikwissenschaften | |
„Acatech“], die [4][Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina] und | |
die [5][Union der acht Akademien der Wissenschaften] in den Bundesländern. | |
Die Gruppe besteht aus 13 Wissenschaftlern und Öffentlichkeitsarbeitern in | |
Hochschulen sowie zwei Wissenschaftsjournalisten. | |
Wenn Wissenschaftler sich einer Sache annehmen, machen sie ein | |
Forschungsprojekt daraus. So auch hier. Der Computerlinguist Henning Lobin | |
von der Uni Gießen untersuchte künftige technische Rahmenbedingungen der | |
digitalen Medien, Jan-Hinrick Schmidt vom medienwissenschaftlichen | |
Hans-Bredow-Institut der Uni Hamburg äußerte sich zu „sozialen Medien als | |
Intermediäre in der Wissenschaftskommunikation“. | |
## Eine waghalsige These | |
Die Kommunikationswissenschaftlerin Leyla Dogruel von den FU Berlin stellte | |
die „ökonomischen Perspektiven von Wissenschaftsjournalismus und | |
Wissenschaftskommunikation“ dar, erstaunlicherweise ohne jede Datentabelle. | |
Die einzige Wirtschaftszahl ihres Vortrages – das 8-Milliarden-Euro- Budget | |
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland – sollte die waghalsige | |
These untermauern, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der | |
ökonomischen Medienkrise und der Krise des Qualitäts- und des | |
Wissenschaftsjournalismus gebe. | |
Der Wissenschaftsredakteur des Südwestrundfunks und Vorsitzender der | |
Wissenschaftspressekonferenz (WPK), Martin Schneider, entzog der Expertise | |
sogleich die Datengrundlage, indem er klarstellte: „Es gibt sehr große | |
Kürzungen bei den Öffentlich-Rechtlichen.“ Zudem werde die Wissenschaft | |
„immer mehr auf Randsendeplätze abgedrängt“. | |
So konnte die Expertenanhörung – zu theoretisch und praxisfern – wenig | |
überzeugen und Zweifel nähren, ob am Ende des Jahres wirklich | |
praxistüchtige Social-Media-Empfehlungen vorgelegt werden können. „Wir | |
haben fast mehr offene Fragen als Antworten bekommen“, räumte auch | |
Arbeitsgruppenleiter Peter Weingart in seiner Bilanz ein. „In diesen Fällen | |
gehört sich das aber auch so“. Könnte am Ende aus der WÖM-Gruppe ein | |
Langzeitprojekt der deutschen Akademien werden? | |
## Verpasste Chance | |
Vor allem war der Workshop eine verpasste Chance, in der Praxis der | |
Kommunikation ein Stück voranzukommen. Denn es gab zwei relevante Inputs, | |
die eine Vertiefung unter den knapp 90 Teilnehmern in der Berliner | |
Leopoldina-Filiale verdient gehabt hätten. Zum einen stellte Axel Bruns von | |
der Queensland University of Technology im australischen Brisbane die dort | |
sehr populäre Internet-Wissenschaftsplattform The Conversation vor. | |
Finanziert durch ein Konsortium von australischen Universitäten werden von | |
Wissenschaftsjournalisten in den Hochschulen die Forschungsberichte der | |
Wissenschaftler zu Medienstories umformuliert und in einem gemeinsamen | |
Portal veröffentlicht. Bruns: „Ich finde dieses Modell sehr interessant, | |
weil es auch erfolgreich ist.“ Zeitweilig ist The Conversation die | |
dritthäufigst besuchte Internetseite in Australien. | |
Zuvor hatte die SPD-Bundestagsabgeordnete Daniela de Ridder mit einem | |
Grußwort die Brücke zur Politik geschlagen. Auf ihr Betreiben war im | |
Oktober 2016 die parlamentarische Befassung mit dem Thema zustande | |
gekommen: in Form einer Expertenanhörung zur Wissenschaftskommunikation im | |
Forschungsausschuss des Bundestages. Jetzt, in der umgekehrten Aufstellung, | |
gestand die Politikerin vor den Wissenschaftlern ein, dass sie trotz des | |
damaligen Fachinputs „hier mehr Fragen als Antworten mitgebracht habe“. | |
Noch sehr in der Überlegungsphase waren die Bemerkungen der | |
SPD-Forschungspolitikerin zur Nutzung der sozialen Medien als Plattformen | |
des Austauschs, etwa zwischen Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft. | |
Mit technischen Mitteln zu einer anderen Kommunikation der Akteure zu | |
gelangen sei für sie „ein crucial point“. Es müsse aber eine „echte | |
Partizipation“ dabei herauskommen, keine nur gespielte. | |
## „Offen für neue Ideen“ | |
„Hier müssen wir noch nachdenken, in welchen Formen und mit welchen | |
Partnern das geschehen kann“, sagte de Ridder und erlaubte sich eine | |
Randbemerkung zum „Ringen mit unserem Koalitionspartner“, der | |
Unionsfraktion. Sie selbst favorisiere „konsultative Verfahren“, die am | |
Ende zu einer Synthese zusammengeführt werden müssten. „Wir sind hier offen | |
für neue Ideen der Kommunikation“ zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, | |
lautete der wohl wichtigste Input der Politikerin an die gelehrte | |
Versammlung. | |
Sie konkretisierte dies am Beispiel der Wissenschaftsjahre des | |
Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Es sei bemerkenswert, | |
wie stark dort der Anteil der Wissenschaftskommunikation geworden sei. | |
„Lassen Sie uns das weiterdenken“, lud de Ridder ein und nannte Formate wie | |
Open Science und Citizen Science. „Ich bitte Sie um ganz konkrete | |
Empfehlungen an uns.“ Wenn die Wissenschaftler sich nicht artikulieren, so | |
de Ridder, „dann wird das verhallen, was Sie hier diskutieren“. | |
Damit kam sie auf das politische Zeitbudget der Regierungskoalition zu | |
sprechen. Zwar dauere die Legislaturperiode bis zur Bundestagswahl im | |
September 2017, doch werde die Phase des Wahlkampfs spätestens im Januar | |
beginnen. Die wirksamen Aktionen für die Wissenschaftskommunikation, wie | |
das Einbringen von Anträgen, müssten vorher passieren. „Der Zeitrahmen ist | |
eng.“ Was in der nachfolgenden Legislaturperiode zu dem Thema möglich sein | |
werde, dazu wage sie keine Prognose. „Seien Sie mutig! Formulieren Sie | |
Angebote!“ | |
31 Mar 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.leopoldina.org/de/veranstaltungen/veranstaltung/event/2384/ | |
[2] http://www.leopoldina.org/de/politikberatung/arbeitsgruppen/wissenschaft-oe… | |
[3] http://www.acatech.de/ | |
[4] http://www.leopoldina.org/de/leopoldina-home/ | |
[5] http://www.akademienunion.de/ | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
## TAGS | |
Wissenschaftskommunikation | |
Wisskomm | |
Soziale Medien | |
Leopoldina | |
Wissenschaftskommunikation | |
Wissenschaftskommunikation | |
Wissenschaftskommunikation | |
Politikberatung | |
Wissenschaft | |
Citizen Science | |
Wissenschaftskommunikation | |
Ausstellung | |
Wisskomm | |
Finanzen | |
Finanzen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wissenschaftskommunikation: Lebenslügen der Wissensvermittler | |
Forschungsinstitute bauen ihre Abteilungen für Kommunikation aus. Oft | |
wenden sie sich über Social Media direkt an die Öffentlichkeit. | |
„Eventisierung“ der Wissenschaft: In den Händen des Marketings | |
Science-Show, Science-Slam. Zur aktuellen Berlin Science Week stellt sich | |
die Frage, wie Forschung nutzbringender vermittelt werden kann. | |
Wissenschaftskommunikation verbessern: Digitales Wettrennen | |
Die Wissenschaftsakademien entdecken Social Media. Sie wollen Twitter und | |
Facebook mit unabhängigen Plattformen Paroli bieten. | |
Wissenschaftliche Politikberatung: Europas sieben Wissenschaftsweise | |
Die Expertengruppe zur Beratung der EU-Kommission hat ihren ersten Bericht | |
vorgelegt. Das Thema war die Messung von Autoabgasen. | |
Probleme im Wissenschaftsjournalismus: Im medialen Gleichklang | |
Das „Science Media Center“ soll Journalisten die Arbeit besser aufbereiten. | |
Doch der Service könnte fragwürdige Nebenwirkungen zeitigen. | |
Citizen Science-Konferenz in Berlin: Coming-out der Bürgerforschung | |
In Berlin trafen sich Bürgerforscher zur europaweiten Konferenz. Eine halbe | |
Million Menschen machen mit bei Citizen-Science-Projekten. | |
Öffentlichkeit in der Wissenschaft: Lust auf Zukunft und Gestaltung | |
Wissenschaftskommunikation gehört an den Unis zu den expandierenden | |
Bereichen. Zunehmend wird versucht, den „Bürger“ direkt zu erreichen. | |
Grundsteinlegung Haus der Zukunft: Ein Pentagon für die Wissenschaft | |
Im Berliner „Haus der Zukunft“ soll es neben Ausstellungen auch Projekte | |
mit Bürgerbeteiligung geben. Mit dabei sind auch Großunternehmen. | |
Wissenschaftskommunikation im Wandel: Infos oder PR in eigener Sache | |
Der „Informationsdienst Wissenschaft“ (idw) steht 20 Jahre nach seiner | |
Gründung vor neuen Herausforderungen. Social-Media-Kanäle werden zu wenig | |
genutzt. | |
Wissenschaft und Medien: Heimliche Zuschüsse | |
Wissenschaftsorganisationen und der Staat beeinflussen mit Geld die | |
Berichterstattung in den Medien. Über die Zuwendungen wird ungern geredet. | |
Wissenschaftsjournalismus: Wes Brot ich ess', des Lied ich sing' | |
Wer bezahlt über Wissenschaft schreibt, steht unter dem Verdacht, nur ein | |
Sprachrohr der „Scientific Community“ zu sein. Es ist nicht besser | |
geworden. |