# taz.de -- Heiko Maas über rechte Gewalt: „Vor den Taten kommen die Worte“ | |
> Wir müssen die verbale Radikalisierung stoppen, sagt Justizminister Heiko | |
> Maas. Das Abschneiden der AfD bezeichnet er als Bewährungsprobe für die | |
> Demokratie. | |
Bild: Heiko Maas am Donnerstag am Rande des Gipfels | |
taz: Herr Maas, im letzten Jahr gab es über 1.000 Straftaten gegen | |
Asylunterkünfte. Sie haben jetzt mit den Landesjustizministern | |
Gegenmaßnahmen vereinbart. Hatten Sie rechte Gewalt zuvor unterschätzt? | |
Heiko Maas: Das Ausmaß der Gewalt ist erschütternd. Ich befürchte aber, | |
dass viel von dem Hass, der jetzt offen zu Tage tritt, nicht neu ist. Die | |
Hemmschwellen sinken leider immer weiter. Das ist eine dramatische | |
Entwicklung. Das darf und wird unser Rechtsstaat niemals dulden. | |
Was wird jetzt besser? | |
Wir werden einige konkrete Maßnahmen ergreifen, um Straftaten schneller und | |
effektiver aufzuklären. Dazu werden wir den Informationsaustausch zwischen | |
Ländern und Generalbundesanwalt verbessern, um bestimmte Tatmuster | |
schneller zu erkennen. Politisch motivierte Gewalt wird in Zukunft besser | |
statistisch erfasst, damit wir genauer wissen, wie viele Täter tatsächlich | |
zur Rechenschaft gezogen werden. Und: Wir werden schon bei der Entstehung | |
eines gewalttätigen Klimas ansetzen, indem wir Hasskriminalität im Internet | |
stärker bekämpfen. | |
Letzteres gelingt bisher kaum: Rechte Gewaltfantasien kursieren weiter. Wo | |
wollen Sie ansetzen? | |
Es ist gut, dass Unternehmen wie Facebook mittlerweile anerkennen, dass | |
auch für sie das deutsche Strafrecht gilt, und dass sie rechtswidrige | |
Inhalte schneller löschen wollen. Hasskriminalität gehört nicht ins Netz, | |
sondern vor einen Richter. Und da landet sie auch zunehmend. Nur ein | |
Beispiel aus den letzten Monaten: 2 Jahre und 3 Monate Haft ohne Bewährung | |
vom Amtsgericht Kitzingen wegen Volksverhetzung und Aufforderung zu Gewalt | |
gegen Flüchtlinge, Ausländer und Juden. Über solche Strafen sollte jeder | |
mal nachdenken, der seinen fremdenfeindlichen Müll bei Facebook und | |
anderswo absondert. | |
Laut Behörden wurden viele Anschläge von Tätern begangen, die bis dahin | |
nicht auffällig waren. Was hilft gegen radikalisierte „Wutbürger“? | |
Wie ich eben sagte: Wir müssen schon die verbale Radikalisierung stoppen. | |
Denn: Vor den Taten kommen meist die Worte. Strafbare Postings müssen | |
konsequent verfolgt werden, gegen die Verbreitung von Hass müssen wir alle | |
unsere Stimme erheben. Außerdem müssen wir den Ermittlungsdruck erhöhen. | |
Wer immer einen Anschlag erwägt, muss wissen, dass der Staat alles tun | |
wird, um ihn zu finden und zu bestrafen. | |
In den Ländern triumphiert die AfD. Sie nannten deren Leute mal | |
„rhetorische Brandstifter“. Muss auf sie genauso reagiert werden? | |
Das Abschneiden der AfD ist eine Bewährungsprobe für unsere Demokratie. Wir | |
müssen klare Haltung zeigen gegen Protestierer und Vereinfacher. Die | |
dumpfen Parolen müssen wir mit sachlichen Argumenten entlarven. Wir sind | |
gemeinsam gefordert, wenn die AfD die Flüchtlingsdebatte zur | |
Radikalisierung des politischen Klimas missbraucht. Da darf die schweigende | |
Mitte nicht länger schweigen. Wir alle müssen uns entschieden zu Wort | |
melden, um den Hetzern nicht das Feld zu überlassen. | |
Sie trafen nur die Justizminister. Bräuchte es nicht einen Schulterschluss | |
aller Ressorts? | |
Ja. Gegen rechte Gewalt müssen wir alle staatlichen Kräfte bündeln. Wir | |
brauchen eine enge und effektive Zusammenarbeit aller Behörden. Täter | |
dürfen nicht ungestraft davonkommen. Und wir müssen auch präventiv alles | |
tun, um Rechtsextremismus zu bekämpfen. Die vorhandenen Programme sollten | |
ausgebaut und die Finanzierung dauerhaft gesichert werden. | |
18 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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