| # taz.de -- Planmäßige Verwirrungen: Es sind Hexen im Haus | |
| > Die Bremer Shakespeare Company zeigt „Macbeth“ in durchweg männlicher | |
| > Besetzung als vergesellschafteten Konflikt – und nimmt sich dafür leider | |
| > zu viel Zeit. | |
| Bild: Hier im Gruppenbild vereint: Drei Hexen, diverse Fürsten, Könige, deren… | |
| Wer die Handlung des Schinkens „Macbeth“ nicht halbwegs sicher nacherzählen | |
| kann, der dürfte auch nach dem Besuch der neuen Inszenierung der | |
| Shakespeare Company noch so seine Schwierigkeiten damit haben. Allerdings: | |
| Über Macht, Verrat und das Schicksal dürfte er hinterher umso besser | |
| Bescheid wissen. | |
| Fünf Männer stehen da durchweg im schwarzen Frack auf der Bühne und spielen | |
| in diesem Kostüm alle: Macbeth, König Duncan plus Söhne, die Thanes und | |
| natürlich die Hexen. Die Rollenzuweisung ist unzuverlässig, mal wird | |
| getauscht, oder der Macbeth von der vollen Besetzung im Chor gesprochen. | |
| Die einzige Konstante ist dabei Erik Roßbander als Lady Macbeth, ebenfalls | |
| mit Frack und Fliege, um den Herren einen bezaubernden Fixpunkt für all die | |
| widersprüchlichen Varianten männlicher Rollenbilder zu bieten. | |
| ## Die Verwirrung ist gewollt | |
| Diese planmäßige Verwirrung spannt das Publikum unmittelbar ins paranoide | |
| Rätseln ein: Wer ist noch grad der Verräter? Wer tötet da wen? Und vor | |
| allem: Sind schon wieder Hexen am Werk? Den Verweis auf die zu Shakespeares | |
| Zeiten in Europa noch umgehende Hexenverfolgung gibt Peter Lüchinger im | |
| Paratext noch vor dem ersten Vorhang zu Bedenken: Jeder hier könnte eine | |
| Hexe sein. | |
| Auf der Bühne steht eine weiße Insel: ein schlicht möblierter Felsen, | |
| irgendwas zwischen Pärchenwohnung und schottischer Burg. Jenseits der | |
| Grenzen dieses abgeschlossenen Raums treiben sich meist nur Hexen und | |
| Geister herum. | |
| Noch gesteigert wird die Dichte über die Chöre. Dass Regisseur Bernd | |
| Freytag davon etwas versteht, hat er als langjähriger Chorleiter von Einar | |
| Schleef und Volker Lösch längst unter Beweis gestellt. Am Leibnizplatz hat | |
| er in seinem ersten Stück, „König Lear“, noch sehr dezent mit der | |
| Mehrstimmigkeit gespielt – um nun endlich so richtig aufzufahren. | |
| ## Im Bann des Chors | |
| Insbesondere das Trio Tobias Dürr, Markus Seuß und Tim Lee manövriert | |
| gekonnt durch die Rollenwechsel und überführt die gemeinsame Pose immer | |
| wieder in Tanzschritte, Gesang und eben gemeinsames Sprechen. | |
| Im Chor werden die Sprecher zur Einheit, deuteln nicht länger an den | |
| individuellen Rollen herum, sondern gehen auf in der fremdbestimmten | |
| Ordnung. Darüber wird der Schicksals-Text auch über seinen Inhalt hinaus | |
| bestimmend, die Ausweglosigkeit der Untergangsbewegung hör- und erfahrbar. | |
| Und das wäre alles so richtig überwältigend, wenn es denn nur gelungen | |
| wäre, diese Spannung auch über die knapp zwei Stunden durchzuhalten. Doch | |
| obwohl die zentralen Dialoge durchaus stimmig eingebunden sind und dazu | |
| noch ein durchaus launiges Varieté-Thema den Stoff verdaulich macht – | |
| obwohl das alles funktioniert, wird der Abend dann doch zäh, hat man die | |
| Konstruktion erst erfasst. | |
| ## Es geht um alle | |
| Dann beginnt man doch irgendwann runterzuzählen, wenn Peter Lüchinger mal | |
| wieder den Wasserstand durchgibt: „Fünfter Akt, Szene acht“, was im | |
| Publikum hier und da mit hastigem Blättern im Programm quittiert wird. | |
| Dennoch bleibt Freytags „Macbeth“ ein angenehm frischer Zugriff auf das | |
| Stück, dem es gelingt, trotz Hokuspokus und Historie wirklich Drängendes zu | |
| erzählen. Denn drohende Untergänge beschäftigen nicht allein Schottland und | |
| Macbeth. | |
| Das Verhängnis wird in dieser Inszenierung gekonnt vergesellschaftet. „Wir | |
| müssen alles ändern“, heißt es am Ende – und meint damit die ganze Welt. | |
| Und daran kann trotz Durststrecke keiner mehr zweifeln, der diese paranoide | |
| Schicksalsmaschine in Aktion erlebt hat. | |
| Termine: 3. und 11. März, 19.30 Uhr, Theater am Leibnizplatz | |
| 2 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan-Paul Koopmann | |
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