# taz.de -- Kunst und Politik: Mit den Mitteln der Kultur | |
> Ein deutsch-französisches Projekt will Migration und Integration mit | |
> Tanz, Theater, Bild und Musik diskutieren. Am Rande geht es auch um die | |
> Lage Papierloser. | |
Bild: Keiner kann rein: Die multimediale Installation "Zon-Mai" steht im Mittel… | |
Es ist ein eher schlichtes Haus, dafür aber ein ziemlich großes. Nur eben | |
verkehrt herum. Also: Eines ohne Türen und Fenster, dafür mit verschiedenen | |
Filmen auf Dach und Wänden, die von 21 BewohnerInnen erzählen, alles | |
TänzerInnen. Wir schauen ihnen im Inneren des Hauses zu, in ihren eigenen | |
Schlaf- und Wohnzimmern, Küchen, Bädern, die in Paris oder London oder | |
sonst wo auf der Welt stehen – und bleiben als Publikum trotzdem außen vor. | |
Fremde. „Zon-Mai“ heißt diese multimediale Installation des französischen | |
Fotografen und Regisseurs Gilles Delmas und des Tänzers und Choreografen | |
Sidi Larbi Cherokaoui, einem Halb-Flamen und Halb-Marokkaner, wie er selbst | |
sagt. | |
„Zon-Mai“ ist dabei zunächst die Umkehrung des französischen Wortes für | |
„Haus“, also: maison. Es ist ein Wanderkunstobjekt, das 2009 zunächst für | |
das ehemalige Pariser Kolonialmuseum entstand, das heutige „Cité nationale | |
de l‘histoire de l‘immigration“. Und es ist der Mittelpunkt des | |
deutsch-französischen Kultur- und Kooperationsprojektes „Zuhause.Anderswo“ | |
in Bremen. Das will Fragen von Migration und Integration vor allem | |
kulturell diskutieren. Kunst spiele eine wesentliche Rolle, um Menschen | |
unterschiedlicher Nationalitäten und Religionen zusammenzuführen, hatte der | |
französische Botschafter Maurice Gourdault-Montagne bei der Eröffnung | |
gesagt. | |
Organisiert wird „Zuhause.Anderswo“ vom Institut Français in Bremen, | |
beteiligt sind neben der kulturpädagogischen Initiative „Quartier Bremen“ | |
die Bremer Shakespeare Company – sie koproduziert mit einem portugiesischen | |
Ensemble und dem britischen Regisseur Lee Beagley ein Stück, das auf „König | |
Lear“ basiert. Auch das „Steptect Dance Project“ ist mit dabei, zunächst | |
mit dem Tanzstück „The Drift“ von Choreograph Helge Letonja (taz | |
berichtete). Im Juni wird er mit einem kenianischen Kollegen und acht | |
TänzerInnen ferner ein Stück im Senegal entwickeln, welches dann im | |
September in Bremen uraufgeführt wird. Letonja geht es, wie er sagt, um den | |
Körper als „intimstes Zuhause“. | |
„Was wirklich zählt, ist nicht in den Ausweispapieren zu lesen, sondern in | |
den Herzen“, sagte der französische Botschafter bei seiner Eröffnungsrede. | |
Wenn man mal überhaupt solche Papiere hat. Von allen anderen, also den | |
„Einwanderern ohne Aufenthaltsgenehmigung“, war am Freitag immerhin im | |
Rahmenprogramm der Veranstaltungsreihe die Rede. Wobei: In Frankreich, so | |
die seit langem in Paris lebende Journalistin Martina Zimmermann, könne man | |
sich zum Teil auch als Papierloser „bestens integrieren“. Wie das in Bremen | |
aussieht, beschrieb Olaf Bernau, Aktivist bei „NoLager Bremen“: Er | |
berichtete von einem namhaften örtlichen Industriebetrieb, der immer wieder | |
Papierlose beschäftigt. Wenn sie erstmal 600 Euro Vermittlungsgebühr | |
zahlen, 300 Euro pro Monat für gemietete Papiere anderer Flüchtlinge und | |
dann ein paar Tage umsonst arbeiten. Zwei Drittel der Leute, so Bernau, | |
fliegen nach ein paar Wochen wieder raus, viele bekämen dann gar keinen | |
Lohn. Die Arbeitsbedingungen seien „frühkapitalistisch“, so Bernau. Dagegen | |
wehren will sich kaum einer, zu groß sei die Furcht, auch diese Chance auf | |
Arbeit und Geld zu verlieren. Und am Ende des Monats nicht ein paar Euro | |
über zu haben, die man der Familie schicken kann. | |
„Ein Zuhause finden, sich neu orientieren, ohne seine Wurzeln zu vergessen | |
– das ist das Entscheidende bei der Integration“, hatte Bürgermeister Jens | |
Böhrnsen (SPD) als Schirmherr in seiner Begrüßung gesagt. | |
## Bis 12. Mai, Postamt 5, 1. OG | |
15 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
## TAGS | |
Theater | |
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