# taz.de -- Theaterstück über die Bundeskanzlerin: Merkel geht immer | |
> Wenn die Macht ohnmächtig wird: Die Bremer Shakespeare Company inszeniert | |
> das Königin-Drama „Angela I.“ von Katja Hensel. | |
Bild: Kann die Finger nicht von der Macht lassen: die Kanzlerin (Silke Buchholz… | |
Die Versuchung ist groß, möchte man meinen. Ein Stück über die Kanzlerin, | |
die sich real im letzten Viertel ihrer langen Regierungszeit befindet, noch | |
dazu in einem Shakespeare-Theater, das Regenten schon autorenspezifisch oft | |
den Garaus macht – das riecht doch fast schon nach Angie-Bashing. Doch | |
Pustekuchen, so einfach will es sich „Angela I.“ nicht machen, ganz im | |
Gegenteil: Das Stück von Katja Hensel wirbt in Stefan Ottenis Inszenierung | |
sogar um Verständnis für den arg angefeindeten Berufsstand des Politikers. | |
„Ich hätte kein Interesse, ein Stück zu schreiben, wenn die Haltung vorher | |
klar ist“, sagt die Autorin, die zunächst etwas skeptisch gewesen sei, als | |
im vergangenen Sommer die Anfrage kam, ein Stück über Angela Merkel zu | |
schreiben. Die Bremer Shakespeare Company – jahrelang überwiegend dem | |
übermächtigen „Hausautor“ verbunden – hatte vor zwei Jahren mit Mike | |
Bartletts „King Charles III“ und zeitgenössischem politisch-utopischem | |
Theater ordentlich gepunktet; entsprechend wollte man den eingeschlagenen | |
Weg weitergehen und dieses Mal die Befindlichkeiten im eigenen Land | |
untersuchen. | |
Erneut wurde Stefan Otteni beauftragt – ein Regisseur mit deutlichem | |
Staatstheater-„Geruch“ –, der wiederum Katja Hensel anrief, die sich als | |
Autorin zeitgenössisch-politischer Stücke in der deutschen | |
Theaterlandschaft längst einen guten Namen gemacht hatte und überdies vor | |
vielen Jahren auch schon einmal bei der Company engagiert war, was der | |
Sache entgegenkam. | |
Zunächst habe sie Merkel für keine theatrale Figur gehalten, räumt Hensel | |
ein, dieser Eindruck habe sich aber geändert – „je mehr ich mich mit ihr | |
beschäftigt habe, umso vielseitiger erschien sie mir“. Warum? „Weil sie als | |
Figur unberechenbar ist und in ihrem Handeln viel Spielraum lässt für | |
Interpretationen – es gibt einfach sehr viele unterschiedliche Facetten an | |
ihr.“ | |
## Zukunftspläne im Versteck | |
Zeitlich angesiedelt ist das Stück in der nahen Zukunft – Angela Merkel ist | |
spurlos verschwunden, nachdem sie ihrer Aufgabe überdrüssig geworden war. | |
Doch während sich das Land in Aufruhr befindet, der Verdrossenheitspegel | |
weiter steigt und das Volk sogar den Aufstand plant, schmiedet die | |
Kanzlerin in ihrem Versteck schon wieder kühne Zukunftspläne. Ziel der | |
Theatermacher war und ist es dabei, das utopische Potenzial auszuloten – | |
mit der Fragestellung, was heckt sie aus, oder was hätte sie aushecken | |
können? | |
Das Stück habe drei Ebenen, erklärt Regisseur Otteni: Die erste zeige die | |
Kanzlerin, wie sie in ihrem Versteck alles mitbekommt, was im Land | |
passiert, und reagiert; auf der zweiten Ebene werden vier Politiker in | |
ihrem verzweifelten Versuch gezeigt, die Gunst der Wähler | |
(zurück)zugewinnen – und auf einer dritten Ebene geht es um den Nachwuchs: | |
Die Kinder aus dem Bundestags-Kindergarten bereiten sich auf die Zukunft | |
vor, indem sie „Angela, die kleine Meerjungfrau“ proben. | |
Allerdings: „Es ist weniger ein Stück über Angela Merkel als vielmehr ein | |
Stück über den Zustand unseres Landes“, sagt Katja Hensel – eines über | |
Politikverdrossenheit und die wachsende Hilflosigkeit der Politiker, über | |
die Entfremdung von Bürgern und Politikern. Katja Hensel: „Die Kluft wird | |
immer größer, die Unmut wächst auf beiden Seiten. Wir fragen: Woher kommt | |
das?“ | |
## Rücktritt vom Parteivorsitz kam dazwischen | |
Zum Ausdruck kommt diese Hilflosigkeit in einer Szene, die schon auf einer | |
öffentlichen Probe zu sehen war: Politiker verschiedener Couleur, allesamt | |
mit Merkel-Frisur, -Jäckchen und -Raute (Otteni: „Das ist unser Ausdruck | |
der Merkelisierung“) versuchen ebenso verzweifelt wie hoffnungslos, ihre | |
Botschaft an die Frau und den Mann zu bringen – das Ergebnis sind keine | |
neuen Wähler, sondern Wurfgeschosse der unterschiedlichsten Art. Und die | |
Company wäre nicht die Company, wenn es dabei nicht auch reichlich komisch | |
zugehen würde. | |
Für Katja Hensel lief im Übrigen zunächst auch nicht alles nach Plan: Als | |
bekannt wurde, dass Merkel den Parteivorsitz [1][abgeben] würde, hatte eine | |
Änderung des angedachten (und jetzt überholten) Plots zu folgen – nun ist | |
er losgelöst von allem, was noch kommen könnte. „Das hat uns gut getan, | |
sonst wären wir eventuell immer der Realität hinterhergehechelt“, sagt | |
Otteni, der einen „schnellen, assoziativen Abend“ verspricht: „Im Grunde | |
ist dieser Abend eine zwanglose Einladung, nach dem Prinzip: Uns gefällt | |
das. Guckt doch mal, ob euch das auch gefällt.“ | |
26 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Frank Schümann | |
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