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# taz.de -- Radsport auf Mallorca: In die Pedale treten statt Strandurlaub
> Im Frühjahr wird Mallorca zum Lieblingsort von Hobbyrennradfahrern. Mehr
> als 50 Unternehmen organisieren die Sportreisen.
Bild: Berg auf, Berg ab. Mallorca ist ein beliebtes und herausfordendes Ziel f�…
Palma de Mallorca taz | Marcel Iseli sieht müde aus. Der Mitinhaber des
Schweizer Reiseunternehmens „Hürzeler Bicycle Holidays“ steht sichtlich
geschafft an der Promenade von Playa de Muro im Norden Mallorcas. Iseli und
seine Mitarbeiter haben mal wieder einen arbeitsreichen Tag hinter sich.
Gäste begrüßen, Anmeldungen und Verträge checken, Radfahrer vermessen,
Räder und manchmal auch Radkleidung morgens ausgeben, abends wieder
einsammeln – das schlaucht.
„Die Radfahrer kommen morgens alle um die gleiche Zeit in die Station und
wollen natürlich schnellstens losfahren. Nachmittags das gleiche Spiel: Rad
abgeben, registrieren lassen – alles möglichst innerhalb von Minuten. Für
uns ist das Stress pur“, sagt Iseli.
Das im Frühjahr tägliche Prozedere mit Hunderten von Hobby-Radsportlern ist
für Iseli und seine Leute aber auch Business as usual. Sie machen das schon
seit über 30 Jahren. Damals fing im Hotel Delta im Süden der Insel für den
Schweizer Bahnradprofi Max Hürzeler alles an, als er erstmals ein
Trainingslager für befreundete Sportler organisierte. Was im ersten Jahr
noch eine „fixe Idee“ war, wurde ein Erfolgsmodell: Heute bringt allein das
Schweizer Unternehmen jährlich über 45.000 Radsportler auf die Insel.
Insgesamt sind es mehr als 100.000. Das schätzt Mallorcas
Tourismusministerium.
Im März 1986 hatte sich Radprofi Max Hürzeler erstmals im Delta
eingemietet. Der Schweizer Bahnrad-Champion hatte zum Trainingslager
geladen, 185 Gäste folgten ihm. Das brachte so viel ein, dass Hürzeler
umsonst wohnen konnte. Radsportferien auf Mallorca – so etwas gab’s vorher
nicht. Allenfalls ein paar Freaks waren auf den Gedanken gekommen, die
Balearen-Insel zu einem frühen Radtraining zu nutzen.
## Der Geheimtipp sprach sich herum
Hürzeler aber war sofort begeistert. Ein Jahr später, der Eisgenosse war in
Wien gerade Weltmeister auf der Bahn geworden, beendete er mit 32 Jahren
seine Karriere. Der Schweizer, der bis dahin sein Radsportleben mit dem
Import von Sportbekleidung finanziert hatte, setzte jetzt voll auf die
Karte Mallorca. 1987 kamen schon 440 Gäste, der Geheimtipp begann sich
herumzusprechen.
1989 war auch Marcel Iseli, damals Bürgermeister von Hürzelers
Heimatgemeinde Bad Zurzach, unter den Gästen. Und Hürzeler erkannte: Iseli
war sein Mann. Der fing gleich als Gruppenleiter an, wurde später
Generalsekretär, kümmerte sich dann um die Ausbildung der Mitarbeiter und
die zunehmend komplexere Struktur der Anmeldungen. In der Schweiz arbeitete
Walter Güntensberger mit, der Reisefachmann stieg ebenfalls in die Firma
ein.
## Mallorca wurde zur Goldgrube
Die drei erkannten: Mallorca war ideal für Radsportferien. Ganzjährig gutes
Wetter, eine abwechslungsreiche Topografie von flach bis bergig und vor
allem: gut erreichbar aus Deutschland und der Schweiz, wo die
Hobbyradsportszene beständig wuchs. Waren es in den 80ern gerade einmal
eine Handvoll Flugverbindungen am Wochenende, wird Mallorca heute von
Dutzenden Flughäfen in Westeuropa sieben Tage in der Woche quasi im
Stundentakt angeflogen – zu günstigen Preisen.
Für Hürzeler und seine Kompagnons wurde Mallorca zur Goldgrube. Schon bald
nahmen sie in Playa de Muro im Norden der Insel ein weiteres Hotel als
ständige Station dazu und weckten damit jenen Teil der Insel auf, der stets
etwas länger geschlafen hatte. „Mittlerweile lohnt es sich für die
Hoteliers, ihr Haus schon im März zu öffnen, weil so viele Radsportler
buchen“, erklärt Iseli.
Heute arbeitet Hürzeler mit mehr als 20 Hotels zusammen, auf der ganzen
Insel wurden elf feste Radstationen mit rund 5.000 Leihrädern eingerichtet.
Hürzeler ist schon lange nicht mehr der einzige Anbieter, dafür aber der
mit Abstand größte der mittlerweile rund 50 Konkurrenten.
## Anreise mit dem 10.000 Euro teuren Rad im Gepäck
„Ich habe Jahr für Jahr mehr Kunden aus Russland und den arabischen
Ländern. Dort entwickelt sich der Radsport erst gerade“, sagt Guido
Eickelbeck. Der ehemalige Profi betreibt im Südosten der Insel eine
kleinere Agentur im hochpreisigen Segment. „Bei uns kommen Leute, die haben
Räder für 10.000 Euro im Gepäck“, sagt Eickelbeck.
Rund 65 Prozent der Radsport-Inselgäste kommen nach wie vor aus
Deutschland, 25 Prozent aus der Schweiz. Der kleine Rest verteilt sich im
Wesentlichen auf die Benelux-Länder, Österreich und Skandinavien.
Mit Hürzeler, der seine Firma im Sommer 2005 an Iseli und Güntensberger
verkauft hat und nur noch im Hintergrund mitarbeitet, entwickelte sich aber
nicht nur die Anzahl der Radurlauber auf der Insel radikal. Der Schweizer
Unternehmer ist auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich Mallorcas
Infrastruktur stark veränderte.
## 40-Punkte-Programm für Sicherheit der Radfahrer
Waren die meisten Straßen und Wege in den 80er Jahren wegen Schlaglöchern,
kaputtem Belag und fehlender Akzeptanz für Radsportler zum Teil höchst
gefährlich, wurde das Radwegenetz im Laufe der Jahre stetig verbessert.
Die 1997 fertiggestellte Autobahn verbindet den Süden mit dem Norden der
Insel und verlagerte einen großen Teil des Verkehrs weg von den
Landstraßen. Diese werden ihrerseits mit rund einer Million Euro jährlich
verbessert und ausgebaut. „Dieses Geld wird durchaus auch in Absprache mit
uns dort investiert, wo wir am meisten Verbesserungsbedarf sehen“, erklärt
Marcel Iseli stolz.
## Strecken von 40 bis 170 Kilometern
Im März dieses Jahres präsentierte der mallorquinische Inselrat mit
Mercedes Garrido an der Spitze nochmals ein 40-Punkte-Programm mit dem
Ziel, die Insel für Radsportler sicherer zu machen. Gefahrenstellen sollen
beseitigt werden, bis Ende 2017 soll ein Großteil der Maßnahmen angegangen
werden. Zudem wurde eine Radkarte mit je nach Tauglichkeitszustand orange,
rot, rosa und blau eingefärbten Verkehrswegen erstellt. „Wir wollen beste
Bedingungen für Radfahrer schaffen“, erklärte Garrido kurz und bündig.
Allerdings ist der Radtourismus auch auf Mallorca nicht unendlich
ausbaufähig. Schon jetzt startet allein Hürzeler in der Hochsaison um
Ostern herum jeden Morgen mit 45 Gruppen zu unterschiedlichen Touren. Die
Kunden fahren im Pulk Strecken von 40 bis 170 Kilometern, das
Durchschnittstempo ist wählbar. Das geht vom gemütlichen Rollen mit 18 km/h
im Durchschnitt bis hin zu ambitionierten Fahrten, die mit ehemaligen
Profis als Zugmaschinen mit durchschnittlich 30 km/h über die Insel jagen.
## 49 Verkehrstote 2015, davon knapp die Hälfte Radfahrer
Mallorca ist in diesen Tagen pickepackevoll mit Radsportlern. Nicht selten
kommt es zu gefährlichen Szenen vor allem mit Mietwagen von Touristen. Von
den insgesamt 49 [1][Verkehrstoten auf den Balearen] im Jahr 2015 waren
knapp die Hälfte Radfahrer. Unfälle mit Verletzungsfolgen und
Radlerbeteiligung gehen Jahr für Jahr in die Hunderte. Und dann nutzt sich
Mallorca für die Erfahrensten auch irgendwann einmal ab. „Wir haben viele
Stammgäste, die kommen schon seit 25 Jahren“, sagt Iseli. „Die kennen die
Insel irgendwann dann in- und auswendig.“
Hürzeler bietet daher seit ein paar Jahren auch Radtouren in Tirol und
Andalusien an. In den Monaten der mallorquinischen Nebensaison organisieren
die Schweizer sogar Langstreckentouren in Europas Osten oder auf Kuba, in
Thailand oder Kambodscha. „Sehr interessant und abenteuerlich“, findet
Iseli. Um gleich hinzuzufügen: „Unser Kerngeschäft aber, das bleibt
Mallorca.“
13 Mar 2016
## LINKS
[1] /Fremdverschuldete-Stuerze-im-Radsport/!5229160
## AUTOREN
Olaf Jansen
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