# taz.de -- Flüchtlingskonferenz in Hamburg: „Wir alle sind Menschen“ | |
> Auf Kampnagel hat eine Konferenz mit über 1.000 Flüchtlingen begonnen. | |
> Ein Ziel ist erreicht: Gruppen zu vernetzen und sich nicht bevormunden zu | |
> lassen. | |
Bild: Selbstorganisation als Teilerfolg: Flüchtlinge beim Kongress auf Kamnage… | |
HAMBURG taz | Ali Ahmet hebt den Arm: „We are here to ... stay!“, ruft er | |
ins Mikrofon, und das Publikum wiederholt die Parole im Chor. Mehrere | |
hundert Menschen sind am Freitagabend in die Hamburger Theaterfabrik | |
Kampnagel gekommen, um unter dem Titel „The Struggles of Refugees – How to | |
go on?“, zu diskutieren, sich zu vernetzten und zu streiten. 1.300 waren zu | |
der [1][Konferenz] angemeldet, dazu kommen bis spät am Abend noch viele | |
weitere, die spontan teilnehmen wollen. | |
MigrantInnen, AktivistInnen, Flüchtlinge. Aus Hamburg, Berlin, Hannover, | |
aus Italien, Frankreich und Holland. Bis Sonntag wollen sie über ihre | |
verschiedenen politischen Anliegen sprechen, über die Lage an den | |
EU-Außengrenzen, in den Herkunftsländern und über die neuen | |
Asylrechtsverschärfungen. Es ist eine der größten Zusammenkünfte, die | |
Geflüchtete selbst organisiert haben - und auf denen sie vor allem selbst | |
zu Wort kommen. | |
Im Foyer stehen viele kleine Gruppen und diskutieren. Es gibt eine | |
Video-Übertragung, in einem weiteren Raum Essen von einer Volksküche. Auch | |
für Kinderbetreuung ist gesorgt: Die angrenzende Kita in der Jarrestraße | |
hat dafür extra ihre Räume zur Verfügung gestellt. Ab Samstag startet eine | |
„Legal Clinic“, bei der Anwälte individuelle Rechtsbetreuunug anbieten. | |
„Schon jetzt ist eines unserer Ziele erreicht, indem wir viele verschiedene | |
Gruppen vernetzt und zusammengebracht haben“, sagt Ali Ahmet, ein Sprecher | |
der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ zur taz. „Mit der Konferenz zeigen wir | |
einmal mehr, was wir unabhängig vom Staat alleine schaffen können: All das | |
hier ist selbstorganisiert und selbst bezahlt.“ | |
## Selbstorganisation als Selbstermächtigung | |
Weil in den Wochen vor der Konferenz immer mehr Menschen ihre Teilnahme | |
zusagten, wurde die Schlafplätze knapp. In den letzten sieben Tage schuf | |
das „Raumlabor Berlin“ spontan eine Schlafinstallation auf dem Gelände: | |
Kleine hölzerne Kabinen mit Vorhängen bilden zusammen ein kleines Dorf, in | |
dem knapp 100 Menschen schlafen können. | |
Auf dem Eröffnungspodium sitzen acht AktivistInnen der Lampedusa-Gruppe. | |
Hinter ihnen läuft eine Dia-Show mit den Höhepunkten ihres Protests in den | |
vergangenen drei Jahren. Die steile Zuschauertribüne ist fast komplett | |
besetzt. Manche haben Kopfhörer im Ohr: Simultan wird in sieben Sprachen | |
übersetzt, darunter Farsi, Romanes oder Tigrinya, sowie zusätzlich in | |
internationale Gebärden. | |
„Es ist einer unserer größten Erfolge, uns selbst organisiert zu haben“, | |
sagt Abimbola Odugbesan auf dem Podium. Die Lampedusa-AktivistInnen hätte | |
mittlerweile Ausbildungen angefangen, seien an der Universität. Ob die | |
Gesetze ihnen einen legalen oder einen illegalen Status zuschrieben: „Wir | |
alle sind Menschen“, sagt er. | |
Illegal, legal, „geduldet“ oder mit sicherem Aufenthaltstitel: Auch die | |
rechtlichen Grundlagen der an der Konferenz Teilnehmenden sind sehr | |
unterschiedlich. Ein Palästinenser aus Syrien erzählt, er sei auch aus | |
Solidarität hierher gekommen. Er selbst kenne Menschen, die nicht einmal | |
eine Duldung hätten. Seit 14 Monaten ist er in Deutschland und spricht | |
schon fast fließend deutsch. Er ist als politischer Flüchtling anerkannt – | |
und hat somit einen vergleichsweise sicheren Aufenthaltsstatus. | |
## Gute Flüchtlinge, schlechte Flüchtlinge | |
Anders ergeht es den Roma, die aus Serbien oder Mazedonien nach Deutschland | |
geflohen sind. „Täglich werden Familien abgeschoben“, sagt Kenan Emini vom | |
Roma Center Göttingen. Sein Film „The Awakening“ über die Situation | |
abgeschobener Roma wird am Samstag gezeigt. „Wir sind hier, um zu Wort zu | |
kommen“, sagt er. Dass Roma-Aktivistinnen und andere Flüchtlingsgruppen | |
sich zusammentun, komme noch zu wenig und zu selten vor. „Die Einteilung in | |
gute und schlechte Flüchtlinge, die der Staat vorantreibt, wirkt leider | |
sehr stark“, sagt er. Er kritisiert die aktuellen Verschärfungen des | |
Asylpakets II, das die Schaffung spezieller „Aufnahmezentren“ umfasst. | |
„Sollen jetzt in Deutschland überall wieder Lager entstehen?“, fragt Emini. | |
Dagegen müsse man sich wehren. | |
Die Lampedusa-Aktivistin LaToya Manly-Spain, die am Freitag auch auf dem | |
Podium sitzt, berichtet von den besonderen Schwierigkeiten der Flüchtlinge, | |
die überhaupt keine Papiere haben. Es gebe viele afrikanische Familien, die | |
ohne Dokumente in Hamburg lebten. Zwar könnten die Kinder auch ohne Papiere | |
zu Schule gehen, oftmals müssten aber beide Elternteile arbeiten, um die | |
Familie durchzubringen, die Erziehung würde dann vom ältesten Kind | |
übernommen. „Die Situation ist schrecklich“, sagt sie. | |
Solche konkreten Themen und Probleme sollen bis Sonntag in fünf großen | |
Panels und über 30 Workshops bearbeitet werden. Insgesamt erwarten die | |
Organisatoren bis zu 2.000 Teilnehmerinnen. | |
27 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://refugeeconference.blogsport.eu/de/ | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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