| # taz.de -- Völkermord an den Armeniern: Bundestagsabgeordnete kneifen | |
| > Die Grünen ziehen ihren Antrag zum Massaker von Türken an Armeniern | |
| > 1915/16 zurück. Offensichtlich kuscht Berlin vor Ankara wegen | |
| > Flüchtlingen. | |
| Bild: Cem Özdemir im März vergangenen Jahres bei einem Besuch des Völkermord… | |
| Berlin taz | Wer dieser Tage auf ein klares Bekenntnis des Deutschen | |
| Bundestages zum Völkermord an den Armeniern gehofft hatte, wird sich weiter | |
| gedulden müssen. Einen entsprechenden Antrag mit dem Titel „Erinnerung und | |
| Gedenken an den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren“, den die | |
| Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen eingebracht hatte, zog deren Chef Cem | |
| Özdemir am Donnerstag Abend zurück. Hintergrund war das Angebot von Union | |
| und SPD, im April über einen gemeinsamen Antrag zu entscheiden. | |
| Mit Blick auf die Verhandlungen mit der Türkei in der Flüchtlingskrise | |
| hatten Koalitionsvertreter zuvor gesagt, es sei derzeit nicht der richtige | |
| Zeitpunkt zur Verabschiedung eines solchen Antrages. Zehn Tage vor dem | |
| EU-Gipfel mit der Türkei sei mit einem solchen Antrag „niemandem gedient“, | |
| sagte der SPD-Abgeordnete Dieter Nietan. | |
| Das Massaker der jungtürkischen Regierung an den Armeniern in den Jahren | |
| 1915/16 kostete laut offiziellen armenischen Angaben über eine Million | |
| Menschen das Leben. Die Türkei leugnet den Völkermord, bei dessen | |
| Organisation und Durchführung auch das damalige Deutsche Reich eine | |
| unrühmliche Rolle spielte, bis heute. | |
| Die Causa Armenien ist nicht zum ersten Mal Thema im deutschen Parlament. | |
| Bereits im Juni 2005 stand ein entsprechender fraktionsübergreifender | |
| Antrag auf der Tagesordnung, den auch die damalige Oppositionsführerin | |
| Angela Merkel unterschrieben hatte. | |
| ## 100 Jahre danach | |
| Den Begriff „Völkermord“ machten sich die Abgeordneten selbst nicht zu | |
| eigen. Stattdessen war in der Begründung von zahlreichen unabhängigen | |
| Historikern, Parlamenten und internationalen Organisationen die Rede, die | |
| die Vertreibung und Vernichtung der Armenier als Völkermord bezeichnen. | |
| 100 Jahre danach2015 und damit zum 100. Jahrestages des Völkermordes | |
| brachten die Grünen, CDU/CSU und SPD sowie die Linkspartei jeweils eigene | |
| Anträge ein. Das Papier der Grünen lässt nichts an Deutlichkeit zu wünschen | |
| übrig. Der Deutsche Bundestag fordere die Bundesregierung auf | |
| „anzuerkennen, dass es sich bei den Massakern und Vertreibungen der | |
| ArmenierInnen ab 1915 um einen Völkermord handelt.“ | |
| Im Antrag der Regierungsparteien ist die Formulierung merklich | |
| zurückhaltender: Das Schicksal der Armenier „steht beispielhaft für die | |
| Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der | |
| Vertreibungen, ja der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so | |
| schreckliche Weise gekennzeichnet ist.“ | |
| Doch diese Sprachpirouetten fanden nicht alle Unionspolitiker angemessen. | |
| So sprach Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bei einer | |
| Bundestagsdebatte am 24. April 2015 von einem „Völkermord“ an den | |
| Armeniern. Und sein Parteikollege Christoph Bergner distanzierte sich von | |
| einer starren Semantik, mit der man historische Wahrheiten nicht | |
| verharmlosen dürfe. | |
| ## Verstaubt in der Schublade | |
| Wenige Wochen nach dieser Aussprache wurden die Anträge an die zuständigen | |
| Ausschüsse zur Beratung überwiesen. Nach der Sommerpause einigten sich die | |
| Grünen und die Koalitionsfraktionen auf einen gemeinsamen Resolutionstext. | |
| Doch dieser kam nicht zur Abstimmung, sondern verstaubte erst einmal in | |
| irgendwelchen Schubladen. Grund dafür sei, laut Medienberichten, | |
| Rücksichtnahme auf Ankara gewesen, das Berlin als Partner brauche und vor | |
| allem in Zeiten der Flüchtlingskrise nicht habe verprellen wollen. | |
| Diese Überlegungen gaben auch am Donnerstag wieder den Ausschlag für die | |
| vornehme Zurückhaltung der Parlamentarier. „Wir nehmen die Unionsfraktion | |
| und die SPD beim Wort und erwarten einen gemeinsamen Antrag, der den | |
| Völkermord und die deutsche Mitverantwortung klar benennt“, sagte Cem | |
| Özdemir der taz am Donnerstag nach der Parlamentsdebatte. „Wir haben | |
| gezeigt, dass es uns nicht um Parteipolitik, sondern um die Sache geht. | |
| Deshalb haben wir heute nicht auf einer Abstimmung bestanden. Ich wünsche | |
| mir, dass wir nun endlich unseren Konsens in der Sache auch zu Papier | |
| bringen. Es geht um einen würdigen Abschluss des Gedenkjahres.“ Auf die | |
| Wiedervorlage darf man gespannt sein. | |
| 25 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
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