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# taz.de -- Hamburger Mäzen Waitz über Kultur, Politik und Geld: „Natürlic…
> Der Kunstsammler Hans Jochen Waitz hat schon bei der Hafenstraße
> vermittelt. Nun hat er das Kulturhaus 73 gekauft, aber ins Programm
> reinreden will er nicht.
Bild: Versucht Dinge, die ihn kulturell interessieren, zu ermöglichen: der Ham…
taz: Herr Waitz, als Hamburger Mäzen haben Sie gerade das Kulturhaus 73 am
Schulterblatt direkt neben der Roten Flora gekauft. Warum?
Hans Jochen Waitz: Falk Hocquél, der das Kulturhaus seit zehn Jahren
betreibt, hat mich gefragt, ob ich mich dort engagieren kann. Denn das
Kulturhaus 73 sollte an einen Menschen verkauft werden, der dafür bekannt
ist, dass er sich nicht gerade für Kultur interessiert. Und so haben wir
uns zusammengesetzt und uns geeinigt.
Klingt einfach. Geht es jetzt so weiter wie bisher?
Wir haben uns darauf verständigt, dass Falk Hocquél weiter der
Generalmieter ist und das Haus 73 betreibt.
Was macht diese Immobilie für Sie attraktiv?
Ich will, dass dieser Ort, der in Hamburg bekannt und für junge Leute sehr
interessant ist, erhalten bleibt. Dort finden kulturelle Veranstaltungen
unterschiedlichster Art statt: Theater, Performance und Musik, aber auch
mal Ausstellungen. Dieses Veranstaltungsprogramm soll jetzt noch stärker
ausgebaut werden.
1989 haben Sie der Stadt die Fleetinsel mit ihren vier zum Teil besetzten
Künstlerhäusern abgekauft. Wählen Sie die Orte nach politischen Kriterien
aus?
Die Fleetinsel und das Haus 73 sind künstlerische Orte. Kategorien wie
rechts oder links wären dafür eine falsche Verortung. Auf der Fleetinsel
machen wir ja vor allem Theater und bildende Kunst. Und wenn dort für eine
Veranstaltung kein Platz ist, kann sie künftig im Kulturhaus 73
stattfinden.
Werden Sie inhaltlich Einfluss auf dessen Programm nehmen?
Ich würde vielleicht inhaltlich anregen, was mich interessiert. Aber nicht
sagen, eine Veranstaltung geht nicht, weil die zu rechts oder links ist.
Das ist überhaupt nicht meine Diktion.
Wie würden Sie Ihre Rolle in der Hamburger Kulturpolitik beschreiben?
Ich versuche, Dinge, die mich kulturell interessieren, zu ermöglichen.
Gerade im Kunstfeld läuft viel über die Unterstützung oder nach Gutdünken
des Bürgertums, während sich der Staat zurückzieht. Finden Sie Hamburgs
Kulturpolitik demokratisch genug?
Problematisch ist es dann, wenn in einer Form Einfluss genommen wird, die
Kultur in Ihren Möglichkeiten beschneidet. Aber wenn man privates
Engagement so auffasst, dass es um das Ermöglichen geht, finde ich es nicht
problematisch.
Sie selbst stammen aus einer Familie des alteingesessenen Hamburger
Bürgertums, haben also von Haus aus die Möglichkeit, Kultur zu unterstützen
...
Ich habe die Möglichkeit und interessiere mich für kulturelle Aktivitäten.
Welche Art von Kunst unterstützen Sie?
Bei mir zuhause und auch hier in meinen Büroräumen hängt zeitgenössische
Kunst. Manche Arbeiten sind bereits in den 70er-Jahren entstanden, ich bin
aber auch eine Frucht der 70er- Jahre.
Sie waren in den 1980er-Jahren an der Lösung des Konflikts um die besetzten
Häuser in der Hafenstraße beteiligt. In welcher Funktion?
Ich bin seinerzeit von der Stadt gebeten worden, zwischen dem Senat und den
Besetzern zu vermitteln. Ich habe mich dann mit den Hafenstraßlern in
Verbindung gesetzt und einen Weg des Kompromisses gefunden.
Wie haben Sie den Kontakt zu den Besetzern damals erlebt?
Ich hatte mich damals schon mit den Besetzern der Fleetinsel
auseinandergesetzt und diesen Ort erworben. Die Hafenstraße war etwas ganz
anderes, weil die Akteure politische Ambitionen hatten. Aber wir haben uns
sehr gut verstanden, und nach den ersten Gesprächen habe ich gesagt: Wir
müssen eine Lösung finden, die für alle akzeptabel ist. Nach zähen
Verhandlungen haben wir dann eine Genossenschaftslösung hinbekommen, die
bis heute hält.
Aber wie haben die Besetzer auf jemanden aus dem Bürgertum reagiert?
Die waren natürlich enorm kritisch, das ist aber ja auch in Ordnung. Ich
bin völlig angstfrei in die Vollversammlung gegangen und habe gesagt, dass
der Senat eine Lösung haben möchte, um nicht gezwungen zu sein, die
Hafenstraße zu räumen. Daran wollte ich mit ihnen arbeiten.
Werden in Hamburg politische Konflikte nicht meist mit Geld gelöst?
Die Hafenstraße ist ein gutes Beispiel dafür, dass es das Bürgertum keinen
Pfennig gekostet hat. Es war ein Engagement, das ich eingegangen bin. Ich
bin ja von Beruf Anwalt, und als solcher hat man die Aufgabe,
unterschiedliche Interessen auf einen Nenner zu bringen. Es ist natürlich
reizvoll, das in einem solchen politischen Rahmen zu tun. Ich halte es für
eine gute Sache, wenn der Staat – wie in der Hafenstraße – Dritte aus dem
Bürgertum oder eine Person des öffentlichen Lebens zur Konfliktlösung
hinzuzieht. Auch im Gängeviertel müsste man mal versuchen, die
festgefahrene Situation so auf eine andere Ebene zu bringen.
Was ist aus Ihrer Sicht das Problem im Gängeviertel?
Es gibt dort seit etwa einem Jahr einen Planungsstopp. Ich habe am
vergangenen Wochenende länger mit den Leuten aus dem Gängeviertel geredet.
Ich habe den Eindruck gewonnen, dass es keinen Sinn hat, dass sie ständig
mit den Behörden hin und her verhandeln. Da wäre es vielleicht gut, wenn
jemand Drittes käme und gemeinsam mit den politischen Entscheidungsträgern
der Stadt eine Lösung fände.
Wären Sie dazu bereit?
Nein, ich bin inzwischen zu alt dazu. Ich denke aber darüber nach, wen man
vorschlagen könnte.
Was versprechen Sie sich davon?
Die Frage, wie und von wem das Gängeviertel langfristig betrieben werden,
wer das Eigentum bekommen und welche Rolle die Stadt spielen soll, kann man
nicht in Verhandlungen mit Einzelbehörden klären. Da muss mal einer mit
einem gewissen Weitblick versuchen, eine Einigung herzustellen. Es ist kein
Patentrezept, aber immer einen Versuch wert.
Aber wenn das Bürgertum in der Kulturpolitik einspringt, wo sich die Stadt
raushält, leben doch alte Feudalstrukturen fort.
Dieser Kritik muss man sich natürlich aussetzen. Wo immer Sie sich
exponieren, üben Sie natürlich Macht aus. Das muss man ertragen können und
abwägen. Im Falle der Hafenstraße hat die Regierung seinerzeit auch
vorgeschlagen, dass ich die Häuser kaufen solle. Das wäre aber völlig
falsch gewesen, weil die Bewohner das politische Anliegen hatten,
selbstbestimmt zu wohnen.
Einer Ihrer Mieter ist Rocko Schamoni. Überlegen Sie, auch den Golden Pudel
Club zu unterstützen?
Unterstützen gerne. Ich spreche mit Rocko darüber, was man da machen kann,
ob man Leute findet, die bereit sind, den Club zu retten. Ich selbst biete
bei der Zwangsversteigerung aber nicht mit.
Welche Lösungen wünschen Sie sich für den Pudel?
Ich fände es gut, wenn Rocko Schamoni ihn weiter betreiben könnte. Ob er
das nun persönlich macht oder in Form einer Stiftung, muss ihm überlassen
bleiben. Schlecht ist jedenfalls, wenn sich zwei bekriegen und einer ein
Geschäft machen will, der andere aber nicht.
Warum ist der „Pudel“ wichtig?
Das zu definieren, wäre völlig falsch. Er ist ein Kultort und für Hamburg
ein wichtiger Szenemittelpunkt. Aber nicht bei allen Dingen, die zum
Brennpunkt werden, sage ich: Das mache ich. Genauso wenig, wie ich mich für
die Rote Flora engagiert habe. Ich interessiere mich eher für die
kulturellen Dinge.
Sich für Kultur zu interessieren, heißt ja auch, sich mit dem Rahmen zu
befassen, durch den Kultur ermöglicht wird. Die Hamburger Kulturbehörde
fördert die Freien in der darstellenden Kunst mit 565.000 Euro, die
Berliner dagegen mit zweistelligen Millionenbeträgen. Wie werten Sie das?
Das ist ein Skandal. Es ist ein großes Problem, dass wir in Hamburg für
Leuchttürme wie die Elbphilharmonie sehr viel Geld ausgeben, aber die
kleinen Pflänzchen mit enorm wenig Geld ausstatten. Das ist ein
grundsätzlicher Fehler der Stadt Hamburg, die ja eigentlich sehr wohlhabend
ist. Das führt allerdings auch dazu, dass die Miete höher und das Leben
teurer ist als in Berlin. Das bedeutet, dass die Stadt, wenn sie Vielfalt
erhalten will, mehr tun muss, um kreative junge Leute zu halten.
Warum vernachlässigt Hamburg das?
Weil die freie Szene zu wenig Außenwirkung hat. Die Elbphilharmonie ist
offensichtlich spannender. Das ist zwar eine großartige Architektur, und es
ist wunderbar, dass sie entstand, aber Hamburg ist sehr halbherzig darin,
die Inhalte auskömmlich zu finanzieren.
Konzentriert sich Hamburgs parteilose Kultursenatorin Barbara Kisseler zu
sehr auf Theaterförderung?
Ich glaube, dass viel Geld für alles ausgegeben wird, was leuchtturmartig
ist. Neben der Elbphilharmonie gilt das für Schauspielhaus und Thalia
Theater – jedoch aus meiner Sicht zu wenig für die Kunsthalle und die
Deichtorhallen, die krebsen sehr. Bei allen Ausstellungen sind sie
angewiesen auf Mittel der Galeristen, die die jeweiligen Künstler
vertreten. Das ist keine gute Entwicklung.
26 Feb 2016
## AUTOREN
Lena Kaiser
## TAGS
Gängeviertel
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Hausbesetzung
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