| # taz.de -- Interview mit dem Mäzen Hans-Jochen Waitz: "Künstler sind doch se… | |
| > Der Mäzen Hans-Jochen Waitz vermietet Wohnungen und Ateliers auf der | |
| > Hamburger Fleetinsel an junge und alte Künstler - auch wenn sie nicht | |
| > immer pünktlich ihre Miete zahlen können. | |
| Bild: Versucht Dinge, die ihn kulturell interessieren, zu ermöglichen: der Ham… | |
| Herr Waitz, Sie haben vor 20 Jahren von der Stadt die Fleetinsel mit ihren | |
| vier Künstlerhäusern gekauft. Aus welchen Gründen geschah das? | |
| Hans-Jochen Waitz: Die Fleetinsel war damals besetzt von Künstlern. Die | |
| Gebäude sollten weitestgehend abgerissen werden, ganz ähnlich wie es jetzt | |
| für das Gängeviertel geplant war. Damals kannte ich einige Künstler und | |
| einen Galeristen, die dort lebten und uns ging es darum, die Ecke als | |
| Zentrum für die bildende Kunst zu erhalten. In zähem Ringen mit der Stadt | |
| und durch Sympathiebekundungen des damaligen Kultursenators ist es dann | |
| gelungen, die Gebäude zu erhalten. | |
| Warum aber hat die Stadt an Sie verkauft und das Areal nicht selbst | |
| entwickelt? | |
| Damals war die Situation beherrscht durch die Hafenstraße und die Stadt | |
| merkte, dass sie mit Hausbesetzern gar nicht umgehen konnte. Die wussten | |
| auch gar nicht, dass besetzende Künstler etwas ganz anderes sind als Leute, | |
| die aus politischen Gründen Häuser besetzten, wie in der Hafenstraße. | |
| Der Preis lag damals bei einer Million Mark für den ganzen Komplex, was für | |
| Unmut in der Stadt gesorgt hat. Einige hatten das Gefühl, die Stadt habe | |
| unter Wert verkauft. | |
| Ja, wir haben seinerzeit einen sehr günstigen Preis bekommen. Wir mussten | |
| aber ein vielfaches in die von der Stadt "auf Abriss" verwalteten Häuser | |
| investieren, nur um die Substanz zu erhalten. Wir haben uns auch | |
| verpflichtet, zu günstigen Preisen zu vermieten. Wir haben heute noch | |
| Mieten, die deutlich unter dem Mietenspiegel liegen. | |
| Zudem mussten Sie sich verpflichten, 10 Jahre kulturelle Nutzung zu | |
| garantieren. | |
| Ja, das wollten wir. Jetzt sind es schon 20 Jahre. Und wir haben uns selbst | |
| verpflichtet, das auch weiterhin zu tun. Wir halten fest am Konzept, Wohn- | |
| und Arbeitsmöglichkeiten für kreative Menschen zu schaffen. | |
| Von Haus aus sind Sie Rechtsanwalt. Wie sind Sie eigentlich an die | |
| Künstlerkolonie herangekommen? | |
| Ich hatte immer schon Kontakt zu Künstlern durch mein Interesse für die | |
| bildende Kunst. Und dann hört man ja, wenn man mit den Künstlern redet, was | |
| deren Nöte sind, dass ihnen bezahlbarer Wohn- und Arbeitsraum fehlt. Unsere | |
| Idee war dann, die Häuser stehen zu lassen, aber nur so, dass sie nicht | |
| zusammenbrechen. Also keine Luxussanierung. Wenn hier alles saniert worden | |
| wäre, was ein normaler Grundstückssanierer macht, hätten auch die Mieten in | |
| die Höhe schnellen müssen. | |
| Die Gebäude wirken nun ein wenig marode. | |
| Ja, ganz bewusst. Für einige der Galerien ist das auch ein Problem. Deren | |
| Kundschaft betrachtet die Häuser manchmal als heruntergekommen. Also kommt | |
| gelegentlich die Frage: Könnte ihr nicht mal dieses Treppenhaus schöner | |
| machen? Wir wollen aber nicht, dass es nachher aussieht wie ein Neubau, und | |
| dann sagen wir: Machen wir nicht. | |
| Zurzeit stellt sich die Frage, wie die Stadt mit dem Gängeviertel umgehen | |
| wird. Soll sie es selbst entwickeln, oder wie damals bei der Fleetinsel an | |
| einen privaten Investor geben? | |
| Die Saga könnte es durchaus. Sofern sie die Sanierung in Grenzen hält. Was | |
| nicht einfach sein wird. Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft hat ja | |
| ihre Sanierungsstandards. Die werden dann schnell mal durchgezogen, die | |
| können nicht wie wir jedes mal individuell entscheiden. | |
| Sie glauben, die Saga bekäme das hin? | |
| Naja, man muss wohl ein bisschen darauf achten, dass die Saga Know-how | |
| kriegt, wie man mit Künstlern umgeht. Es ist natürlich so, dass die nicht | |
| immer pünktlich zahlen. Auch dafür muss man ein Händchen haben, und sagen, | |
| gut ich verstehe, du kannst diesen Monat nicht zahlen, aber vielleicht | |
| kannst du ja den nächsten … | |
| Und im nächsten tun sie es? | |
| Nicht immer. Auch die Galerien sind ja nicht alle wohlhabend. Da gibt es | |
| hier welche, die einfach kaum Geld reinbekommen. Wir versuchen denen zu | |
| helfen, ihnen Kontakte zu verschaffen … | |
| Und irgendwann zahlen sie dann wieder mehr … | |
| Ja, na ja, hoffentlich. Auf so etwas locker zu reagieren, wird einem | |
| städtischen Wohnungsbauunternehmen etwas schwerer fallen. Deren Angestellte | |
| können in solchen Fällen nicht beurteilen: kann einer nicht oder will einer | |
| nicht. Dafür muss man sich einfach gut kennen. Wenn uns jemand sagt: wir | |
| haben wirklich kein Geld, dann sagen wir: Wir wollen dich trotzdem haben. | |
| Es gibt halt Künstler, die so schwierige Kunst machen, dass sie auch sehr | |
| schwer zu verkaufen ist. Vielleicht wäre deshalb eine Zwischenlösungen | |
| denkbar. Dass die Saga einen Privaten in die Verwaltung setzt, der die | |
| Verbindung zu den Künstlern hat. Müsste man sich mal im Detail überlegen. | |
| Wie war das denn, nachdem die Mietbindung auf der Fleetinsel ausgelaufen | |
| war. Haben Sie danach die Mieten erhöht? | |
| Natürlich haben wir sie manchmal angehoben, aber sehr moderat, immer unter | |
| den Marktmieten. | |
| So, dass sie auch für jüngere Künstler bezahlbar bleiben ? | |
| So ist es. Obwohl nur wenige Junge einziehen, weil die Alten einfach nicht | |
| ausziehen. | |
| Interessant, die Künstler werden also immer älter … | |
| Ich werde ja auch älter, insofern stört mich das jetzt nicht. Aber es ist | |
| etwas, was wir am Anfang so nicht gesehen haben, wir dachten, es bleibt ein | |
| Ort für junge Künstler. | |
| Wird die Fleetinsel in zwanzig Jahren ein Altersheim für ausgediente | |
| Edelkünstler sein? | |
| Der eine oder andere geht schon mal. Und ein Jüngerer kommt. Und dann haben | |
| wir ja nur in einem Gebäude einen Lift. Irgendwann wird es nicht jeder mehr | |
| in den fünften Stock schaffen. | |
| Unter den alten Mietern sind ganz illustre Namen, Rocko Schamoni, Daniel | |
| Richter oder Jochen Distelmeyer. Hat das auch zum Erfolg der Künstler | |
| beigetragen, dass sie nicht herumgescheucht wurden von Zwischennutzung zu | |
| Zwischennutzung und sich in der Künstlerkolonie frei entfalten konnten? | |
| Eher im weiteren Sinne. Daniel Richter wohnt hier, hat aber ein Atelier am | |
| Rödingsmarkt und eins in Berlin, Jochen Distelmeyer schreibt hier seine | |
| Texte, macht die Musik aber natürlich auch nicht hier. Man kann vielleicht | |
| sagen: Die sind eben glücklicherweise nicht nach Berlin abgewandert und das | |
| ist der Effekt. | |
| Wie ist Ihr Verhältnis zu den Künstlern? | |
| Anfangs gab es mit einigen Mietern Spannungen. Unser Konzept sah ja auch | |
| vor, dass wir mehrere Galerien in den Gebäuden ansiedeln wollten, auch eine | |
| Kunstbuchhandlung. Die brauchen Platz. Und wenn ein Mieter sich auf 300 | |
| Quadratmetern ausgebreitet hatte, da haben wir gesagt: Wie wäre es denn | |
| wenn du auf 150 runtergehst. Die Widerstände haben sich aber sehr schnell | |
| gelegt, als den Künstlern klar wurde, dass wir keinen von ihnen vertreiben | |
| wollten. | |
| Und jetzt? | |
| Bin ich mit vielen von ihnen befreundet. Man kennt sich so lange. Wir sehen | |
| uns ja auch fast täglich seit ich hier mein Büro habe. Ich höre deren | |
| Musik, sammle deren Kunst. | |
| Arbeiten Sie denn noch als Anwalt? | |
| Nein, ich widme mich nur noch kulturellen Aktivitäten. Ich fühle mich heute | |
| bei Kunst und Theater viel mehr zu Hause als in der Welt der Kanzleien. Ich | |
| versuche aber, die Anwaltskreise immer wieder für die Kunst zu | |
| interessieren. Meine alte Sozietät ist gerade in ein neues Haus gezogen, | |
| ich sorge jetzt dafür, dass da die Kunst bei der Einrichtung der Räume | |
| nicht zu kurz kommt. | |
| Als das Luxushotel Steigenberger auf die Fleetinsel kam, hieß es aus dem | |
| Management, man schätze die kreative Nachbarschaft. Die Künstler brächten | |
| das "gewisse Etwas". Gibt es so etwas wie eine Vereinnahmung der Kunst? | |
| Oder eine Vereinnahmung des Steigenberger. Jedenfalls haben wir hier nicht | |
| das Gefühl, vereinnahmt zu werden. Umso stärker aber das Gefühl, für die | |
| Lebendigkeit des Viertels zu sorgen. Darin liegt ein großer Wert. Und ich | |
| glaube, die Stadt müsste viel mehr von solchen Fällen schaffen. Und wenn es | |
| nur für Zwischennutzungen ist. In Holland soll es ein Gesetz geben, das es | |
| erlaubt, Räume zu besetzen, wenn sie länger als einen Monat leer stehen. | |
| Das führt dazu, dass es Zwischennutzungsagenturen gibt. Hier dagegen gibt | |
| es Flächen, die seit Jahren leer stehen und Raumnot unter Künstlern. | |
| Aber Zwischennutzung ist für die Künstler doch ein Unwort, dieses | |
| fortwährende Weiterziehen … | |
| Wo ist das Problem? Künstler sind doch sehr mobil. Und so lange die | |
| Künstler nicht das Gefühl haben, an den Stadtrand gedrängt zu werden … | |
| Ist schon alles gut? | |
| Dass Schlimme an der Umzieherei ist doch, dass es in Einzelfällen mal keine | |
| Alternativen mehr gibt, und dann ist Schluss. Aber wenn es immer wieder was | |
| Neues gibt, ein Recht darauf, wenn Zwischennutzung revolvierend ist, dann | |
| könnte es klappen. Jetzt stehen Künstler vor der Frage: Gibt es überhaupt | |
| etwas? In Holland gehen sie zur Agentur und sagen: Wo ist das nächste? | |
| 27 Sep 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Maximilian Probst | |
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| Gängeviertel | |
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